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Der lange Arm der Khomeinis

Von Arian Faal

Politik

Hassan Khomeini, der Enkel des iranischen Revolutionsführers, wirbelt als Reformkandidat die iranische Politik auf.


Teheran/Wien. Ein kalter Schauer läuft dem ultrakonservativen Klerus des Iran über den Rücken, wenn der Name Hassan Khomeini fällt. Denn Irans Hardliner haben Angst vor dem Enkel des Revolutionsvaters Ruhollah Khomeini, der in vielen Punkten das Gegenteil seines Großvaters ist: Reformer, weltoffener Freigeist und Anhänger des Slogans "Kooperation statt Konfrontation". Seit vergangener Woche, als sich der beliebte Kleriker, der seine religiöse Ausbildung in der heiligen Stadt Ghom absolviert hat, unter großem Medieninteresse im Innenministerium als Kandidat für die Expertenratswahl registrieren ließ, war klar, dass der "neue Khomeini" polarisiert. Der 43-jährige Mullah tritt am 26. Februar für das moderate Lager an: Er kandidiert für einen Sitz im 86-köpfigen Gremium des Expertenrates. Somit ist er das erste Mitglied des Khomeini-Clans, das seit 1989 seine politischen Chancen testet.

Der Oberste Geistliche Führer des Iran, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, runzelte wegen der politischen Ambitionen des Khomeini-Nachkommen die Stirn und gab ihm schon mal vorsorglich den Rat mit auf den Weg, er möge sich doch vorsehen und den Namen seines Großvaters nicht diskreditieren. Doch von solchen Zwischenrufen lässt er sich nicht beeindrucken. Hassan Khomeini unterrichtet seit 1993 in Ghom, nutzt dieses Forum für politische Statements und macht kein Hehl daraus, dass er die Hardliner in ihre Schranken weisen will. Der vierfache Vater, dessen Sohn Ahmad im Iran ein Instagram-Star mit fast 200.000 Followern ist, hatte mehrfach seine "Enttäuschung und Frustration" über die von Fundamentalisten dominierte iranische Politik geäußert.

Klarer Seitenhieb auf dieMacht der Revolutionsgarden

Partout nicht leiden kann er zudem die ständige Einmischung des Militärapparates in die Alltagspolitik. Das ist ein klarer Seitenhieb auf die Revolutionsgarden, die oft gegen demonstrierende Studenten eingesetzt werden. Damit steht er politisch in vielen Punkten im krassem Gegensatz zu seinem Großvater. Der Revolutionsgründer, der 1902 in der zentraliranischen Kleinstadt Khomein geboren und 1989 in Teheran starb, sah sich als Heilsbringer, als er 1979 aus dem Pariser Exil zurückkehrte, um sein Land "von der westlichen Dekadenz" zu befreien.

Zu seinen politischen Grundsätzen gehörten Aussagen wie: "Der islamische Staat ist ein Staat des Gesetzes. In dieser Staatsform gehört die Souveränität einzig und allein Gott." Oder: "Das Gesetz ist nichts anderes als der Befehl Gottes." Dem Aufbau seines islamischen Staates als Antwort auf das Schah-Regime fielen tausende Kritiker zum Opfer, Khomeini ließ sie verfolgen, foltern und auch hinrichten.

Hassan will nicht so wie sein Großvater agieren, sondern Brücken bauen. Er ist übrigens nicht der Einzige in seiner Familie, der seit dem Tod des Revolutionsvaters von sich hören lässt. Als Ex-Präsident Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani 2013 "aus Altersgründen" von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossen wurde, trat eine Tochter von Ruhollah Khomeini, in Erscheinung. Zahra Mostafavi Khomeini setzte sich mit einem "schwesterlichen" Schreiben an Khamenei für die Revidierung der Entscheidung ein.

Man müsse Rafsanjani nachträglich in die offizielle Liste der Kandidaten aufnehmen - nur so könne man die Entstehung einer Diktatur verhindern, hieß es in dem Brief. Sie bat den Obersten Führer letztlich zwar vergeblichseinen Einfluss zu nutzen, um die Kandidatur Rafsanjanis doch noch möglich zu machen, trug aber mit ihrer Aktion dazu bei, dass Rafsanjanis Favorit Hassan Rohani Präsident wurde. Mostafavi fand wie heute Hassan Khomeini damals klare Worte und griff die Hardliner scharf an: Durch diese Entscheidung würde eine große Kluft zwischen Rafsanjani und Khamenei entstehen, die erheblichen Schaden anrichte. "Es ist das Beste, wenn beide zusammenarbeiten", zitierte Khomeinis Tochter ihren Vater.

Politischer Newcomer bei schicksalhaften Wahlen

Auch im kommenden Februar dürfte der Khomeini-Clan, der Rafsanjani sehr nahesteht, wieder eine tragende Rolle spielen. Hassan Khomeini könnte sich als der "Joker" und politischer Newcomer bei der schicksalhaften Wahl erweisen, deren Kampagne am Samtag offiziell eingeläutet wurde. Zwei Monate vor der Parlaments- und Expertenratswahl bahnt sich ein harter Schlagabtausch zwischen den moderaten Kräften rund um Rohani (67) und seinem politischen Ziehvater Rafsanjani (81) einerseits und den Hardlinen um Ayatollah Ahmad Jannati (88) andererseits an. Die Chancen für eine Umverteilung der Kräfteverhältnisse in Teheran stehen aus heutiger Sicht auch nicht so schlecht für Rohani, da die überwiegend junge iranische Bevölkerung (rund 80 Millionen Menschen, davon zwei Drittel unter 35 Jahre alt) eine sehr rasche Öffnung des Landes und Stabilisierung der desolaten Wirtschaftslage herbeisehnt. Khomeinis Enkel unterstützt diesen Weg. Bei dem laut vielen Experten "wichtigsten Doppel-Urnengang" seit Beginn der Islamischen Revolution 1979 drängen die Reformer nach dem historischen Atom-Deal zwischen dem Westen und dem Iran vom 14. Juli ohnehin auf einen grundlegenden politischen Richtungswechsel: Am 26. Februar soll die Mehrheit der ultrakonservativen Herrschaftselite sowohl im Parlament (Majles) mit seinen 290 Abgeordneten, als auch im Expertenrat mit seinen 86 Geistlichen gebrochen werden

Rohani und Rafsanjani, die schon im jetzigen Expertenrat sitzen, haben sich beide schon um einen Sitz im Expertenrat beworben. Mit Hassan Khomeini haben sie ein weiteres populäres Zugpferd. Derzeit werden beide Gremien von den Hardlinern dominiert. Auch das Militär, der für die Kandidatenauswahl wichtige Wächterrat, die Freitagsprediger in Teheran und die Justiz sind fest in ihren Händen. Damit haben die Erzkonservativen, die ständig vor einer "teuflischen Verwestlichung des Iran" warnen, bei sechs von neun wichtigen Säulen des Systems das Sagen. Lediglich die Regierung mit dem Präsidenten an der Spitze sowie der Schlichtungsrat, der die moderaten Kräfte derzeit unterstützt, sind nicht unter der Obhut der Hardliner.

Warum ist dieser Urnengang so entscheidend? Bei beiden Wahlen entscheidet zwar der Wächterrat, wer antreten darf, aber immerhin darf das Volk die Vertreter dann direkt wählen. Vom künftigen Parlament hängt ab, inwieweit Rohanis prowestlicher Kurs, Reformen in puncto Bürgerrechte, Wirtschaftsimpulse und dergleichen fortgeführt werden können. Der Expertenrat wiederum ist dafür zuständig, die Nachfolge des mittlerweile 76-jährigen Khameneis zu regeln, der in allen Belangen das letzte Wort hat, aber schwerkrank ist.