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Jenseits des Tauwetters

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Für die drangsalierte Opposition hat die Aussöhnung zwischen Kuba und den USA kaum etwas gebracht.


Havanna. Als vor über einem Jahr US-Präsident Barack Obama und Kubas Staatsoberhaupt Raul Castro in zeitgleichen TV-Ansprachen an ihr Volk das Ende der politischen Eiszeit zwischen den beiden ideologischen Großmächten ankündigten, da liefen in der kubanischen Hauptstadt Havanna die Menschen auf die Straßen und jubelten. Ein Hauch von Revolution, von Freiheit lag in diesem Moment, doch 15 Monate später ist von diesem Gefühl zumindest bei der kubanischen Opposition nicht viel geblieben.

Rasend schnell verändern sich in Kuba vor allem die ökonomischen Rahmenbedingungen. Die Tourismusbehörde meldet immer neue Rekordzahlen und angesichts der Installierung direkter Flugrouten aus den USA und neuer Verbindungen nach Europa dürfte vor allem diese Branche zu den größten Gewinnern des Öffnungsprozesses zählen.

Doch unter Kubas Regimekritikern ist der Frust groß, dass sie vom Tauwetter nicht profitieren. Oppositionspolitikerin Rosa Maria Rodriguez von der eigentlich verbotenen christlich-bürgerlichen Oppositionspartei "MCL" berichtet, was das bedeutet. Der Inlandsgeheimdienst habe sie vor ein paar Tagen besucht und mit ihrer Verhaftung gedroht, falls sie während des Obama-Besuches ihre Wohnung verlassen würde. Die neue kubanische Freiheit hat ihre Grenzen.

Das Thema Kuba spielt deshalb auch im US-amerikanischen Wahlkampf eine Rolle. Schlecht verhandelt habe die Obama-Regierung mit Havanna, polterte zuletzt der republikanische Präsidentschaftsbewerber Donald Trump. Und der inzwischen gescheiterte Senator Marco Rubio, ein Nachkomme kubanischer Einwanderer, konnte mit seinem detaillierten Forderungskatalog sogar ein Sachthema in der sonst eher emotional-abstrakten republikanischen Auseinandersetzung platzieren. Konkret forderte Rubio ein Ende der Verfolgung politisch Andersdenkender, freie Wahlen und die Zulassung von oppositionellen Parteien. Doch davon sind Kubas regierende Kommunisten nach wie vor weit entfernt.

"Brauchen eine klare Botschaft"

Die bekannteste Bürgerrechtsorganisation, die vom EU-Parlament ausgezeichneten "Frauen in Weiß", hat nun den US-amerikanischen Präsidenten zu einem ihrer Treffen im "Park Ghandi" in Havanna eingeladen. Hier versammeln sich die ganz in Weiß gekleideten Ehefrauen und Mütter ehemaliger oder aktueller politischer Gefangener, um auf Schritt und Tritt begleitet vom Inlandsgeheimdienst für ein freies Kuba zu demonstrieren. "Es ist wichtig, dass er eine klare Botschaft in Kuba hinterlässt", unterstrich Berta Soler, Sprecherin der "Frauen in Weiß", in einem in dieser Woche veröffentlichten Video der Gruppe.

Aus Washington heißt es, Obama wolle sich mit ranghohen Vertretern der Zivilgesellschaft treffen und mit ihnen den Dialog suchen. Das allein ist schon ein Fortschritt, denn in der offiziellen politischen Landschaft Kubas beansprucht die allmächtige und einzig zugelassene kommunistische Partei auch diese Rolle für sich. Regierung und Zivilgesellschaft, das ist nach kubanischer Lesart identisch.

Verbittert verfolgen die Dissidenten, wie sich in den aktuellen Verhandlungen mit den USA und der EU die lange verfeindeten Seiten annähern, ohne dass sich an ihrer Situation gravierend etwas ändern würde. Noch enttäuschter sind die Regimekritiker, die bisweilen Jahre unter erbärmlichen Umständen in den kubanischen Gefängnissen ausharren mussten, aber von Papst Franziskus. Während dessen Visite auf der Karibikinsel vor wenigen Monaten hatten die Dissidenten vergeblich auf ein Treffen mit dem argentinischen Kirchenoberhaupt gehofft. Es fällt ihnen schwer zu begreifen, dass Franziskus ausgerechnet Kuba als einen wichtigen Verbündeten für seine Vision einer neuen Welt- und Wirtschaftsordnung betrachtet.

Verhandelt wird von anderen

Mit entsprechendem Sarkasmus nahm vor ein paar Wochen die Bloggerin Yoani Sanchez die Äußerung von Franziskus auf, Kuba solle seinen Weg fortsetzen und zur "Hauptstadt der Einheit" werden. Franziskus spielte damit auf die Vermittlungsrolle von Kubas Staatspräsident Raul Castro beim historischen Treffen mit dem Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche Kyrill I. sowie das kubanische Engagement bei den in Havanna stattfindenden Friedensgesprächen zwischen der linksgerichteten Farc-Guerilla und der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos zur Beendigung des jahrzehntelangen Bürgerkrieges in Kolumbien an. "Die 1000 Jahre, die uns noch fehlen", kommentierte Sanchez verbittert das erste Treffen zwischen Papst und Patriarch seit mehr als einem Jahrtausend. Der Rest der Welt dürfe in Kuba miteinander reden und verhandeln, nur der kubanischen Opposition werde dieses Recht verweigert.

Umso wichtiger wird sein, mit wem sich Obama zeigen wird. Ein Handschlag mit den Dissidenten wäre das Signal, dass sich so viele Oppositionelle erhoffen: die Anerkennung, dass sie als politische Kraft Kubas endlich akzeptiert werden.