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"Energie der Zivilgesellschaft nutzen"

Von Reinhard Göweil

Politik

Bundespräsident Heinz Fischer fordert die Politik zum "Teamwork" auf.


Teheran. Bundespräsident Heinz Fischer ist das erste EU-Staatsoberhaupt seit 2004, das den Iran besucht. Am Flug nach Teheran sprach die "Wiener Zeitung" mit ihm über das derzeitige Thema Nummer eins: die Flüchtlinge. Politikexperten sind sich einig, dass die Zivilgesellschaft in Österreich und Deutschland die offizielle Politik einfach überrollte - und half.

"Es ist Aufgabe und eine Chance der Politik, die Energie der Zivilgesellschaft zu nutzen. Die nimmt ihre Möglichkeiten sehr menschlich wahr, und die Politik muss dazu der Ermöglicher sein." Heinz Fischer räumte ein, dass "sich die Verwaltung im ersten Halbjahr von dieser Zivilgesellschaft abgekoppelt hat. Vielleicht hat sie sich auch ungerecht behandelt gefühlt. Aber jetzt ist der Knopf aufgegangen."

Am vergangenen Wochenende arbeiteten Helfer und Behörden eng zusammen, um den ankommenden Flüchtlingen zu helfen. Am Hauptbahnhof und am Westbahnhof (sowie in Linz und Salzburg) stellten die ÖBB den Hilfsorganisationen unbürokratisch und kostenlos Flächen zur Verfügung, um die Spenden entgegennehmen und verteilen zu können.

Zusammenspielmit den Behörden

Die ÖBB-Mitarbeiter an den Bahnhöfen halfen, wo sie konnten. ÖBB-Chef Christian Kern ermöglichte dies mit seiner Entscheidung. Die Wiener Polizei strafte keinen einzigen Helfer, der rund um die Bahnhöfe mit seinem Auto im Parkverbot oder in Einfahrten stand, um Sachen zu bringen oder welche nach Nickelsdorf zu schaffen. Die MA 48 stellte ohne viele Worte mobile Toiletten und Müllcontainer zu den Ausgabestellen, und entsorgte alles. Rewe (Billa, Merkur, Penny) brachte Lastwagen mit Lebensmitteln zu den Bahnhöfen.

Die Bananen fanden bei den Flüchtlingskindern reißenden Absatz. Tausende Helfer kamen - und begannen gemeinsam für Flüchtlinge zu arbeiten, ohne sich zu kennen, ohne irgendeine Arbeit abzulehnen.

Fischers Erinnerungen an Ungarn-Flüchtlinge 1956

Am vergangenen Wochenende zeigte sich eine Gesellschaft von ihrer besten Seite. Bundespräsident Heinz Fischer dazu: "Ich war 1956 im Flüchtlingslager, als die Ungarn kamen, und war so froh, gebraucht zu werden. Ich kenne dieses wunderbare Gefühl." Ob seine bisherigen Aktivitäten ausreichend waren, will der Bundespräsident so einfach nicht beantworten. "Ich bin mit dem Kanzler und Vizekanzler nach Traiskirchen gefahren. Manche haben gesagt, zu spät. Es wird immer Kritik geben. Aber es funktioniert am Ende nur als Teamwork. Auch der deutsche Präsident kann die Flüchtlings-Problematik nicht alleine lösen." Fischer verweist auf das notwendige Teamwork von EU, Staat und Gemeinden. "Wenn sich der Staat anstrengt, motiviert das die Gemeinden." Auf europäischer Ebene seien viele Fragen unbeantwortet, etwa wie viele Asylsuchende aus Nordafrika das Asyl auch verdienen. Darauf gebe es keine Antwort.

Vizekanzler Reinhold Mitterlehner verweist ebenso auf offene Fragen - und eine gespaltene Gesellschaft. "Viele ältere Bürger fragten mich kürzlich, ob die Flüchtlinge ihre Pensionserhöhung gefährden. Auch das muss ernst genommen werden." Mitterlehner verweist allerdings darauf, dass sich unter den syrischen Flüchtlingen viele sehr gut ausgebildete Männer und Frauen befinden. Mit dem ihm eigenen Sarkasmus meinte er: "Die Syrer schienen ein gutes Bildungssystem gehabt zu haben."