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Mit Donald leben lernen

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Nachdem Trump als Präsidentschaftskandidat der Republikaner feststeht, fangen allmählich die Aufräumarbeiten an.


Washington D.C. Feind, Erzfeind, Parteifreund: Lange dauerte es nicht, bis die Gegenbewegung Form und Gesicht annahm. Ben Sasse, 44 Jahre alt, seit einem Jahr dient der Absolvent der Eliteuniversität Yale dem Bundesstaat Nebraska als Senator. Nachdem Sasse Republikaner ist, handelt es sich um einen relativ sicheren Job. Nebraska gilt als "tief rot", anders als in der politischen Farbenlehre Europas bedeutet das: verlässlich konservativ. Demokraten sind in dem in der geografischen Mitte des Landes gelegenen Bundesstaat so selten wie Leute ohne Glauben und Waffenschein.

Kommenden Dienstag finden in Nebraska die Vorwahlen der Republikaner zum Zweck der Ermittlung ihres Präsidentschaftskandidaten statt. Ein im Kontext der jüngsten Ereignisse mit einem Schlag bedeutungslos gewordener Termin: Auch wenn er bis zum 7. Juni, dem letzten "Super Tuesday" des Vorwahlkalenders der Konservativen, noch ein paar Delegiertenstimmen einsammeln muss, steht Donald John Trump seit Dienstag dieser Woche als Spitzenkandidat fest.

Der Berufspolitiker Sasse, ein Mitglied der letzten Bush-Administration, sieht trotzdem und gerade jetzt, wo es um seinen Heimat-Bundesstaat geht, nicht ein, warum er damit aufhören soll, dem New Yorker Milliardär in die Suppe zu spucken. "Donald Trump ist ein Clown. Er ist nicht ernst zu nehmen. Für das höchste Amt im Staat brauchen wir einen Erwachsenen."

Kampf um den Kongress

Dies und noch viel mehr in dieser Tonart ließ Sasse, Vater von drei Kindern, binnen der ersten 72 Stunden nach dem Rückzug von Ted Cruz (und dem kurz darauf folgenden von John Kasich) über diverse Social-Media-Kanäle verbreiten. Die Frage, die sich angesichts der neuen Situation stellt, lautet, inwieweit diese Meinung innerhalb der republikanischen Funktionärskaste mehrheitsfähig ist. Konsens scheint es in der Partei - nicht unter ihren Wählern, wohlgemerkt - bisher nur in einer Frage zu geben. Auch wenn die republikanische Basis Trump verehrt und so schwach die Konkurrenz auch sein mag: alle professionellen Beobachter wie Amtsträger sind sich darin einig, dass sich für den Ex-Reality-TV-Star ("The Apprentice", "Celebrity Apprentice") und Immobilien-Magnaten im Herbst keine Mehrheit im Land finden wird.

Im Laufe des Vorwahlkampfs gab es praktisch keine Wählergruppe, die den Schlüssel zum Einzug ins Weiße Haus bilden, und von Trump nicht mindestens einmal arg beleidigt worden ist. Frauen, Latinos, Afroamerikaner: Es finden sich keine Mehrheiten für einen Kandidaten, der unter anderem eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen, Muslimen Einreiseverbote erteilen, Mütter zurück an den Herd und schießwütige Polizisten unter Generalamnestie stellen will. Selbst wenn es Trump gelingen sollte, sich den amerikanischen Bürgern bis zur Wahl in einem anderen, weicheren Licht zu präsentieren, deutet derzeit nichts darauf hin, dass er auch nur den Hauch einer Chance hat.

Entsprechend schalten die Parteistrategen mittlerweile zu hundert Prozent auf Schadensbegrenzungsmodus, sprich: Wenn man schon das Weiße Haus abschreiben kann, gilt es zumindest den Rest der Kandidaten zu schützen, die im Herbst am Wahlzettel stehen. Was man angesichts der Konzentration des öffentlichen Interesses auf Trump gern vergisst: Für die Republikaner steht dann mehr auf dem Spiel als die Präsidentschaft. Viel mehr. Wenn sie dank des Trump-Effekts auch noch ihre bis vor ein paar Monaten noch relativ sicher geglaubten Mehrheiten im Senat und im Abgeordnetenhaus verlieren, gefährden sie unter anderem ihren Einfluss beziehungsweise gar ihr Mitspracherecht bei der Entscheidung um die Nominierung eines neuen Höchstrichters. Seit dem überraschenden Tod von Antonin Scalia steht es am Supreme Court vier-zu-vier-unentschieden zwischen liberalen und konservativen Rechtsauslegern. Der- oder diejenige, der Scalias Sitz ausfüllen wird, wird sich mit einer der folgenreichsten Entscheidungen auseinandersetzen müssen, die das Land im 21. Jahrhundert treffen muss: Wie man mit dem sogenannten "Citizens United"-Urteil umgeht, das noch von einem mehrheitlich von konservativen Richtern dominierten Supreme Court abgesegnet wurde und nicht weniger besagt als dass Firmen in Sachen politisches Sponsoring genauso viel zählen wie menschliche Individuen.

Trump hat mit dem Gesetz naturgemäß kein Problem und hat schon jetzt damit begonnen, es für seine Zwecke zu instrumentalisieren. Seine Botschaft zu Ende der Woche lautete, dass er ab sofort gedenke, Abermillionen an Spenden einzusammeln - nicht für sich und seinen Wahlkampf, sondern für die Partei. Den Glauben, dass er trotz allem eine Mehrheit der Funktionärskaste auf seine Seite bringen kann, hat er jedenfalls nicht aufgegeben. Inwieweit er dieses Potenzial ausschöpfen kann, wird auch davon abhängen, wie sich Leute wie Sasse, der Senator von Nebraska und nunmehriger inoffizieller Wortführer der Anti-Trump-Kräfte in der Partei, binnen der kommenden sechs Monate verhalten werden.

Trump zerstört Karrieren

Vorgebliches Vernunftdenken hin, Profilierungssucht her: Die Gefahr, den jetzigen Spitzenkandidaten allzu sehr zu reizen und damit die eigene politische Karriere zu gefährden, dürfte zu diesem Zeitpunkt eigentlich keiner mehr ernsthaft unterschätzen. Alle, die sich in den Monaten seit der Bekanntgabe seiner Kandidatur mit Trump angelegt haben, mussten dafür ausnahmslos schwer bezahlen. Ob Jeb "Low Energy" Bush, "Little" Marco Rubio oder zuletzt "Lyin‘" Ted Cruz: Sobald der New Yorker einem Kontrahenten ein Label verpasste (und in der Folge gefühlte tausendmal am Tag wiederholte, bis es auch der letzte Hinterwäldler-Kabelsender verbreitete), war die Sache erledigt.

Mehr zu den US-Wahlen in unserem Dossier.