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Weg vom "Bad Boy"-Image

Von Arian Faal

Politik

Der historische Atom-Deal zwischen dem Westen und dem Iran hat auch zu einer Annäherung zwischen Washington und Teheran geführt. Bis zu einer Normalisierung der Beziehungen wird es aber noch einige Zeit dauern.


New York/Teheran/Wien. In der Islamischen Republik Iran ist es schwer, mit politischen Traditionen und Eckpfeilern der Hardliner, die viele Bereiche der Macht dominieren, zu brechen. Dies bekommt auch der siebente, als moderat geltende Präsident, Hassan Rohani, seit seinem Amtsantritt immer wieder sehr deutlich zu spüren. Einerseits bei seinem Vorhaben, die Zensur zu lockern, politische Gefangene zu befreien und die sozialen Medien offiziell zu etablieren, andererseits bei der vorsichtigen Annäherung an den Westen, allen voran an die USA.

Der US-Hass gehört zum heutigen politischen Iran wie der Koran: Auf Wänden aller großen Städte finden sich Abbildungen angezündeter US-Flaggen und die omnipräsenten Slogans "Tod Amerika" und "Tod Israel". Die USA werden als "Großer Satan" und Israel als "Kleiner Satan" bezeichnet. Rohani will mit diesen Hasstiraden gegen Washington langsam abschließen, auch wenn sie sogar bei vielen Schulstunden die Abschlussworte der Kinder sind.

"‚Tod Amerika‘- Rufe nicht gegen US-Volk gerichtet"

"Wenn unsere Bürger ‚Tod Amerika‘ schreien, ist das nicht gegen das amerikanische Volk gerichtet, aber zugleich war die Politik der Vereinigten Staaten gegen die nationalen Interessen des iranischen Volkes", so Rohani. Es sei daher verständlich, dass Menschen bei diesem Thema empfindlich wären. Mit diesen Worten bemühte sich der taktisch geschickte Spitzendiplomat im Interview mit einem US-Sender, die Wogen zu glätten. Zudem ließ er damit aufhorchen, dass er hinsichtlich einer Wiederbelebung der Beziehungen zu Washington, die seit fast 36 Jahren auf Eis liegen, ein kleines Hoffnungsfenster öffnete. Er werde US-Präsident Barack Obama zwar nicht treffen, denn es geben noch einiges zu tun, bis ein solcher Schritt reif sei. Dennoch verwies er darauf, dass nach einer Implementierung des Deals die Situation neu bewertet würde.

Diese Ansichten hatte bereits Rohanis politischer Ziehvater und Chef des Schlichtungsrates, Ayatollah Akbar Hashemi-Rafsanjani, in einem für Aufsehen sorgenden Interview vor dem Sommer mit dem "Guardian" angedeutet: "Es ist nicht unmöglich, dass wir eine US-Botschaft im Iran haben werden", erklärte der zweitmächtigste Mann damals.

Auch Obama schlägt in diese versöhnliche Kerbe und will sich nach Kuba auch an Teheran annähern. Schon seit 2009 schickt er zum persischen Neujahr eine herzliche Freundschaftsnachricht an das iranische Volk und hat bereits einmal das UN-Forum in New York dazu genutzt, Rohani anzurufen. Das historische Telefonat ebnete den Weg für eine Reihe diplomatischen Gesten, die seither zwischen den beiden Staaten gepflegt werden. Zustande kommen konnte diese Annäherung aufgrund von drei Faktoren. Zum einen war es Sultan Qabus vom Oman höchstpersönlich, der nach Rohanis Wahl die Gunst der Stunde gekommen sah und sich aktiv als Mediator für eine Wiederbelebung der Beziehungen einsetzte. Er telefonierte mit Obama und mit Khamenei und organisierte bereits vor der Wahl Rohanis mehrere geheime Treffen zwischen Vertretern von Washington und Teheran in seiner Hauptstadt Masqat.

Gute Chemie unter handelnden Akteuren

Zweitens wurde das Ende der Eiszeit nicht zuletzt durch die handelnden Akteure ermöglicht. Nicht nur zwischen Obama und Rohani, sondern auch bei den Handlungsträgern in der zweiten Reihe gibt es offensichtlich eine sehr gute Gesprächsbasis. Das Faktum, dass der Wiener Atom-Deal zustande gekommen ist, führen mehrere Experten auf den Umstand zurück, dass es zwischen den handelnden Akteuren aus Washington und Teheran, also einerseits US-Außenminister John Kerry und US-Energieminister Earnest Moniz und andererseits Irans Chefdiplomat Mohammad Javad Zarif und dem Chef der iranischen Atomenergiebehörde Ali Akbar Salehi, eine sehr gute Chemie gab.

Moniz schenkte Salehi Babykleidung für seinen Enkel, der während der Verhandlungen geboren wurde, Kerry gab Zarif seine privaten Handynummern und der US-Stab verbrachte die meiste Verhandlungszeit in Wien mit dem iranischen Team. Letztlich zwang die miserable Wirtschaftslage den Iran, sich kooperativer zu verhalten und im Nuklearkonflikt einzulenken.

Zurück zu Rohani in New York: Dort hat er dem Westen die Hand ausgestreckt, den USA einen Gefangenenaustausch vorgeschlagen und auch sonst alles arrangiert, dass es einen regen Austausch zwischen amerikanischen und iranischen Diplomaten auf fünf verschiedenen Ebenen gibt. Nach dem Atom-Deal will man laut Insidern auch über die Syrienproblematik, den Islamischen Staat und über den internationalen Drogenschmuggel konferieren.

Wichtig ist, in wieweit der Präsident für seine politisch gewagten Vorhaben inneren Rückhalt hat. Dass Rohani es geschafft hat, den 13 Jahre andauernden Atomstreit zu beenden und damit die Rehabilitierung des schiitischen Golfstaates nach acht fast zehn Jahren der Isolation einzuleiten, stärkt ihm zwar den Rücken und die (vorläufige) Gunst des Obersten Geistlichen Führers, Ayatollah Ali Khamenei. Letzterer hat in allen Belangen das letzte Wort und steht hinter dem historischen Atom-Deal vom 14. Juli, worin sich der Iran verpflichtet, sein Nuklearprogramm zurückzufahren und im Gegenzug die Suspendierung der schmerzlichen Wirtschaftssanktionen im Falle einer erfolgreichen Implementierung des Deals zugestanden bekommt.

In New York sieht man den Iran jedenfalls nicht mehr als politischen "Bad Boy". "Jahrelang liefen scharenweise Diplomaten aus dem Saal, wenn der iranische UNO-Beitrag startete, doch heuer will ihn niemand verpassen. Die Zeiten haben sich geändert", resümierte ein UNO-Diplomat gegenüber der "Wiener Zeitung". Bereits letztes Jahr gab es auch kleine Gesten, die Großes ankündigten: Die iranische Delegation zollte Washington Respekt und blieb bei der Obama-Rede im Saal, die US-Delegation tat es ihr gleich.

Plakativer Antiamerikanismus infrage gestellt

Dies wäre unter Rohanis Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad, der zwischen 2005 und 2013 mit Hasstiraden gegen Israel und einer "no fear"-Politik gegenüber dem Westen die Aufmerksamkeit auf sich zog, undenkbar gewesen.

Generell, so scheint es, wird der plakative Antiamerikanismus von Rohani und Hashemi-Rafsanjani infrage gestellt. Die Hardliner toben, sie verlieren ein Feindbild. Doch die Grundbedingungen für eine weitere Annäherung zwischen Washington und Teheran so gut wie nie.

Doch bis es so weit ist, wird noch einige Zeit vergehen. Khamenei nannte die Amerikaner erst kürzlich wieder das "Epizentrum" der Feindseligkeiten gegen sein Land. Dennoch lässt sich Rohani nicht abhalten. "Wir müssen keine scharfe Rhetorik verwenden, denn das bringt nur Probleme mit sich, wie die Vergangenheit gezeigt hat", verkündet er unentwegt. Ob er damit durchkommt, bleibt abzuwarten.