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Kaum Platz für Optimisten

Von Veronika Eschbacher

Politik

Wird der Mittlere Osten durch einen Atom-Deal mit dem Iran ein sicherer oder gefährlicherer Ort?


Wien/Teheran/Washington. Ein erfolgreicher Abschluss der Atomverhandlungen mit dem Iran wäre einer der größten diplomatischen Erfolge im Mittleren Osten seit der Madrider Friedenskonferenz 1991. Madrid schaffte die Voraussetzungen für das Oslo-Abkommen und den Friedensvertrag zwischen Israel und Jordanien. Da viele große Übereinkünfte und Umwälzungen im Mittleren Osten - nicht zuletzt der Arabische Frühling - die durch sie initiierten Hoffnungen jedoch meist enttäuschten, gilt die Region unter Experten heute als Grab für Imperien, Prognostiker - und Optimisten. Wie viel Optimismus für eine positive Entwicklung des Mittleren Osten im Falle eines Atom-Deals angebracht ist, daran spalten sich die Geister.

So gibt es seit Beginn der Verhandlungen viele Stimmen, die warnen, ein von den Sanktionen befreiter Iran habe freie Hand, seine verwundbaren arabischen Nachbarn zu dominieren und Israel Schwierigkeiten zu bereiten. Ein Deal würde also weiteres Öl ins Feuer gießen - und die ohnehin scharfe politische Rivalität zwischen dem Iran und Saudi-Arabien und sunnitisch-schiitischen Konflikte anheizen.

Für Kenneth M. Pollack, Nahostexperte der Denkfabrik Brookings Institution, sind derartige Prognosen übertrieben. Der Iran habe für jedes Nachbarland einen eigenen Katalog an Interessen und eine Strategie, um diese zu erreichen. An diesen spezifischen, für Teheran äußerst wichtigen Interessen werde auch ein Atom-Deal nichts ändern. Nicht zuletzt, da Teheran mit dem Status quo durchaus zufrieden sei: Seine schiitischen Verbündeten sind dominierende Kräfte im Irak, dem Libanon und im Jemen. In Syrien ist das verbündete Assad-Regime zwar in Bedrängnis, aber weiterhin an der Macht. Einzig in Bahrain sei der Einfluss geringer als gewünscht. "Es gibt also keinen bestimmten Grund zu glauben, dass der Iran versuchen könnte, seine aggressive Involvierung in diesen Staaten auszubauen", schreibt Pollack in einer Analyse.

Golfstaaten stark verunsichert

Darüber hinaus stelle sich die Frage, ob der Iran in der Region momentan, auch wenn er wollte, überhaupt Schaden anrichten könnte. Die schiitische Hisbollah ist in intensive Kämpfe im syrischen Bürgerkrieg verwickelt, die Palästinenser-Miliz Hamas in Gaza entfremdete genau dieser vom Iran. Beide stünden, so Pollack, einem hypothetischen Aufruf vonseiten des Iran für Attacken auf Israel aktuell nicht zur Verfügung. In Bahrain, wo sich die mehrheitlich schiitische Bevölkerung von der sunnitischen Führung unterdrückt fühlt, sträubt man sich, Hilfe vom Iran anzunehmen. Es werde befürchtet, dass zu viel Unterstützung durch Teheran es erschwert, internationalen Druck auf das Regime zu generieren.

Großer Widerstand gegen einen Deal mit dem Iran kommt aus Israel. Israel sieht sich durch die Annäherung der internationalen Gemeinschaft an den Iran in seiner Existenz bedroht. Israel hat bereits in der Vergangenheit unilateral militärisch reagiert, um ein Fortschreiten eines Atomprogramms des Iran hintanzuhalten. "Sollten die Israelis (den Iran, Anm.) angreifen, würde eine bereits existierendes, anti-israelische Stimmung sich nahezu sicher zu einem stark anti-israelischen Klima auswachsen", schreibt Pollack. Das hieße aber nicht, dass Israel den Deal einfach schlucken werde. Es sei vielmehr eine Intensivierung von Geheimoperationen gegen den Iran zu erwarten.

Die Golfstaaten sind stark verunsichert, denn der Atom-Deal bringt das regionale Machtsystem massiv ins Wanken. Sie fürchten, dass sich die USA nach einem Atomdeal noch weiter aus der Region zurückziehen und Washington ihnen bei Schwierigkeiten in Zukunft nicht mehr beisteht. "Es besteht die Gefahr, dass die Golfstaaten selbst versucht sind, sich mit den Iranern anzulegen", so Pollack. Ohne die USA vor Ort, um die Golfstaaten zu beruhigen und den Iran abzuschrecken, "könnte es sehr ungemütlich werden."

Was die US-Iran-Beziehungen betrifft, so bezweifeln die meisten Experten eine Verbesserung durch einen Atom-Deal - dabei könnte diese vor allem im Kampf gegen den Islamischen Staat für die Region von Vorteil sein. Laut Pollack würden die moderaten Kräfte im Iran sich dafür einsetzen, einen Deal zu nutzen, um einen größeren Öffnungsprozess zu initiieren - inklusive einer Annäherung an die USA. Gleichzeitig würden Hardliner aber argumentieren, dass ein Deal jegliche Annäherung unnötig mache und der Iran besser seine Anstrengungen, die USA aus dem Mittleren Osten zu vertreiben, verdoppeln sollte.