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Dunkle Wolken im Sunshine State

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimmeder

Politik

Bei den heutigen Präsidentschaftsvorwahlen in Florida und Ohio hoffen die Republikaner Marco Rubio und John Kasich auf den Heimvorteil. Beide benötigen dringend einen Sieg, um überhaupt noch im Rennen gegen Donald Trump zu bleiben.


Washington. Das Prinzip "Winner take all" ist ein zutiefst amerikanisches: Nur Erster sein zählt, alles andere heißt und bringt nichts. Im Kontext des Rennens um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei offenbart sich dieses Konzept der politischen Meinungsbildung so: Wer nach der Auszählung der Stimmen in Florida, Illinois, Ohio und den Northern Mariana Islands ganz oben steht, sackt alle Delegierten des jeweiligen Bundesstaats ein. Alle Kandidaten, die auch nur eine einzige Stimme dahinter landen, schauen durch die Finger. Einzig in Missouri und North Carolina werden die Delegierten, die in der Folge zum sommerlichen Parteitag in Cleveland reisen dürfen, proportional vergeben.

Diesem Prinzip und der bisherigen Entwicklung des Vorwahlkampfs der Konservativen entsprechend werden an diesem Dienstag Entscheidungen von potenziell historischer Tragweite fallen. Im Grunde geht es dabei nur mehr um die Antwort auf die Frage: Trump oder nicht Trump? Für seine verbliebenen Kontrahenten - Ted Cruz (Senator von Texas, erzkonservativ), Marco Rubio (Senator von Florida, erzopportunistisch) und John Kasich (Gouverneur von Ohio, erzpragmatisch) - stellt der zweite sogenannte "Super Tuesday" de facto die letzte Chance dar, den New Yorker Immobilien-Magnaten und Reality-TV-Star noch zu stoppen.

Bei den Republikanern braucht ein Kandidat 1237 Delegiertenstimmen, um als Sieger festzustehen. Mit Stand heute hält Donald Trump bei 460, Ted Cruz bei 369. John Kasich (63) und Marco Rubio (163) sind de facto chancenlos. Sie werden nur unter einer einzigen Bedingung im Rennen bleiben: Wenn sie heute in ihren jeweiligen Heimat-Bundesstaaten an erster Stelle stehen. Was Ted Cruz schon hinter sich hat - er gewann am vergangenen Super Tuesday Texas mit Respektabstand -, wird Rubio im Sunshine State schwerer fallen als Kasich. In allen Umfragen in Florida (99 Delegiertenstimmen) lag der kubanisch-stämmige Liebling des Partei-Establishments, der bei seinen Wahlkampfauftritten freilich stets wirkt, als habe jemand hinter der Bühne eine Fernbedienung in der Hand, weit hinter Trump.

Contested Convention als Ziel

In Ohio, das 66 Delegierte vergibt, sieht die Sache den Meinungsforschern zufolge dagegen eng aus. In manchen Umfragen liegt Kasich vorn, und nachdem sich, wie die bisher erhobenen Daten zeigen, Spät-Entscheider eher gegen den flamboyanten Milliardär entscheiden, könnte der 63-jährige Berufspolitiker zumindest im "Buckeye State" ganz vorne landen. Ebenfalls dafür spricht eine extrem ungewöhnliche Maßnahme, derer sich Rubio Ende vergangener Woche bediente: Er forderte seine Unterstützer in Ohio auf, nicht für ihn, sondern für Kasich zu stimmen, "weil der dort die besseren Chancen habe, Trump zu stoppen".

Kasich erwiderte den Gefallen nicht. Die politische Kalkulation Rubios war, wie immer, viel zu offensichtlich. Der 44-Jährige hatte angesichts der mittlerweile auch die Schlagzeilen der großen Medien dominierenden Berichte über die beständigen Gewaltausbrüche bei Trumps Wahlkampfauftritten darauf spekuliert, dass er und der andere sich moderat gebende Kandidat einen Nichtangriffspakt schließen; aber wie noch jedes Mal im Laufe dieses Vorwahlkampfs stand er nachher schwächer dar als zuvor. Aber selbst wenn Kasich Ohio gewinnen sollte und sich zudem ein paar Delegierte in North Carolina und Missouri sichern kann, lautet sein Ziel nicht mehr, per Votum der republikanischen Basis Erster zu werden - das wäre mittlerweile fast unmöglich -, sondern im Tandem mit Cruz Trumps Delegiertenzahl unter 1237 zu halten. In dem Fall, dass der Vorwahl-Prozess keinen eindeutigen Sieger ergibt, würde es in Cleveland von 8. bis 21. Juli zu einer sogenannten "Contested Convention" kommen. Im Rahmen derer würde der Kandidat für die November-Wahl per "Floor Fight" ermittelt: einem (theoretisch) unblutigen Prozess, bei dem es mehr um Verhandlungsgeschick hinter verschlossenen Türen geht als darum, die Wähler zu überzeugen. Für die Partei-Oberen stellt eine Contested Convention nicht weniger als ein Horrorszenario dar. Bei den Konservativen kam es das letzte Mal 1976 zu einer Contested Convention, bei der am Ende Gerald Ford Ronald Reagan besiegte; Ford verlor in der Folge gegen Jimmy Carter.

Auf Seiten der Demokraten geht Hillary Clinton hingegen als klare Favoritin in den zweiten Super Tuesday. Sollte sie Bernie Sanders noch immer unterschätzt haben, tut sie das seit der Vorwoche definitiv nicht mehr: Da gewann der selbsterklärte demokratische Sozialist aus Vermont in Michigan. Eine Riesenüberraschung, die er heute - abseits von Florida, wo Clinton klar führt - zu wiederholen gedenkt. Im Gegensatz zu den Reps kennen die Demokraten allerdings keine Winner-take-all-Bewerbe. Sie lassen auch die leben, die nicht Erster werden. Ganz wie im richtigen Leben.