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Keine Entscheidung aus Liebe

Von Konstanze Walther

Politik

In Peru ist der Hass gegen den ehemaligen Machthaber Alberto Fujimori stark genug, dass nun sogar ein in die Jahre gekommener, farbloser Außenseiter Fujimoris Tochter Keiko bei der Stichwahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefert.


Lima. Ein Duell wie Van der Bellen gegen Hofer - nur neben dem Pazifik: Peru, das drittgrößte Land Südamerikas, hat am Sonntag seinen eigenen Wahlkrimi in Sachen Präsidentenstichwahl erlebt. Und ähnlich wie zuletzt in Österreich polarisierte vor allem ein Kandidat - beziehungsweise eine Kandidatin - derart, dass die andere Option Stimmen aus allen übrigen Bevölkerungsschichten unter sich vereinigen könnte.

In Peru stellte sich die Tochter des ehemaligen Machthabers Alberto Fujimori, Keiko, zur Wahl. Ihr Gegner bei der Stichwahl am Sonntag, war der relativ farblose 77-jährige Pedro Pablo Kuczynski. Trotzdem: Bei Redaktionsschluss am Montag lag Kuczynski hauchdünn vor Keiko Fujimori und könnte somit die Anführerin der größten Partei Perus schlagen.

Für Kuczynski wäre das der krönende Abschluss einer langen Politkarriere im Hintergrund: Kuczynski hat schon in den 1960er Jahren die peruanische Regierung beraten, war mehrmals als Minister tätig, und hat in der Privatwirtschaft, unter anderem als Banker an der Wall Street, gearbeitet. Der Sohn eines jüdischen Emigranten mit deutsch-polnischen Wurzeln hatte schon 2011 bei der Präsidentschaftswahl kandidiert. Er kam damals nicht einmal in die Stichwahl. Auch diesmal sah es mit nur 21 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang düster für ihn aus, seine Gegnerin kam da schon auf 40 Prozent.

Kopf-an-Kopf-Rennen

Doch in den fast zwei Monaten, die seit dem ersten Wahldurchgang am 10. April verstrichen sind, wurde offenbar erfolgreich gegen Keiko mobilisiert. Nach Auszählung von 92,6 Prozent der Stimmen scheint Kuczynski einen hauchdünnen Vorsprung zu haben: 50,32 Prozent der Stimmen, während Keiko Fujimori 49,68 Prozent hält. (Zur Erinnerung: Alexander Van der Bellen bekam 50,3 Prozent der Stimmen, Norbert Hofer 49,7 Prozent.)

Laut der peruanischen Wahlbehörde könnte es bis Sonntag dauern, bis das endgültige Ergebnis veröffentlicht wird. Es bleibt für die Peruaner eine Zitterpartie.

Keiko Fujimori steht der Fuerza Popular, der größten Partei Perus, vor. Bei den Parlamentswahlen diesen Frühling hat ihre rechtspopulistische Partei 73 der 130 Parlamentssitze ergattert. Die Partei Peruanos Por un Kambio PKK (ein Spiel mit den Initialen von Pedro Pablo Kucynski) hält dagegen nur bei 18 Sitzen. Die größte Oppositionspartei, Frente Amplio, hat 20 Sitze. Dass Peru inzwischen nur eine Kammer hat, ist übrigens das Werk von Keiko Fujimoris Vater, der beide Parlamentskammern 1992 aufgelöst hat. Als 1995 die repräsentative Volksvertretung wieder erlaubt wurde, hatte Fujimori beschlossen, dass eine Kammer alleine völlig reicht.

Dieses Erbe Fujimoris war der größte Trumpf der Präsidentschaftskandidatin Keiko, aber auch ihr größter Fallstrick.

Einerseits hat der Name Fujimori einen überproportionalen Bekanntheitsgrad - das hilft in einem Land, in der nur knapp mehr als die Hälfte der Bevölkerung einen Internetzugang haben. Keiko Fujimori hat sich im Wahlkampf auf das Sicherheitsthema gestürzt. Und für manche Peruaner reicht das. Viele können sich noch gut erinnern, wie ihr Vater mit dem Terrorismus im eigenen Land umgegangen ist und schließlich den wichtigsten Anführer der Terrororganisation Sendero Luminoso, Abimael Gúzman, gefangen genommen hat.

Fujimori senior und der Putsch

Kurzum, Alberto Fujimori hat das Land zehn Jahre (von 1990 bis 2000) mit harter Hand regiert. Er löste nicht nur den Kongress auf (Stichwort: "Selbstputsch"), sondern suspendierte auch die verfassungsmäßigen Rechte der Judikative. Fujimori rief als Rechtfertigung für seine Taten den "Notstand" aus und betrieb eine "antisubversive" Politik, in dem er mit allen Mitteln den linken Terrorismus im Land bekämpfte - seine Antwort darauf war etwa der Einsatz von Todesschwadronen, wegen denen Fujimori später auch verurteilt wurde. Deswegen und wegen eines Korruptionsurteils verbüßt er derzeit eine 25-jährige Haftstrafe.

Keiko, die nach der Scheidung ihrer Eltern den repräsentativen Part der First Lady an der Seite ihres Vaters übernommen hatte, versuchte zwar immer wieder, sich oberflächlich von ihrem Vater zu distanzieren. Besonders klare Worte fand sie aber nicht. Nur das Versprechen, ihn, so sie Präsidentin werden würde, nicht zu begnadigen. Ein Versprechen, dass sie geben musste, nachdem sie zuvor oft auf eine Verkürzung der Haftstrafe hingewirkt hatte. Daneben versprach Keiko im Wahlkampf aber noch etwas anderes: Um der steigenden Verbrechenszahlen in Perus Straßen Herr zu werden, konnte sich Keiko vorstellen, den "Notstand" in ihrer Präsidentschaft auszurufen. Spätestens da klingelten bei den Unentschlossenen die Alarmglocken. Wieder in einen Zustand abrutschen, in denen das Staatsoberhaupt, von niemandem kontrolliert, Entscheidungen treffen kann, die später vielleicht, wie bei Keikos Papa, zu internationalen Haftbefehlen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit führen werden? Ein Horrorszenario für viele Peruaner.

"Diktatur nicht legitimieren"

Unter dem Slogan "KeikoNoVa" (Keiko geht nicht) machte man im Internet mobil. Perus intellektuelle Elite in Form des Literaturnobelpreisträgers Mario Vargas Llosa warnte lautstark vor der Fujimori Tochter: "Wenn Keiko gewinnt, dann öffnen sich die Gefängnisse", wiederholte Vargas Llosa nimmermüde: Die Verbrecher von einst würden wieder an Positionen der Macht zurückkehren. Ein Sieg Keikos "wäre eine posthume Legitimation einer Diktatur, die extrem korrupt, grausam und äußerst blutrünstig war".