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Der amerikanische Traum der Afrikaner

Von Klaus Huhold

Politik

Auswanderungswillige Afrikaner wissen, wie gefährlich der Weg nach Europa ist und welch hartes Los sie hier erwartet. | Trotzdem überwiegt die Hoffnung auf ein besseres Leben, sagt der Migrationsexperte Francois Romeo Ntamag.


Wien. Francois Romeo Ntamag hat erfahren, wie der Versuch, von Afrika nach Europa zu gelangen, enden kann. Mit 15 Jahren hatte er seine Heimat Kamerun verlassen. Er kam nach Marokko, versuchte über die Grenzzäune in die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla zu gelangen. Das glückte ihm nicht, stattdessen landete er in einem marokkanischen Gefängnis. Nachdem er dort zehn Monate verbracht hatte, wurde er mit anderen Häftlingen in der Wüste ausgesetzt, berichtet Ntamag.

"Wir haben eine Gruppe von 50 Personen gebildet, sind zehn Tage durch die Wüste gewandert", schildert er der "Wiener Zeitung". Aber nur 13 seien in Malis Hauptstadt Bamako angekommen. "Die anderen sind gestorben."

Das war vor zehn Jahren, und Ntamag war damals gerade einmal 18 Jahre alt. Mittlerweile hat Ntamag, der auf Einladung des Wiener Instituts für internationalen Dialog und Zusammenarbeit (VIDC) in Österreich zu Gast war, die Selbsthilfeorganisation Aracem (Association de Refoules d’Afrique Centrale au Mali) mitgegründet. Diese betreut Flüchtlinge in Mali und gibt ihnen etwa eine Berufsausbildung. Zudem reist Ntamag immer wieder nach Frankreich, wo er als Konsulent für Migrationsfragen tätig ist.

"Wenn sie zu Hause bleiben, haben sie keine Zukunft"

Noch immer ist der Weg nach Europa höchst gefährlich, müssen Flüchtlinge und Migranten aus Afrika die Wüste durchqueren und die Fahrt über das Mittelmeer wagen. In beiden Fällen sind sie zumeist auf Schlepper angewiesen.

Und auch in Europa erwartet diejenigen, die es bis dorthin schaffen, nicht das Paradies. Sie stehen oft auf der untersten Stufe der sozialen Leiter, verdingen sich etwa auf Obstplantagen in Spanien oder als Strandverkäufer in Italien. Und viele halten sich illegal in Europa auf, sind somit ständig von der Abschiebung bedroht.

Der Großteil der auswanderungswilligen Afrikaner würde sich auch keine Illusionen machen, was sie erwartet. Aber die Migranten träumen eine Art amerikanischen Traum, "ihr Antrieb ist die Hoffnung" sagt Ntamag.

"Sie wissen, dass die erste Zeit hart sein wird, dass sie ausgebeutet werden. Aber wenn sie einmal die notwendigen Papiere haben, dann könne sie vielleicht eine Ausbildung absolvieren und einen guten Job bekommen" erklärt Ntamag. Er selbst würde Senegalesen kennen, die zehn Jahre lang Sonnenbrillen am Strand verkauft hätten und nun angesehene Geschäftsleute seien.

Deshalb nehmen viele Afrikaner auch in Kauf, welch Risiko die Überfahrt nach Europa darstellt. "Wenn sie zu Hause bleiben, dann haben sie keine Perspektive und keine Zukunft", sagt Ntamag.

Tatsächlich sind die Zukunftsaussichten für die afrikanische Jugend weiterhin nicht rosig, sagt der Ökonom Zakaria Sorgho, der aus Burkina Faso stammt und nun an der Laval Universität im kanadischen Quebec zu internationalen Handelsfragen forscht. "Obwohl die Wirtschaft in vielen afrikanischen Staaten wächst, gibt es nicht genügend Jobmöglichkeiten für junge Bürger", sagt Sorgho, der ebenfalls Gast des VIDC war.

Das hat verschiedene Gründe: Aufgrund der hohen Geburtenrate müsste das Wirtschaftswachstum etwa sieben Prozent betragen, damit der Arbeitsmarkt die nachrückenden jungen Bürger integrieren kann. Doch so hoch ist es zumeist nicht. Zudem sei das internationale Handelsgeflecht zum Nachteil kleiner afrikanischer Produzenten gesponnen. Diese könnten bei Marktöffnungen nicht mit den multinationalen Konzernen mithalten und würden auch sonst nicht gestützt und gefördert. Das bringt am Arbeitsmarkt große Schwankungen.

Sorgho nennt als Beispiel seine Heimat Burkina Faso. Das Land ist enorm vom Baumwollexport abhängig. Kaum sinken die Preise für Baumwolle, müssen die heimischen Betriebe ihre Arbeiter entlassen. Die Folge: Viele Entlassene wandern aus, versuchen ihr Glück nun in Nachbarstaaten wie Cote d’Ivoire (Elfenbeinküste). Doch dort sind sie dann laut Sorgho mit genau denselben Problemen konfrontiert. Sie erhalten nur kurzfristig eine Anstellung oder werden in den informellen Sektor gedrängt. Als Ausweg aus diesem Rad der Perspektivlosigkeit erscheint dann vielen nur noch der Weg nach Europa, für den sie Geld zu sparen beginnen.

Großteil der Migration spielt sich innerhalb Afrikas ab

Allerdings geht nur ein Bruchteil nach Europa, der Großteil der afrikanischen Migration spielt sich innerhalb des Kontinents ab. Und die Leute verlassen nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat, sondern auch aufgrund von Kriegen - im Norden Malis etwa kommt es immer noch zu Kämpfen - oder Diktaturen.

Trotzdem: Solange sich die Perspektiven für Afrikas Jugend nicht verbessern, wird sich auch Europa einem gewissen Migrationsdruck nicht entziehen können - egal, wie sehr der Kontinent seine Grenzen schließt, sagt Ntamag. Dabei würden laut Ntamag die allermeisten Afrikaner lieber in ihrer Heimat bei ihren Familien bleiben und ihre eigenen Länder aufbauen.