Zum Hauptinhalt springen

Der fliegende Teppich

Von Reinhard Göweil aus Teheran

Politik

Die wirtschaftliche Öffnung des Iran zählt zu den größten Hoffnungen weltweit.


Teheran. Allein am Montag waren neben der österreichischen Delegation noch zwei weitere aus Tschechien und Spanien in Teheran - jeweils mit Außen- und Wirtschaftsminister sowie dutzenden Firmenvertretern. Irans Präsident Hassan Rouhani kann sich der Einladungen kaum erwehren, er könnte Berlin, Rom, Paris und London gleichzeitig besuchen.

Das sogenannte Atomabkommen und die bevorstehende Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran holt das Land in die Weltwirtschaft zurück - und jeder möchte vorne mit dabei sein. Auch Österreich. "Das ist die größte Wirtschaftsdelegation, die jemals einen Bundespräsidenten auf Staatsbesuch begleitet hat", konstatierte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl. 230 Manager von 140 Unternehmen begleiteten Heinz Fischer, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz in den Iran. Bis 2020 soll das Handelsvolumen von heuer etwa 300 Millionen Euro auf über eine Milliarde steigen. Die Sanktionen sorgten für einen scharfen Abwärtstrend, doch nun scheint die ökonomische Ampel auf Grün zu stehen. Der Iran ist für die Weltwirtschaft vom Schmuddel- zum Lieblingskind geworden. Kein Wunder, denn die vorhandenen Bodenschätze von Erdöl bis Erze versprechen üppige Geschäfte. Allein der Investitionsbedarf im Erdölbusiness wird auf 500 Milliarden Euro geschätzt.

Die iranische Stahlindustrie ist alles andere als modern. Der Stahl-Anlagenbauer VAI erwartet sich ebenso Geschäftsmöglichkeiten wie die OMV. Deren neuer Generaldirektor Rainer Seele sprach in Teheran über die Möglichkeit, Erdöl zu fördern. Schon einmal versuchte die OMV, groß ins Geschäft mit dem Iran einzusteigen, aus dem Joint Venture mit der Iranian Oil Company wurde dann aber nichts. Nun gibt es wohl eine neue Möglichkeit. Seele zur "Wiener Zeitung" auf die Frage, ob die russische Partnerschaft der OMV darunter leiden würde: "Wir sind auch die Freunde des Iran."

Beim Staatsbesuch von Heinz Fischer wurden 15 Abkommen mit einem Volumen von zirka 80 Millionen Euro abgeschlossen. Im Hintergrund lauert aber viel mehr. Auch Magna sondiert derzeit den Automarkt. Mit 80 Millionen Einwohner zählt der Iran zu den attraktivsten Märkten weltweit. Peugeot will eine Autofabrik im Iran errichten - auch italienische Großkonzerne sehen sich um Investitionsmöglichkeiten im Iran um.

Der größte Hemmschuh sind derzeit die Finanzsanktionen. Während die Handels- und Investitionsbeschränkungen bis Frühjahr 2016 fallen sollen, könnten die Finanzsanktionen bis 2017 aufrecht bleiben. Dann wäre es zwar möglich, herrliche Geschäfte abzuschließen, aber kaum möglich, sie auf legalem Weg zu bezahlen.

Finanzsanktionen machen weiterhin Kopfzerbrechen

Die Sanktionen wirkten zwar genug, um dem Iran das in Wien abgeschlossene Atomabkommen schmackhaft zu machen, doch umgangen wurden sie ebenso. Vor allem aus der Türkei sollen Lkw-Ladungen an Bargeld herangekarrt worden sein, da etliche Lieferungen über türkische Banken abgewickelt werden. Auch chinesische Banken unterliefen das westliche Embargo. Die türkische Zentralbank unterhält sogar eine chinesische Repräsentanz. Nun hoffen die Geschäftsleute, dass die Finanz-Sanktionen so rasch wie möglich gelockert werden. Der Iran ist derzeit vom Zahlungsverkehrssystem Swift suspendiert, was eine Teilnahme an den Finanzmärkten unmöglich macht. Und die europäischen Banken gehen das Thema mit spitzen Fingern an, da die USA wegen Sanktionsverstößen bereits Milliardenstrafen über Banken verhängten.

Der Iran selbst will die Finanzsanktionen so rasch wie möglich weghaben. "In den vergangenen Jahren gab es einen geringen Wirtschaftsaustausch. Ich hoffe, dass dies nun der Beginn ist, unsere Beziehungen neu zu gestalten", sagte Staatspräsident Rouhani zu österreichischen Journalisten.

Mit dem Meinungsaustausch hapert es allerdings noch. Twitter, Facebook und YouTube sind im Iran gesperrt, statt deren Seiten tauchen grundsätzlich nett anzusehende Blumenbilder auf. Das Internet, so überhaupt vorhanden, wird künstlich heruntergebremst. Künftige Investoren müssen sich darauf einstellen, dass die Übertragung hoher Datenvolumina nur schwierig möglich sein wird.

Dabei wäre dies dringend notwendig, vor allem im Dienstleistungs- und Planungsbereich. An diesem Know-how hat der Iran größtes Interesse. Österreich könnte etwa, so Vizekanzler und Wirtschaftsminister Mitterlehner, bei Umwelttechnologien voll punkten. Schiene, Hafenerneuerungsprojekte und Tourismus sind weitere Branchen, die im Iran auf gutes Geschäft hoffen können. "Und die haben eine so lange Vorlaufzeit, bis dahin sind auch die Finanzsanktionen weg", ist er überzeugt.

Wenn die USA mitspielen und die Finanzsanktionen lockern, nach den Parlamentswahlen im Frühjahr 2016. Dabei, hoffen viele im Iran, könnte die konservative Mehrheit gebrochen werden.

"Das Ende der Isolation tut dem Iran gut", sagte Außenminister Kurz. Wie sein (Partei-)Chef, Reinhold Mitterlehner, hält auch er den Zeitpunkt der Wirtschaftsreise für ideal. "Wir wollen vorne mit dabei sein, denn wir haben eine sehr lange Tradition unserer Beziehungen. Und nicht hinten nach zockeln", sagte auch Bundespräsident Heinz Fischer.

Das Wirtschaftsinteresse gibt ihm recht. Beim Wirtschaftsforum in Teheran tummelten sich 1000 Unternehmensvertreter - 700 aus dem Iran und 300 aus Österreich. Im Iran gibt es - trotz "Brain-Drain" - überdurchschnittlich viele gut ausgebildete junge Menschen. Sie suchen Arbeitsplätze, die es derzeit nur mangelhaft gibt. Leitl warnte auch davor, in Österreich eine Stimmung der Angst vor Zuwanderung zu schüren. "Präsident Rouhani sagte uns, dass in Syrien die Besten gehen. Es wäre gut, wenn wir diese Menschen für uns gewinnen könnten."

Vier Memoranden wurden bei dem Besuch bisher unterzeichnet: Die Absichtserklärungen beziehen sich auf eine Zusammenarbeit im Bereich Umwelt, auf politischen und interreligiösen Dialog sowie auf eine Gemischte Kommission zur Förderung der Wirtschaftsbeziehungen. Daneben wurden elf Wissenschaftsabkommen unterschrieben.