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"Der Rubikon ist überschritten"

Von Thomas Seifert

Politik

China bastelt an neuer Weltordnung und an Konkurrenz zu Weltbank und Internationalem Währungsfonds.


Peking/Brüssel/Wien. China arbeitet schon seit längerer Zeit an einer Alternative zum federführend von den USA und Großbritannien ersonnenen Bretton-Woods-System aus Weltbank und Internationalem Währungsfonds.

2013 wurden die ersten Pläne der Asien Infrastruktur-Investitonsbank (AIIB) bekannt, am 24. Oktober 2014 wurden in Peking die Gründungsverträge unterschrieben. Vorerst würden 50 und später 100 Milliarden Dollar Kapital zur Verfügung stehen. Der Kapitalbedarf in Asien für Infrastrukturinvestitionen ist enorm: Nach einem Bericht des Asian Development Bank Institute aus dem Jahr 2010 müssen in der Dekade zwischen 2010 und 2020 rund 8 Billionen US-Dollar in die Entwicklung von Häfen, Straßennetzen, Schienennetzen, Flughäfen, Elektrizitäts-, Wasser- und-Kanalnetzen, Kraftwerken und Telekom-Infrastruktur fließen, um das weitere Wachstum der dynamischen Region sicherzustellen.

Vergangene Woche hatte nun Großbritannien angekündigt, sich am Aufbau der Bank beteiligen zu wollen - ein Faktum, über das Washington alles andere als erfreut war. Die USA fürchten um ihren Einfluss, wenn Investoren aus der EU, oder aus Australien, Japan oder Südkorea über das Vehikel AIIB Gelder unter Umgehung der in Washington ansässigen Weltbank für Investitionen in Asien zur Verfügung stellen. Der zuständige US-Diplomat Daniel Russel hatte den Europäern daher mehr Zurückhaltung nahegelegt.

In der britischen Tageszeitung "Guardian" wurde Stephen Spratt, ein Experte des Institute of Development Studies in Brighton mit den Worten zitiert: "Nun, da einer der wichtigsten Verbündeten der USA [Großbritannien, Anm.] sich dazu durchgerungen hat, [der AIIB] beizutreten, gibt es für die anderen Partner kaum einen Grund, das nicht zu tun. Der Rubikon ist überschritten".

Das chinesische Projekt bekommt auch aus Brüssel Unterstützung. "Ich finde einen Beitritt gut. Je mehr Länder mitmachen, desto besser", sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am Dienstag vor Journalisten in Peking. Österreich prüft das Projekt derzeit, heißt es aus dem Finnazministerium. Dabei seien die mit einem Beitritt verbundenen Kosten mit den möglichen außenpolitischen, außenwirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Interessen Österreichs abzuwägen. Der Ministeriumssprecher weist gegenüber der "Wiener Zeitung" darauf hin, dass es noch keine gemeinsame europäische Linie gibt.

Laut der chinesischen Staats-Nachrichtenagentur Xinhua überlegen nun auch Südkorea, die Schweiz und Luxemburg eine Beteiligung, die Londoner "Financial Times" meldete unter Berufung auf Regierungskreise, dass auch Frankreich und Italien einen Beitritt zur von China dominierten AIIB überlegen.

Der chinesische Außenamtssprecher Hong Lei wollte dies am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Peking nicht bestätigen: "Interessierte Länder sind eingeladen, ihre Entscheidung, mitzumachen, so rasch wie möglich bekannt zu geben." Für Deutschland hat Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die Teilnahme Deutschlands bei einem Treffen mit dem chinesische Vize-Premierminister Ma Kai in Berlin bereits zugesagt.

Spielwiese des Westens

Peking sieht in den Bretton-Woods-Institutionen schon lange eine Spielwiese des Westens: Beim Internationalen Währungsfonds (IWF), der für die Überwachung des globalen Finanzsystems zuständig ist, besitzen die USA de facto ein Vetorecht und stellen stets den Stellvertreter, während die Europäer stets den Chef (im jetzigen Fall mit der Französin Christine Lagarde die Chefin) stellen. Die führenden Wirtschaftsnationen haben die meisten Stimmrechtsanteile - gemessen an ihrer jeweiligen Wirtschaftskraft bei Gründung des IWF im Jahr 1944. China hat 3,81 Prozent der Stimmrechtsanteile, 4,4 mal soviele wie Österreich (0,87), 2,7 mal soviele wie die Schweiz (1,4 Prozent) und deutlich weniger als Deutschland (5,81 Prozent). Der Präsident der Weltbank, jener internationalen Organisation, die Gelder für Entwicklungshilfe bereitstellen soll, wird von den USA als eine Art Erbpacht betrachtet - bisher waren alle Weltbank-Präsidenten US-Staatsbürger. Zwei Weltbankpräsidenten - Paul Wolfowitz und Robert McNamara - waren zuvor im Verteidigungsministerium, wobei der eine mit dem desaströsen Krieg im Irak und der zweite mit dem Debakel in Vietnam in Verbindung stand. Die Weltbank-Präsidenten werden sogar vom US-Präsidenten ernannt.

Der Währungsfonds wird von Ländern wie China noch kritischer gesehen. Vor allem, als ab den 1990er-Jahren eine Welle von Wirtschaftskrisen über den Globus rollte und der IWF dabei weitgehend versagte, rief Ärger hervor. Das Misstrauen Chinas ist nun offenbar so groß, dass Peking Alternativen sucht.