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Unter dem Radar

Von Ronald Schönhuber

Politik

Luftfahrt und Schifffahrt gehören nicht nur zu den größten globalen Verschmutzern, sondern auch zu den am stärksten wachsenden. Beim Klimagipfel in Paris wurden die beiden Branchen aber wieder nicht in die Pflicht genommen.


Paris. Der Luftfahrt ist die kleine französische Gemeinde Le Bourget schon seit Jahrzehnten eng verbunden. Alle zwei Jahre findet hier mit dem Salon International de l’Aeronautique et de l’Espace die größte Luftfahrtmesse der Welt statt, die stets mehrere hunderttausend Besucher anzieht. Auf dem 1980 für den Linienverkehr stillgelegten Flughafengelände werden die großen Deals der Branche geschlossen, häufig vermelden die ewigen Rivalen Boeing und Airbus schon am ersten Messetag Neubestellungen im Wert von vielen Milliarden Euro. Aber auch luftfahrthistorisch ist das wenige Kilometer nordöstlich von Paris gelegene Le Bourget von Bedeutung. Hier landete Charles Lindbergh 1927 nach der ersten Solo-Atlantiküberquerung und knapp vier Jahrzehnte später wurde hier auch die überschallschnelle Concorde erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.

In Le Bourget wird seit knapp 14 Tagen aber auch über die Rettung des Weltklimas verhandelt. Doch trotz des symbolträchtigen Veranstaltungsortes des diesjährigen UN-Klimagipfels wird das globale Abkommen, das die französischen Gastgeber an diesem Wochenende finalisieren wollen, die Luftfahrtbranche und die von ihr verursachten Emissionen ausklammern. Die einzige Passage im ursprünglichen Vertragsentwurf, die den globalen Flug- und Schiffsverkehr betraf, fiel bereits einer der ersten Textüberarbeitungen zum Opfer.

Aus der Sicht von Umweltschützern werden damit zwei Branchen aus der Pflicht genommen, die nicht nur zu den größten globalen Verschmutzern gehören, sondern auch zu den am stärksten wachsenden. Derzeit sind Luft- und Schifffahrt, denen auch schon im Rahmen des Kyoto-Protokolls eine Ausnahmestellung zugestanden worden war, bereits für fünf Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Falls es zu keiner substanziellen Regulierung kommt, könnte dieser Anteil laut Einschätzung der EU-Kommission aber auf mehr als ein Drittel im Jahr 2050 ansteigen.

Die Folgen für das Klima könnten fatal sein. Denn angesichts der aus Expertensicht noch immer viel zu geringen Reduktionsziele der großen Staaten fällt die Nichtverpflichtungen ganzer Sektoren doppelt schwer ins Gewicht. "Die Ausklammerung der Luft- und Schifffahrtsemissionen im Pariser Klimavertrag hat die Aussicht, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen, endgültig unterlaufen", betonen etwa die NGOs "Sea at Risk" und "Transport & Environment" in einem gemeinsamen Statement.

Dass der Schiffs- und Luftverkehr sich quasi unter dem Radar der internationalen Klimaverhandlungen bewegt, hat wohl auch viel damit zu tun, dass sich mit Ausnahme der Europäischen Union so gut wie niemand für strengere Regeln einsetzt. Denn für einen Großteil der Entwicklungs- und Schwellenländer ist die Schifffahrt das zentrale Tor zur Welt, das es ihnen ermöglicht, ihre Waren nicht nur auf dem Heimatmarkt zu verkaufen. Flugzeuge wiederum bringen Touristen und mit ihnen wichtige Devisen ins Land, wobei sich diese ehemalige Einbahnstraße aufzulösen beginnt. In den aufstrebenden Schwellenländern wie China oder Indien wächst mit atemberaubender Geschwindigkeit eine Mittelschicht heran, die hungrig darauf ist, die Welt per Flugzeug zu erkunden.

Eigeninitiative als Hoffnung

Die Rolle des besserungsunwilligen Klimasünders will man sich freilich weder in der Luftfahrt noch in der Schifffahrt zuschieben lassen. So will die Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) bis September 2016 ein Konzept für ein Emissionshandelssystem vorlegen, das es den Fluglinien ermöglicht, ihren Treibhausgasausstoß durch Ausgleichszahlungen zu kompensieren. Auch ein neuer globaler Standard für den maximalen Emissionsausstoß von Flugzeugen soll zu diesem Zeitpunkt vorliegen. Noch weniger eilig hat man es aus Sicht von Umweltschützern bei der Internationale Seeschifffahrtsorganisation IMO. Diese hat zwar vor zwei Jahren einen neuen Energieeffizienzstandard geschaffen, doch dieser gilt nur für Neubauten ab 2025. Die Hoffnungen der Klimaaktivisten liegen daher zwangsläufig auf der Eigeninitiative der Unternehmen, von denen sich aber viele in gewissen Bereichen aufgeschlossen zeigen. Denn geringere Treibstoffverbräuche bringen eben nicht nur eine Einsparung bei den CO2-Emissionen, sondern auch der Betriebskosten. Die dänische Reederei Maersk, die weltweit zu den größten gehört, hat zuletzt etwa massiv in energieeffizientere Schiffe investiert. Und auch in der Luftfahrt soll die Treibstoffeffizienz pro Jahr um zwei Prozent steigen.