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Eine Frage von Verhandlungen

Von Markus Schauta

Politik

Analyse: Lange hatte sich die Anti-IS-Koalition gegen den Einsatz von Bodentruppen gesträubt. Doch vor allem in den arabischen Ländern gab es zuletzt ein Stimmungsumschwung. Doch rein militärisch ist dem Islamischen Staat nur schwer beizukommen.


Wien. Am 1. Februar startete die syrische Armee, unterstützt von der russischen Luftwaffe, eine neue Offensive auf Aleppo. Bei den langwierigen Friedensgesprächen, die am Donnerstag in München ihre Fortsetzung fanden, würde der Fall der strategisch wichtigen Stadt die Verhandlungsbasis der Opposition empfindlich schwächen. Dem Westen geht es vor allem um den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS).

In seinem Buch "The Syrian Jihad" beleuchtet der Nahost-Experte Charles Lister das Entstehen islamistischer Gruppen in Syrien. Die mangelnde Unterstützung der Opposition durch den Westen habe es diesen Gruppen überhaupt erst ermöglicht, in Syrien stark zu werden, meint Lister. Bestens ausgerüstet und finanziert konnten sie die Führung im Kampf gegen Machthaber Bashar al-Assad übernehmen. Dominierte bis 2012 die als moderat geltende Freie Syrische Armee (FSA) den Kriegsschauplatz, kämpfte ab Ende 2012 bereits ein Großteil der Anti-Assad-Rebellen an der Seite von Jabhat al-Nusra - oder koordinierte mit dem Al-Kaida-Ableger zumindest die Kampfhandlungen. Das bedeutet nicht, dass Gruppen wie die FSA die Ideologie der Islamisten teilen. Aber deren Dominanz hat eine Kooperation notwendig gemacht. Bei den Gebietsgewinnen der Opposition im Sommer 2015 im Süden Syriens und in der Provinz Idlib spielten die Islamisten eine entscheidende Rolle.

Bodentruppen gesucht

Auf die Ausrufung des Kalifats durch IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi im Sommer 2014 reagierte US-Präsident Barack Obama im September mit der Gründung einer Anti-IS-Koalition. Im Dezember startete ein Programm des Pentagons mit dem Ziel, sunnitische Rebellen auszubilden, um diese als Bodentruppen gegen den IS einzusetzen. Doch das Programm scheiterte. Nicht wie geplant 5400 Kämpfer, sondern nur ein paar Dutzend wurden 2015 außerhalb Syriens trainiert, um bald darauf aufgerieben zu werden.

Was war schiefgelaufen? "Es gibt in Syrien sehr viele Menschen, die das Regime bekämpfen wollen", sagt Christine Wormuth vom US-Verteidigungsministerium der "New York Times". Für das Pentagon-Programm waren aber nur jene zugelassen, die ausschließlich den IS bekämpfen wollten. Das sei eine ziemliche Herausforderung gewesen, resümiert Wormuth im Herbst 2015 nachdem das Programm eingestellt wurde. Ein anderes, von der CIA bereits 2013 gestartetes Programm versorgt ausgesuchte Rebellengruppen mit Ausrüstung, Munition und leichten Waffen. Zusätzlich und verstärkt seit dem Kriegseintritt Russlands im September 2015 erhalten sie auch Panzer-Abwehr-Raketen. Die Lieferung der Waffen ist aber an Bedingungen geknüpft: Unterstützte Einheiten sollen ihre Kooperation mit dschihadistischen Gruppen wie der Al-Nusra aufgeben. Durch die von Saudi-Arabien mit Zustimmung der USA gelieferten Panzer-Abwehr-Raketen gelang es den Rebellen, eine Offensive der syrischen Armee und ihrer Verbündeten im Herbst 2015 ins Stocken zu bringen. "Wir glauben, dass veränderte Kräfteverhältnisse in Syrien neue Möglichkeiten für eine politische Lösung eröffnen werden," sagt der saudische Außenminister Adel Al Jubeir in einem Interview mit CNBC.

Die kurdische Lösung

Insgesamt seien die USA mit ihren Versuchen, die moderate syrische Opposition gegen dschihadistische Gruppen in Stellung zu bringen, wenig zufrieden, sagt der Nahost-Experte Aron Lund. In Ermangelung besserer Optionen habe man sich entschieden, auf die Kurden zu setzen.

Im Oktober 2015 wurde während einer Pressekonferenz in der syrischen Stadt Hasakah die Gründung der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) bekanntgegeben. Ein Sprecher des neuen Bündnisses verkündete, das Hauptziel der Streitkräfte sei es, den IS zu eliminieren und die von ihm besetzten Gebiete zu befreien. Entsprechend umfangreich wird dieses Wunschprojekt der USA unterstützt: Noch im Oktober erhalten die SDF 45 Tonnen Waffen. 50 Mitglieder von US-Spezialeinheiten werden als Berater zur Seite gestellt. Kampfjets der US-Koalition unterstützen die Bodenoffensiven der SDF. Das Ende des Islamischen Staates in Syrien scheint nur noch eine Frage der Zeit.

Doch ein militärischer Sieg alleine wird nicht ausreichen, um den IS nachhaltig zu zerschlagen. Unbestätigten Quellen zu Folge wurden Lieferungen der in den USA produzierten Panzer-Abwehr-Raketen an die Rebellen inzwischen eingestellt. Sollte sich das bewahrheiten, wäre dies ein fatales Signal an die moderate Opposition. Ein Signal, das dschihadistischen Gruppen weiteren Auftrieb gibt, indem sie sich als letztes Bollwerk im Kampf gegen das von Russland und Iran gestützte und vom Westen geduldete Assad-Regime stilisieren.

Um dem entgegenzuwirken, führt kein Weg am Verhandlungstisch vorbei. Das Erzwingen einer militärischen Lösung wäre ein weiteres Kapitel im Narrativ vom Kampf des Westens und seiner schiitisch-häretischen Verbündeten gegen den Islam, wie es die IS-Propaganda schreibt. Auch wenn die kurdischen SDF erfolgreich gegen den IS vorgehen - der militärische Sieg gegen den IS alleine wird nicht ausreichen, um seine Ideologie wirkungslos zu machen.