Wien. Thomas Klestil hat es politisch vorgemacht und sich in Sachen Iran als "Eisbrecher" betätigt. Im September 1999 besuchte er als erstes Staatsoberhaupt eines EU-Landes seit der Islamischen Revolution 1979 den Iran. Nun wird Bundespräsident Heinz Fischer als erstes Staatsoberhaupt eines EU-Landes seit 2004 die Islamische Republik Iran besuchen. Voraussetzung für die mehrmals verschobene Reise war der Abschluss des Atomabkommens zwischen der internationalen Staatengemeinschaft und Teheran.
Auch diesmal stehen wieder wirtschaftliche Interessen unübersehbar auf der Besuchs-Agenda. Schon die Präsidentenvisite im September 1999 brachte fast 100 Repräsentanten österreichischer Firmen mit nach Teheran.
Leitl will Ausbau der Handelsbeziehungen
Der Präsident der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), Christoph Leitl (ÖVP), rechnet jedenfalls damit, dass sich das bilaterale Handelsvolumen mit dem Iran mittelfristig auf eine Milliarde Euro verfünffacht. Österreich habe auch in schwierigen Zeiten immer Kontakte zu Teheran unterhalten und er sei stolz, dass die Regierung immer Brücken gebaut habe.
Angesprochen auf die Kritik, dass die WKÖ trotz der katastrophalen Menschenrechtslage im Iran nur ans Geschäft denke, meinte Leitl, dass die WKÖ sich an alle Beschlüsse und Sanktionen halte und man nicht "der Schiedsrichter der Welt" sei. Durch die Wirtschaftsbeziehungen, die nach der Aufhebung der Sanktionen schleunigst intensiviert werden sollen, entstehe eine Win-Win-Situation für alle, und durch menschliche Kontakte trage man zum Frieden bei. Dass dadurch Arbeitsplätze entstehen und die Wirtschaft floriere, sei zu begrüßen.
Leitl glaubt, dass eine iranische Atombombe durch die Verhandlungen verhindert wurde. "Da draußen demonstriert 'Stop the Bomb', und ich sage Ihnen eines: die Bombe wurde durch Verhandlungen und Dialog verhindert", sagte Leitl bei der EU-Iran-Konferenz am Donnerstag in Wien.
Das Motto Kooperation statt Konfrontation sei das Beste. Der Iran-Deal könne nun als Vorbild für andere Konfliktlösungen wie etwa des Russland-Ukraine-Konflikts dienen. Zudem unterstrich Leitl gegenüber APA und "Wiener Zeitung", dass Österreich nicht erst jetzt nach dem Deal anfangen müsse, Delegationen in den Iran zu schicken und von Null anzufangen. "Wir hatten heuer schon sieben Events, und heute ist der achte, und bis Jahresende kommen noch sieben hinzu", ergänzte er.
Auch Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wies auf die schon bisher gute Beziehung zum Iran hin. Heimische Unternehmen seien gut im Markt positioniert und würden dort einen guten Ruf genießen. Die Einigung im Atomstreit ergebe nun neue wirtschaftliche Chancen - vor allem in den Bereichen Erneuerbare Energien, beim Ausbau der Infrastruktur, im Maschinenbau sowie bei der Erdgas- und Erdölproduktion. Der Minister erwartet, "dass Österreich zusammen mit Deutschland, Frankreich und Italien zu jenen Ländern gehören wird, denen die Einigung und das neue Klima mehr nützen werden als anderen Ländern".
Einladung an EU-Investoren
Der iranische Handelsminister Mohammad Reza Nemarzadeh lud EU-Investoren ein, kräftig im Iran tätig zu werden und kündigte die Bereitschaft Teherans an, der WTO beizutreten, wenn die Sanktionen aufgehoben werden. Das Land wolle in erster Linie seinen Öl- und Gassektor, die Bergbau- und Metallindustrie sowie den Auto- und Autozulieferbereich ausbauen, ergänzte er. Der stellvertretende Öl-Minister Hossein Samaninia sagte, die Regierung hoffe, bis 2020 Verträge über rund 50 Öl- und Gasprojekte im Wert von 185 Milliarden Dollar abzuschließen.
Besuchs-Stopp nach Sanktionen
Nachdem im August 2005 der Hardliner Mahmoud Ahmadinejad Präsident wurde, eskalierte der Atomstreit mit dem Iran. Unter Ahmadinejad wurde die Urananreicherung, die 2004 unter Khatami kurzfristig ausgesetzt worden war, wieder voll aufgenommen. Der Atomstreit eskalierte. Der UN-Sicherheitsrat verhängte Sanktionen, Teheran fuhr die Uran-Anreicherung hoch. Atomverhandlungen mit den 5+1 (UN-Vetomächte plus Deutschland) blieben ergebnislos, die Sanktionsbeschlüsse folgten.
2013 gewann der als moderat geltende Hassan Rohani die Präsidentenwahlen im Iran. Er versprach, den Atomstreit im Dialog mit der internationalen Staatengemeinschaft zu lösen. Rohani lud auch Fischer mehrmals in den Iran ein. Am 14. Juli gelang es schließlich in Wien, ein umfassendes Abkommen zur Beilegung des Atomstreits (Joint Comprehensive Plan of Action/JCPOA) zu schließen. Damit konnte der Bundespräsident der Einladung Folge leisten.
Das Abkommen und die damit verbundene Aufhebung der Sanktionen gegen Teheran wird aber erst in Kraft treten, wenn der US-Kongress und das iranische Parlament (Majles) zugestimmt haben. Hardliner in den USA und im Iran kritisieren den Deal scharf, weil sie sich von der jeweils anderen Seite übervorteilt sehen. Zudem muss die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bestätigen, dass Teheran seine Verpflichtungen einhält. Außerdem will die IAEA bis Ende des Jahre geklärt haben, ob das iranische Atomprogramm eine mögliche militärische Dimension (PMD) hatte oder hat. Und nicht zuletzt zeigt sich Israel höchst unzufrieden mit dem Atom-Deal.
Netanyahu: Abkommen macht Nahost-Krieg wahrscheinlicher
Der Atom-Deal mit dem Iran erhöhe die Wahrscheinlichkeit eines weiteren Nahost-Kriegs, sagte Israels Premier Benjamin Netanyahu am Mittwoch anlässlich des Besuchs der kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic in Jerusalem.
Wie die "Jerusalem Post" weiter berichte, warnte Netanyahu: "Jetzt sagt man uns, dass die einzige Alternative zu diesem schlechten Abkommen Krieg ist. Aber das genaue Gegenteil ist wahr. Durch die Stärkung des Terroristenstaates Iran wird ein Krieg durch diesen Deal nicht weniger sondern eher wahrscheinlich."
Laut dem israelischen Premier reicht für die arabischen Staaten allein die Aussicht, dass der Iran eine Atommacht wird, um bei ihnen ein nukleares Wettrüsten auszulösen, "und das in der instabilsten Region der Welt".
Die Hunderten Milliarden Dollar, die der Iran nach der Aufhebung der Sanktionen einstreifen werde, werde Teheran dazu verwenden, seine "Terror- und Kriegsmaschine zu schmieren", so Netanayahu. Es werde mehr iranische Aggression im Irak, in Syrien, im Libanon, in Libyen, im Jemen und anderswo geben. Der Deal bedeute mehr iranische Raketen, mehr Terror von Revolutionsgarden, Hisbollah, Hamas und Islamischem Jihad.
"Die wirkliche Alternative zu diesem Abkommen ist nicht Krieg, sondern ein besseres Abkommen, das die Aufhebung der Sanktionen gegen das iranische Atomprogramm an einen Abbau der nuklearen Infrastruktur knüpft", meinte Netanyahu, der seit Langem nahezu täglich gegen den Atom-Deal mit dem Iran wettert.