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Noch ist nicht aller Tage Trump

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Der Milliardär und Reality-TV-Star fährt beim "Super Tuesday" einen klaren, aber nicht absoluten Sieg ein. | Clinton gilt bei den Demokraten als ausgemacht, auch wenn Sanders aufzeigt.


Washington D.C. Nach dem Super Tuesday ist vor dem Super Tuesday. Am Dienstag fanden in zwölf US-Bundesstaaten und einem "Territory" Vorwahlen zur Nominierung der Präsidentschaftskandidaten statt und wenn ihre Ergebnisse ein Fazit erlauben, dann das: Auf Seiten der Republikaner wird es wahrscheinlich, eher, ziemlich sicher, aller Voraussicht nach Donald Trump. Aber fix ist nach wie vor nichts.

Auf Seiten der Demokraten gilt Hillary Clinton als so gut wie sicher. Aber Bernie Sanders zeigt weiter auf - und er wird im Rennen bleiben, wahrscheinlich sogar bis zum Sommer. Konkret stellte sich der Wählerwille folgendermaßen dar: Im Süden des Landes dominierte Trump nach Belieben. Der 69-jährige Immobilienmagnat landete in Georgia, Alabama, Tennessee, Arkansas und Virginia auf Platz eins.

Partei will Trumpnicht wahrhaben

Mit Ausnahme der zwei letztgenannten, in denen er sich nur relativ knapp durchsetzte, in einer Manier, die sich mit überlegen nur unzureichend beschrieben lässt. Im Laufe des Abends gesellten sich dazu noch nicht minder eindrucksvolle Siege im Nordosten, in Vermont und Massachusetts. Vor allem Letzterer ist gleich in mehrerer Hinsicht bemerkenswert. Ein einziger Prozentpunkt fehlte Trump und er hätte dort, im Heimat-Staat der Kennedy-Familie, die 50-Prozent-Marke aller abgegebenen Stimmen erreicht. Der zweitplatzierte John Kasich bekam 18 Prozent. Die Dominanz des Kandidaten, der, unter anderem, eine Mauer zu Mexiko bauen will, Muslimen die Einreise verbieten und der sagt, dass er den Ku-Klux-Klan nicht kennt, in dem Bundesstaat, dem Mitt Romney vier Jahre als Gouverneur vorstand, spricht Bände. Wäre Trump nicht Trump, würde zu diesem Zeitpunkt kein Mensch mehr daran zweifeln, wessen Name im Herbst am Wahlzettel stehen wird. Aber weil er es eben ist, wird das Establishment der Partei in den kommenden zwei Wochen alles, aber auch wirklich alles, in die Schlacht werfen, was sie gegen ihn noch aufbieten kann - und wenn es das ist, ihren vormals meistgehassten Senator zu unterstützen.

Ted Cruz hat am Super Tuesday für eine kleine Überraschung gesorgt: Er gewann außer in seinem Heimat-Bundesstaat Texas auch in Oklahoma und Alaska. Als größter Verlierer des Tages darf deshalb Marco Rubio gelten. Der Senator aus Florida, die deklarierte letzte Hoffnung zahlreicher alteingesessener Parteigrößen, landete am Dienstag zwar erstmals auf einem Platz eins, in Minnesota; der Glaubwürdigkeit seiner Argumentation, dass deshalb er und nicht Cruz derjenige sei, der Trump die Nominierung noch streitig machen könnte, war das nicht zuträglich. Rubios allerletzte Hoffnung ist und bleibt damit der 15. März. An diesem, dem zweiten Super Tuesday innerhalb eines Monats, entscheiden die Wähler neben Ohio, North Carolina, Missouri, Illinois und den Northern Mariana Islands auch in Florida. Wenn auch sie Trump mehr Stimmen geben als dem 44-Jährigen, ist das Rennen für ihn definitiv vorbei - den Bundesstaat zu verlieren, der die eigene politische Heimat darstellt, kann sich kein Kandidat leisten. Und das liegt nicht nur daran, dass ab Mitte des Monats die meisten Stimmen nicht mehr wie bisher proportional, sondern nach dem Prinzip Winner-takes-all vergeben werden. Um im Kampf gegen den nunmehr haushohen Favoriten Trump weiter zu bestehen, gilt es für Rubio wie für Cruz schnell den Boden aufzubereiten. Ihre erste Priorität - die sich, dem Vernehmen nach, mit der des Parteiestablishments deckt - lautet, zuerst mit allen Mitteln jene zwei noch verbliebenen Kandidaten zum Aufgeben zu bewegen, die praktisch keine Chance mehr auf die Nominierung haben, aber immer noch da sind: John Kasich, der Gouverneur von Ohio, und der pensionierte Gehirnchirurg Ben Carson. Kann sich Kasich immerhin noch darauf berufen, am "Super Tuesday" in Vermont zweiter geworden und Trump nur knapp unterlegen zu sein, schaffte es Carson in keinem einzigen Bundesstaat unter die ersten drei.

Wohin wandern Unterstützer von Kasich oder Carson?

Aber selbst, wenn sich die beiden wider Erwarten der Parteiräson beugen sollten, gilt es keinesfalls als ausgemachte Sache, dass die Stimmen ihrer Wähler quasi automatisch entweder zu Cruz oder zu Rubio wandern. Anders gesagt: Selbst wenn es gelingt, Kasich und Carson zu eliminieren, könnte der Schuss nach hinten losgehen und Trump noch stärker machen, als er ohnehin schon ist. Die andere Strategie der Anti-Trump-Fraktion, die sich abzeichnet, ist bei näherer Betrachtung ziemlich genau mit dem vergleichbar, was sich 2008 bei den Demokraten abspielte. Damals matchten sich Clinton und Barack Obama in einem der legendärsten Vorwahlkämpfe der modernen US-Geschichte. Clinton gelang es damals zwar, an den jeweiligen Super Tuesdays signifikant zu punkten, mit Siegen in Florida, Michigan oder Ohio.

Obama sammelte zwischen den Super Tuesdays Stimmen

Aber weil es Obama in der Zeit zwischen den zwei dienstäglichen Großereignissen schaffte, auf leisen Sohlen und nach dem Motto "Kleinvieh macht auch Mist", systematisch Delegierte aus kleinen Bundesstaaten und Territorien einzusammeln, denen sonst kaum Beachtung zuteil wird, hatte er am Ende die Nase vorn.

Schon in drei Tagen finden auf Seiten der Republikaner Vorwahlen in Kansas, Kentucky, Maine sowie in Louisiana statt. Am nächsten Tag auf der Insel Puerto Rico. Nachdem es bei den Konservativen am Ende um jede einzelne Stimme gehen könnte, wird sich so auch der Ausgang dieser sonst unter ferner liefen amtierenden Bewerbe im Brennglas der Öffentlichkeit wiederfinden. Am 8. März geht es dann in Hawaii, Idaho, Michigan und Mississippi um die Wurst, einen Tag später in der Hauptstadt. Theoretisch also noch Zeit genug, um mit einem ordentlichen Momentum in den zweiten Super Tuesday zu gehen. Aber eben nur theoretisch.

Auch wenn das Rennen noch alles andere als entschieden ist: Mit jedem neuen Sieg von Donald Trump werden die Leute weniger, die noch glauben, dass man seine Kür noch irgendwie verhindern kann. Was den Establishment-Teil der Partei mittlerweile veranlasst, kaum noch verhüllt Szenarien durchzuspielen, die sie in jedem Fall schwer beschädigen und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht weniger als ein Schisma bedeuten würden.

Zu Beginn der Vorwahlen haben alle damaligen Kandidaten schriftlich versprochen, dass sie am Ende des Prozesses, wenn ein Gewinner feststeht, ihm im Sinne der parteiinternen Solidarität Gefolgschaft leisten würden. Selbst Trump, der anfangs gezögert hatte, hatte den entsprechenden Kontrakt später unterschrieben. Mitch McConnell, Sprecher der Mehrheit im Senat und geistiger Architekt der Obstruktionspolitik der Republikaner gegen alles, was aus dem Weißen Haus kommt, soll hinter verschlossener Tür trotzdem bereits wörtlich gesagt haben, dass man Trump schon bald "fallen lasse wie eine heiße Kartoffel". Der Grund: Sämtliche einschlägigen Umfragen stimmen überein, dass ein Kandidat Trump gegen Clinton nicht nur haushoch verlieren, sondern auch gleich den Rest der Partei in den Abgrund reißen würde. Wenn das stimmt, ist McConnells Kalkül simpel: Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende. Gegen das, was die Republikaner gerade durchmachen, scheinen Hillary Clintons Probleme im Vergleich banal.

Niemand zweifelt ernsthaft an Hillary Clintons Nominierung

Bei den Demokraten wiederholte sich am Super Tuesday ein nunmehr schon bekanntes Muster: Niemand zweifelt noch ernsthaft daran, dass sie Clinton auf ihr Banner hieven werden - aber Bernie Sanders, der Senator selbst erklärte demokratische Sozialist aus Vermont, hört trotzdem nicht auf zu nerven. Wie Trump gewann Clinton alle südlichen Bundesstaaten mit deutlichem Abstand, dazu Massachusetts. Aber Sanders siegte nicht nur in seiner Heimat Vermont, sondern auch in Oklahoma, Minnesota und Colorado. Der Vorhang bleibt offen, und fast alle Fragen auch. Bis zum nächsten Dienstag. Und dem danach.