Riad/Wien. (klh) Für die Schiiten Saudi-Arabiens war die Exekution von Scheich Nimr Baker al-Nimr ein Schlag ins Gesicht: Denn die saudische Staatsmacht richtete damit eine Galionsfigur der Minderheit hin.
Die Schiiten, die rund 15 Prozent der 27 Millionen Einwohner des Golfstaates ausmachen, sehen sich in dem Königreich ohnehin bedrängt und angegriffen. Hohe politische Ämter sind ihnen verschlossen, ihre Regionen im Osten des Landes werden wirtschaftlich viel weniger gefördert als die sunnitischen Landesteile. Zudem werden sie in dem Land, in dem der erzkonservative Wahhabismus dominiert, immer wieder auf religiöser Ebene angegriffen: In der Vergangenheit haben die saudischen Behörden schiitische Moscheen geschlossen, Geistliche wurden gar wegen "Hexerei" verhaftet. Und wahhabitische Prediger bezeichnen die Schiiten als Ungläubige und fünfte Kolonne Teherans.
All das hat immer wieder zu Protesten in den schiitischen Regionen geführt. Und Nimr Baker al-Nimr war das Sprachrohr dieser Aufstände. Im Urteil hieß es dann auch, er werde wegen "Schürens religiöser Konflikte" und "Ungehorsam gegenüber dem Herrscher" hingerichtet.
Demos und Schießerei
Dementsprechend wütend war die Reaktion in den schiitischen Landesteilen. Viele Bewohner waren schwarz gekleidet, auf den Straßen wurden Koranverse zitiert, Demonstranten skandierten Parolen gegen das Herrscherhaus Al-Saud. Offenbar gab es auch eine Schießerei zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften. In sozialen Medien ist von einem getöteten Zivilisten die Rede, der bereits als Märtyrer gefeiert wird.
Das Königshaus hat laut politischen Beobachtern mit dieser Reaktion gerechnet - und geht offenbar davon aus, die Proteste unter Kontrolle halten zu können. Trotzdem ist die Hinrichtung von Nimr Baker al-Nimr ein Spiel mit dem Feuer: Der saudische Staat zeigt damit den Schiiten, dass er nicht den Ausgleich mit ihnen sucht, sondern er lässt sie seine Macht spüren. Mit dem Scheich wurde dabei ausgerechnet ein Mann hingerichtet, der zum friedlichen Widerstand aufgerufen hatte. Derartige Stimmen könnten nun leiser werden, stattdessen droht die Rebellion militanter zu werden.
Das ist auch insofern heikel, als dass sich in der Gegend große Ölfelder befinden. Immer wieder werden - auch angefeuert von außen - Rufe nach einer Abspaltung der schiitischen Regionen laut. Wenn diese Forderungen stärker werden, dann würde dies zu einer weiteren Verschärfung des Konflikts führen. Denn für Riad ist das ein absolutes Tabuthema - mit Blick auf seine Souveränität und auf seinen Staatshaushalt.