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Ein Hauch von Glamour

Von Gerhard Lechner

Politik

Barack Obamas letzte Rede zur Lage der Nation erinnerte an den Elan zu Beginn seiner Amtszeit. | Der US-Präsident stellte seine Erfolge dar und warnte vor einem Eskalationskurs gegenüber Muslimen.


Washington. Das Timing hätte besser sein können: Just als Barack Obama sich daran machte, seine achte und letzte Rede zur Lage der Nation zu halten, setzte der Iran im Persischen Golf zwei US-Marineboote und ihre Besatzungen fest. Aus dem Konzept brachte der Zwischenfall den US-Präsidenten aber nicht. Im Gegenteil: Obama lieferte noch einmal einen Auftritt ab, der jenen Glanz wieder gegenwärtig machte, den der Präsident zu Beginn seiner achtjährigen Amtszeit versprühte. Von Lethargie und Genervtheit, die sich in den letzten Monaten streckenweise eingeschlichen hatten, war nichts mehr zu spüren. Hier trat jemand auf, der sich und sein Land als Sieger darstellte.

Die USA befinden sich im wirtschaftlichen Niedergang? Dieses "Gerede" sei "heiße Luft". Die Arbeitslosenzahl habe sich seit den 1990er Jahren halbiert, die Autoindustrie gerade das beste Jahr ihrer Geschichte erlebt. Amerika wurde unter Obama schwächer? "Amerika ist die stärkste Nation der Welt. Punkt! Es ist nicht mal knapp", rief Obama in den Saal des US-Kongresses. "Bei jedem wichtigen Thema erwarten die Menschen auf der Welt nicht von Peking oder Moskau eine Führungsrolle - sie rufen uns an", triumphierte Obama.

Kongress extrem polarisiert

Zumindest das kam auch bei seinen republikanischen Gegnern gut an. Ansonsten war jedoch spürbar, wie gespalten der US-Kongress derzeit ist. "Das ist derzeit wohl der polarisierteste Kongress seit 150 Jahren, vom Abstimmungsverhalten her", sagt der Politologe und US-Experte Heinz Gärtner der "Wiener Zeitung". Schon vor Beginn der Rede empfingen die republikanischen Abgeordneten ihren Präsidenten mit versteinerten Gesichtern.

Die Spaltung ist auch im Land selbst groß: Trotz der guten Bilanz Obamas glauben laut einer aktuellen Umfrage des Rasmussen-Instituts 67 Prozent der US-Bürger, dass ihr Land auf dem falschen Weg sei. Nach den jüngsten islamistischen Anschlägen in Europa fürchten viele einen neuen 11. September. Davon profitiert derzeit in erster Linie der Republikaner Donald Trump, der im Herbst US-Präsident werden will. Trump will in den USA keine Muslime mehr aufnehmen. "Wenn Politiker Muslime beleidigen, wenn eine Moschee verwüstet wird, ein Kind schikaniert, macht uns das nicht sicherer. Es macht uns schwächer in den Augen der Welt", donnerte Obama, ohne Trump beim Namen zu nennen. Der bezeichnete die Rede des Präsidenten auf Twitter als "wirklich langweilig, langsam und lethargisch".

"IS nicht existenzbedrohend"

"Für Obama ging es bei dieser Rede darum, seine Erfolge darzustellen - auch als sein Vermächtnis", meint Gärtner. Neben der Wirtschaftserholung stellte der Präsident daher auch seine außenpolitischen Erfolge in den Vordergrund: Das Atom-Abkommen mit dem Iran, die Annäherung an Kuba. Beim Kampf gegen den selbsternannten Islamischen Staat (IS) suchte Obama zu beschwichtigen: Gewiss, die Kämpfer des IS stellten eine enorme Gefahr dar und müssten gestoppt werden. "Aber sie bedrohen nicht unsere nationale Existenz. Das ist höchstens die Geschichte, die der IS uns erzählen will."

Was von Obamas Präsidentschaft bleibt, wird sich im Herbst entscheiden: Dann, wenn ein neuer Präsident - oder eine Präsidentin - gewählt wird. Ein Republikaner im Weißen Haus würde Obamas Politik wohl weitgehend rückgängig machen wollen.

Das Verhältnis zum Iran hat sich jedenfalls deutlich entkrampft: Die zehn US-Marinesoldaten, die in iranische Hoheitsgewässer geraten waren, wurden bald wieder freigelassen.