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Auferstehung eines Totgesagten

Von Siobhán Geets

Politik

Erste Auslandsreise des syrischen Machthaber al-Assads seit Kriegsbeginn.


Moskau. Für Bashar al-Assad war es der erste Ausflug ins Ausland seit dem Kriegsbeginn in Syrien 2011. Am Mittwoch besuchte der syrische Machthaber Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. Aus dem Kreml hieß es, es habe sich um einen "Arbeitsbesuch" gehandelt, es sei um den "Kampf gegen terroristische, extremistische Gruppierungen" gegangen und um die russische Militäroffensive. Moskau unterstützt Assads Armee seit Ende September mit Luftangriffen.

Es dürfte sich allerdings um einen sehr kurzen Besuch gehandelt haben, denn Assad war laut einem seiner Sprecher bereits am Nachmittag wieder in Damaskus. Was er tatsächlich mit Putin besprochen hat, ist nicht überliefert, spielt aber möglicherweise gar keine so große Rolle. "Der Besuch sollte klarmachen: Seht her, ich kann es mir leisten, ins Ausland reisen, ich habe keinen Putsch zu befürchten", sagt Karin Kneissl. Laut der Nahostexpertin geht es Assad vor allem um die Symbolwirkung. "Im Moment wird das Drehbuch zum Syrien-Konflikt in Moskau geschrieben, nicht in den USA oder der EU."

Sicher ist, dass es sich beim russischen Präsidenten um den wichtigsten Unterstützer Assads handelt. Doch auch der Iran und, wenn auch nicht militärisch, China unterstützen Assad. "China liegt viel daran, dass Syrien nicht zerfällt", sagt Kneissl, "Peking geht es um geopolitische Strategien, China ist mit einer Flotte im östlichen Mittelmeer präsent."

In Moskau dankte Assad Putin für den Militäreinsatz in seinem Land. Das russische Eingreifen habe geholfen, den "Terrorismus" einzudämmen. Offiziell sollen die russischen Luftangriffe den Islamischen Staat (IS) zurückdrängen, den Moskau als Hauptgegner in Syrien bezeichnet. Die USA und andere westliche Staaten wollen das nicht glauben. Sie werfen Putin vor, hauptsächlich gegen die von ihnen unterstützten Rebellen vorzugehen, um Assad zu stärken. Auch die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte behauptet, dass es sich beim Großteil der bisher 370 durch russische Bomben getöteten Menschen um Rebellen handelte, lediglich 52 davon haben dem IS angehört.

Widerstand schwindet

Für Assad sind alle Aufständischen gegen die syrische Führung "Terroristen". Moskaus Unterstützung habe das Land vor einem "traurigen Szenario" bewahrt, sagte er. Russland hat bisher mehr als 500 Luftangriffe in Syrien geflogen. Laut UN haben seit dem Beginn einer gemeinsamen Offensive der Assad-Truppen mit Russland in Aleppo vergangene Woche rund 35.000 Menschen die Flucht ergriffen. Bis zu 350.000 könnten es werden. Das beunruhigt nicht nur die Türkei, die bisher mehr als 2,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen hat. Auch der EU liegt viel an einer Stabilisierung Syriens, damit nicht noch mehr Flüchtlinge kommen.

Russland plant offenbar, Assad - zumindest als Gesprächs- und Verhandlungspartner - zu rehabilitieren. Das Vorhaben könnte aufgehen. "Das Blatt hat sich zugunsten der syrischen Regierung gewendet", findet auch Kneissl. Ein Zugehen auf den syrischen Machthaber wäre zwar eine Kehrtwende in der Syrien-Politik des Westens, Washington fordert nach wie vor seinen Sturz. Doch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat bereits Ende September erstmals direkte Gespräche mit Assad ins Spiel gebracht. Wenige Tage später rückte auch Großbritanniens Premier David Cameron von der Forderung eines sofortigen Rücktritts Assads ab. Cameron sei offen gegenüber der Idee, Assad über kurze Zeit in einer Regierung der nationalen Einheit zu behalten.

Der größte Widerstand gegen Assad innerhalb der EU kommt aus Frankreich. Präsident François Hollande bleibt bei seiner Ansicht, das russische Eingreifen in Syrien dürfe nicht zu einem Machterhalt Assads führen. Dass es ihn stärkt, bestreitet aber auch Hollande nicht. Und die Türkei beharrt zwar weiterhin auf einen Rücktritt, hochrangige Regierungsvertreter haben aber anfang der Woche von der Möglichkeit einer sechsmonatigen Übergangsphase mit Assad an der Staatsspitze gesprochen.

Konferenz in Wien

Eine Annäherung könnte es auch zwischen Moskau und Washington geben. Russland hat sich soeben mit den USA über direkte militärische Absprachen geeinigt - vorerst, um "Zwischenfälle" im Luftraum über Syrien zu vermeiden. Zudem steht nun fest, dass am Freitag in Wien eine hochrangige Konferenz zum Syrien-Konflikt stattfinden wird. Sie könnte zu weiteren Kompromissen führen. Unter den Teilnehmern sind US-Außenminister John Kerry und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow. Auch die Außenminister der Türkei und Saudi-Arabiens sollen zu dem Treffen nach Wien kommen.

Der Trend zur Kooperation mit Assad zeichnet sich laut Kneissl schon lange ab. "Die Außenministerien konnten sich dazu nicht durchringen, sie verfingen sich in moralischen Ansprüchen. Die Nachrichtendienste etwa Deutschlands und Großbritanniens waren aber deutlich pragmatischer, wenn es um Gespräche mit Assad ging, allein schon aus Mangel an Alternativen."

Ist es also denkbar, dass Assad an der Macht bleibt bei einem gleichzeitigen Ende des Kriegs? Frieden ist ein großes Wort, Expertin Kneissl schlägt vor, stattdessen von einer Stabilisierung zu sprechen: "Sie wäre möglich, im Sinne eines Einfrierens des Konflikts unter Assad."