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Ein Land liegt trocken

Von WZ-Korrespondent Fabian Kretschmer

Politik

Nordkorea fürchtet eine Jahrhundertdürre. Das Kim-Regime kann jedoch auf die Hilfe Chinas zählen.


Seoul. Für einen Staat, dessen Ideologie zu Gänze darauf fußt, sein Volk aus eigener Kraft zu versorgen, sind solche Worte mehr als beachtlich: Nordkorea sei von einer Jahrhundertdürre bedroht, im ganzen Land lägen Reisfelder brach und die Frühernte sei in Gefahr. Dies vermeldete keineswegs eine besorgte Hilfsorganisation, sondern die staatliche Nachrichtenagentur KCNA.

Westliche Delegationen, die erst vor kurzem das Land besuchten, berichten von allgegenwärtigen Propagandaplakaten, die die Bevölkerung zum Kampf gegen die Wasserknappheit mobilisieren sollen. Selbst Kleinkinder würden kilometerlang mit Wassereimern durch die verstaubten Landstraßen marschieren.

Dunkle Erinnerungen

Solche Bilder lassen dunkle Erinnerungen wach werden: an die 1990er Jahre, als Nordkorea nach dem Kollaps der Sowjetunion unter der größten Hungersnot in seiner Geschichte litt. Die jahrzehntelangen Hilfslieferungen des sozialistischen Alliierten blieben plötzlich aus, hinzu kamen gravierende Überschwemmungen und eine katastrophale Misswirtschaft der Parteielite. Hunderttausende sollen damals verhungert sein, manche Organisationen sprechen gar von bis zu drei Millionen Toten. Laut Experten ist ein derart drastisches Szenario diesmal zwar unwahrscheinlich, doch stehen den Nordkoreanern erneut harte Zeiten bevor.

Nicht zuletzt, weil die Landschaft fast zur Gänze abgerodet ist, wird das nördliche Korea in regelmäßigem Wechselspiel von Dürren und Überschwemmungen heimgesucht. Erst im letzten Frühling hatten die Bauern mit einer Dürreperiode zu kämpfen, und dennoch waren die Ernten nur mäßig davon betroffen. Das liegt nicht zuletzt an Kim Jong-un.

Der 31-jährige Diktator mag in westlichen Medienberichten als böse Witzfigur mit skurrilem Haarschnitt erscheinen, doch tatsächlich hat er seit seinem Amtsantritt 2011 die Wirtschaft des Landes in - für nordkoreanische Verhältnisse - beachtlicher Geschwindigkeit reformiert. Allen voran die Landwirtschaft: Seit 2013 dürfen erstmals kleine Kollektive aus Bauern satte 30 Prozent ihrer Ernte behalten, in diesem Jahr soll der Anteil gar auf das Doppelte ansteigen. Der marktwirtschaftliche Anreiz hat die Produktivität umgehend in die Höhe schnellen lassen.

Ernte droht einzubrechen

Zudem trägt auch die strukturelle Arbeit internationaler Hilfsorganisationen allmählich Früchte: Große Saatgutfabriken wurden aufgebaut, Anbaumethoden modernisiert und Gewächshäuser eingeführt. Und doch ist all das längst kein Grund zur Beruhigung.

"Für die ohnehin angespannte Nahrungsmittelsituation im Land wird das nächste Jahr ein Riesenproblem sein", sagt Simone Pott von der Welthungerhilfe, die seit fast 20 Jahren durchgängig in Nordkorea arbeitet. Vor allem Kinder, Alte und schwangere Frauen würden als Erste unter der Nahrungsmittelknappheit leiden - und dennoch: Das Wort Hungersnot nimmt auch die Pressesprecherin der deutschen Hilfsorganisation nicht in den Mund: "Bei keinem Land auf der Welt muss man mit statistischen Zahlen derart vorsichtig sein. Die basieren meist auf einzelnen Impressionen aus bestimmten Regionen, die dann hochgerechnet werden."

Die Ergebnisse der letzten UN-Delegation vom 10. Juni sind jedoch erschreckend: Die Ernte wird laut Schätzungen der Experten um 40 bis 50 Prozent einbrechen, über zwei Drittel der Bevölkerung werden unter der Dürre zu leiden haben. Gleichzeitig sind die Hilfsgelder nach Nordkorea in den letzten Jahren kontinuierlich gesunken. Im letzten Jahr etwa stellten UN-Vertretungen nur mehr 50 Millionen US-Dollar zur Verfügung, vor einer Dekade war es noch sechsmal so viel.

"Mit privaten Spenden können Sie die Probleme in Nordkorea nicht lösen", sagt Simone Pott von der Welthungerhilfe. Das läge nicht zuletzt daran, dass aus dem abgeschotteten Land keine Fernsehbilder über die Nahrungsmittelknappheit dringen werden, die für ausreichend öffentliche Wahrnehmung sorgen: "Da kommt es vor allem auf institutionelle Geldgeber an." Nur: Woher sollen die kommen?

Kein Geld aus den USA

Die Beziehungen zwischen dem Kim-Regime und der internationalen Gemeinschaft sind derzeit frostig wie lange nicht mehr. Von Südkorea, das derzeit ebenso mit einer ungewöhnlich starken Dürreperiode kämpft, ist kaum Hilfe zu erwarten. Dafür ist das Verhältnis zur konservativen Präsidentin Park Geun-hye zu angespannt. Auch die USA haben bereits am Mittwoch angekündigt, nicht mit Geldlieferungen einzuspringen.

Diese Rolle wird nun China zuteil, dem wohl letzten Verbündeten von Nordkorea. Peking hat bereits angekündigt, Hilfslieferungen zu schicken, sobald es ein offizielles Ersuchen vom Nachbarstaat erhält. Dennoch ist fraglich, ob das Kim Jong-un wirklich recht ist - denn China liefert nicht nur de facto Nordkoreas gesamtes Ölvorkommen, sondern hat auch die stärkste Durchsetzungskraft, seine Hilfsleistungen an politische Forderungen zu verknüpfen. Vor allem das Atomprogramm Nordkoreas ist auch der Parteiführung in Peking zunehmend ein Dorn im Auge.

Für das Kim-Regime genießt jedoch vor allem die Sicherheit nach außen höchste Priorität, und zwar mit weitem Abstand. Dass die Ernährung der eigenen Bevölkerung erst dahinter folgt, wurde nicht zuletzt im Februar deutlich: Damals hatte Nordkorea unverhofft die langjährige Leiterin der deutschen Welthungerhilfe des Landes verwiesen.