Der jüngste Konflikt mit dem Norden könnte, nach Ansicht von Eschborn, der südkoreanischen Regierung zudem nicht ungelegen kommen: "Die südkoreanische Regierung ist in der Bevölkerung nicht besonders populär - ihre Zustimmungsrate liegt bei knapp über 30 Prozent. Sie kann nun beim Schutz gegen nordkoreanische Aggressionen - einem Pflichtfeld der südkoreanischen Politik - Führungsstärke zeigen", so Eschborn.
Technisch gesehen befinden sich Süd- und Nordkorea noch immer im Krieg. Der Koreakrieg von 1950 bis 1953 endete nicht mit einem Friedensvertrag, sondern nur einem Waffenstillstand. Die demilitarisierte Zone, ein von unzähligen Minen durchzogener Landstrich, ist eine Hinterlassenschaft des Koreakriegs. Auch Stacheldrähte trennen dort die beiden verfeindeten koreanischen Staaten voneinander.
Für den Kriegsfall sind beide Länder hochgerüstet: Nordkorea verfügt über eine 1,2 Millionen Mann starke Armee, Nuklearwaffen und strategische Raketen. Südkorea unterhält eine Hightech-Armee bestehend aus 650.000 Soldaten. Zusätzlich sind 28.000 US-Soldaten in Südkorea stationiert. Der sogenannten Sonnenscheinpolitik, die Ende der 1990er Jahre vom damaligen südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung eingeleitet wurde und zur Befriedigung der Halbinsel führen sollte, war kein langfristiger Erfolg beschienen.
Keine Anspannung in Seoul
In Seoul selbst würden die jüngsten Ereignisse für keine größere Anspannung sorgen, sagt Eschborn. 2013, als Kim Jong-un den Kriegszustand erklärte, sei die Situation angespannter gewesen - trotzdem sei auch damals niemand in die Bunker geflüchtet. Diese Lockerheit der Südkoreaner sei für viele Ausländer immer wieder überraschend.
"Die Südkoreaner sind es gewohnt, unter einer gewissen Bedrohung zu leben. Die nordkoreanischen Geschütze, die nördlich der Grenze in großer Zahl eingegraben seien sollen, könnten Seoul theoretisch ja jeden Tag treffen."