Zum Hauptinhalt springen

Integration statt Isolation

Von Von Gerhard Lechner

Politik

Die UNO wird 70 Jahre alt. An ihrer Fähigkeit zur Problemlösung bestehen Zweifel.


New York. Ein schwerfälliger, durchsetzungsunfähiger Koloss? Oder doch eine Welt- oder gar Wertegemeinschaft? Eine Art Weltföderation, wie sie sich Ex-US-Präsident Franklin D. Roosevelt erträumte - oder nur ein untauglicher Versuch, die Gegensätze in der Welt harmoniesüchtig wegzulächeln? Was die Vereinten Nationen (UNO) und ihren Erfolg oder Misserfolg betrifft, ist bei politischen Beobachtern die Uneinigkeit groß. Futter für die Kritiker der UNO gibt es vor dem 70. Geburtstag der Organisation am 26. Juni jedenfalls genug - vor allem dort, wo sich die Weltorganisation mit Soldaten als Friedensstifter versucht.

Erst in dieser Woche tauchten Vorwürfe auf, dass UNO-Soldaten in Zentralafrika Straßenkinder vergewaltigt haben sollen. Es ist bereits das dritte Mal in jüngster Zeit, dass von solchen Vorwürfen gegen UNO-Soldaten die Rede ist. Kinder zwischen neun und 13 Jahren sollen dabei unter anderem gegen Essen oder Geld zu Sex gezwungen worden sein.

Versagen bei Friedenseinsätzen

Die Vorwürfe reihen sich ein in die nur mäßig erfolgreiche Bilanz der Vereinten Nationen bei Friedenseinsätzen: Der Umstand, dass Blauhelme den Mord an bosnischen Muslimen in Srebrenica ebenso wenig verhindern konnten wie etwa den Völkermord der Hutu-Milizen an den Tutsi in Ruanda in den 1990ern, liefert den Kritikern der Weltorganisation Argumente. Ebenso wie die Struktur der UNO: Im Sicherheitsrat, der laut UNO-Statuten für Frieden und Sicherheit in der Welt hauptverantwortlich ist, finden sich als ständige Mitglieder nach wie vor nur die USA, Großbritannien, Frankreich, Russland und China. Wichtige Staaten wie Deutschland, Japan, Indien oder Brasilien bleiben ebenso wie afrikanische Staaten weiter ausgeschlossen. Mit den Strukturen von 1945, argumentieren die Kritiker, kann man im neuen Jahrtausend nicht reüssieren.

Die Probleme der UNO sind freilich schon fast so alt wie die UNO selbst. "Roosevelts Konzept aus den 1940er Jahren war schon ein bis zwei Jahre später beendet. Im Kalten Krieg war der Sicherheitsrat blockiert", gibt der Politologe Heinz Gärtner vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) zu bedenken. Das Konzept des Sicherheitsrates sei deshalb aber nicht schlecht. "Es gibt auch genug UN-Resolutionen, die von allen mitgetragen werden. Das ist vor allem bei Resolutionen zu Afrika der Fall", sagt Gärtner im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Der Sicherheitsrat, meint der Politologe, sei "eine sehr schlechte Autorität. Aber es ist zugleich die beste, die wir haben." Denn: Wer könnte an Stelle des UN-Gremiums entscheiden? Die USA? Die EU? Die Nato? Die Shanghai-Gruppe? Die OSZE?

"Es gibt auch 70 Jahre nach der Gründung der UNO keine brauchbare Alternative zum Konzept der Vereinten Nationen, das auf Integration statt Isolation setzt", analysiert Gärtner. Aus den USA kommende Vorschläge, statt der Weltgemeinschaft auf eine "Liga der Demokratien" zu setzen, betrachtet er skeptisch. In einem solchen Fall würde es schließlich wieder jemanden geben müssen, der bestimmt, wer in diesen Kreis aufgenommen wird. Und jemanden, der bereit ist, das anzuerkennen.

Ist die Rolle der UNO als Sicherheitsorganisation umstritten, so werden UNO-Organisationen wie die Weltgesundheitsorganisation WHO oder die Bildungs-, Forschungs- und Kulturorganisation Unesco allgemein gelobt. Die WHO beispielsweise hat heute in der weltweiten Gesundheitspolitik zentrale Bedeutung.