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Der Milliardär als Bettler

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Attentatsversuche, Geldprobleme, Umfrage-Debakel: Donald Trumps Wahlkampf droht ins Chaos zu stürzen.


Las Vegas/Washington. Auch wenn Todesdrohungen gegen Spitzenpolitiker in den USA zum Alltag gehören: Zu Taten führen sie selten. Diese Regel fast widerlegt hätte am Dienstagabend in Las Vegas, Nevada, ein britischer Teenager namens Michael Steven Sandford. Der illegal im Land lebende Brite - der 19-Jährige war vor eineinhalb Jahren mit einem Touristenvisum in die USA eingereist und hatte es nie verlängert - wollte einen Plan ausführen, an dem er schon seit langem gefeilt haben will: die Ermordung Donald Trumps. Zuerst wollte Sandford den designierten Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen bei einer Wahlkampfveranstaltung um ein Autogramm bitten. Dann versuchte er einem der Sicherheitsleute die Waffe zu entreißen, um Trump zu erschießen. Beides gelang dem nach allen bisherigen Erkenntnissen unter schweren psychischen Problemen leidenden Teenager nicht.

Als Sandford nach der Pistole eines Polizisten griff, wurde er überwältigt. Keine zwei Stunden später stand er vor dem Haftrichter. Jetzt drohen ihm bis zu zehn Jahre Haft. Der vereitelte Attentatsversuch markiert das makabre - vorläufige - Ende einer der schlimmsten Phasen in der Karriere des Neo-Politikers Donald Trump. Auch wenn er selbst das vermutlich nie zugeben würde.

Clinton hat das Zehnfachean Mitarbeitern

Ein Totalabsturz in den Umfragewerten, ein in Auflösung begriffener Wahlkampf und Geldsorgen: Der Kampf ums Weiße Haus scheint für den New Yorker Immobilien-Magnaten und Reality-TV-Star vorbei, noch bevor die heiße Phase überhaupt begonnen hat. Das erste Opfer des sich abzeichnenden Desasters heißt Corey Lewandowski. Ausgerechnet jener Mann, der Trump seit Tag eins seiner Kandidatur als Wahlkampfmanager beistand, wurde Anfang der Woche fristlos entlassen. Was den 42-Jährigen den Job kostete, war offenbar genau jene Strategie, mit der sein Arbeitgeber die Vorwahlen der Republikaner gewonnen hatte. Im Rahmen derer hatte Trump mit Forderungen wie der Errichtung einer Mauer an der Grenze zu Mexiko oder nach einem temporären Einreiseverbot für Muslime nicht weniger als 17 Kandidaten aus dem Feld geschlagen. Lewandowski, der vor seinem Engagement bei Trump auch für die ultrarechten Koch-Brüder - zwei der größten Geldgeber der Republikaner - gearbeitet hatte und sein Motto "Let Trump be Trump" auch im Wahlkampf gegen Hillary Clinton umsetzen wollte, musste jetzt gehen.

Inwieweit diese Maßnahme Wirkung zeigt, ist jedoch fraglich, nachdem es innerhalb der Trump-Kampagne derzeit offenbar keine Ecke mehr gibt, an der es nicht brennt. Das größte Problem des Spitzenkandidaten ist dabei ein vordergründig überraschendes: Geld. Wie die jüngsten der Federal Election Commission (FEC) vorgelegten Dokumente belegen, weiß niemand, wo bis zum Herbst die mindestens eine Milliarde Dollar herkommen soll, die es in den USA im Jahr 2016 allen objektiven Maßstäben zufolge braucht, um einen nationalen Wahlkampf zu finanzieren.

Trumps gesamter bezahlter Wahlkampfstab umfasst bis heute keine 70 Leute. Zum Vergleich: Hillary Clintons beschäftigt rund 700 Mitarbeiter - Tendenz steigend. Trumps Geldproblem plagt ihn an gleich mehreren Fronten. Im Vorwahlkampf wurde der Milliardär nicht müde zu betonen, dass er seinen Wahlkampf aus eigener Tasche finanziert. Das stimmte nicht ganz, aber zum Großteil. Wie aus den aktuellen Zahlen der FEC hervorgeht, investierte Trump bisher 45,7 Millionen Dollar ins Rennen ums Weiße Haus. Das entspricht nahezu exakt jener Summe an Eigenmitteln, die Mitt Romney vor acht Jahren im Rahmen seines ersten Anlaufs um die US-Präsidentschaft ausgab. (Er überstand 2008 nicht einmal die Vorwahlen.)

Wenig Hoffnung für republikanische Trump-Gegner

Im Gegensatz zu Romney scheint Trump aber den Großteil der Geldgeber-Klasse seiner Partei nicht für, sondern gegen sich zu haben. Amerikanische Fachmedien, allen voran das Polit-Portal "Politico", berichten mittlerweile im Wochentakt über den Unwillen republikanischer Granden, einen Präsidentschaftswahlkampf finanziell zu unterstützen, den sie schon jetzt für verloren halten. Mit dieser Haltung unterscheiden sie sich mittlerweile nicht mehr viel vom Rest der Bevölkerung. Zuerst die rassistischen Angriffe auf einen in Indiana geborenen Richter mit mexikanischen Wurzeln, der einen Prozess gegen ein ehemaliges Unternehmen Trumps führt (Trump University); dann die selbstgefällige Reaktion auf das Massaker von Orlando, bei dem 49 Menschen starben (was Trump in seiner Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime "bestätigte"); und dann auch noch der kaum verhüllte Vorwurf, dass Präsident Obama mit dem islamistischen Terror unter eine Decke stecke: Selbst den fanatischsten aller Trump-Fans scheint es langsam zu viel zu werden.

Zwar gibt es an den Rändern der republikanischen Partei immer noch Bestrebungen, Trump im letzten Moment vom Thron zu stoßen - am Mitte Juli stattfindenden Parteitag in Cleveland, Ohio. Zu viel Hoffnung sollten sich die Anti-Trump-Kräfte aber nicht machen: Paul Ryan, Sprecher der Mehrheitsfraktion im Abgeordnetenhaus und gewichtigste Stimme des Parteiestablishments, bekräftigte seine Wahlempfehlung für Trump. Warum? Weil der "trotz allem eine bessere Alternative als Hillary Clinton" sei.