Zum Hauptinhalt springen

Das große Unbehagen

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder aus Cleveland

Politik

Der Auftakt der Republican Convention 2016 geriet so suboptimal wie aggressiv.


Cleveland. Man kann es drehen und wenden wie man will: Ein Auftakt nach Maß schaut anders aus. Am Montag startete in der Quicken Loans Arena zu Cleveland, Ohio, der Parteitag der Republikaner, dessen ersten Höhepunkt eine Rede von Melania Trump hätte markieren sollen.

Die Frau des Spitzenkandidaten Donald Trump machte ihren Job an und für sich nicht schlecht. Sie sprach alles an, was ein konservatives Publikum gern hört: ausführliche Bekenntnisse der Liebe zum Ehemann, zur Familie, zum Land, zur Freiheit, die nur durch ein ausreichend Maß an Sicherheit aufrecht zu erhalten sei, et cetera, et cetera; aber nur Sekunden, nachdem die 46-Jährige das Podium verlassen hatte, brach in den sozialen Medien und in der Folge in den professionellen Nachrichtendiensten ein Sturm los, der die Nacht über andauerte und sich bis in den nächsten Tag hineinzog.

Stein des Anstoßes: Melania Trumps Rede enthielt nachweislich zwei Absätze, die die amerikanische Öffentlichkeit schon einmal zu hören bekommen hatte und das nahezu wortwörtlich, vor acht Jahren in Denver, Colorado. Ausgesprochen hatte sie damals Michelle Obama, anlässlich der Kür ihres Ehemannes zum Präsidentschaftskandidaten der Demokraten.

Zwei Absätze von Michelle Obama geklaut

Der Plagiatsvorwurf und die daraus resultierende Kontroverse überschattete am Ende nahezu alles, was sonst am ersten Tag der Republican Convention 2016 passierte. Melania Trump hatte sich zuvor bekannt, dass sie die Rede vor ihrem Auftritt nur ein einziges Mal gelesen hatte: "Weil ich sie selber geschrieben habe, mit so wenig Hilfe von außen wie möglich."

Das aus Slowenien stammende Ex-Model hat sich allerdings zu dem, was wirklich zählt -den politischen Positionen ihres Mannes -auch diesmal wieder nur derart schwammig geäußert, dass ihr eigentlich niemand einen Strick daraus drehen hätte können. So ist es vielleicht auch zu erklären, dass die maßgeblichen Berater von Donald Trump, allen voran sein Wahlkampfmanager Paul Manafort, am Tag danach Gift und Galle spuckten, nachdem sie von Journalisten mit dem Plagiatsvorwurf konfrontiert wurden.

Kein gutes Omen für das, was die Convention-Besucher in den kommenden Tagen noch alles erwartet. Die Organisatoren haben jeden einzelnen der insgesamt vier unter ein Motto gestellt, jeweils abgeleitet von Trumps Wahlkampfslogan "Make America great again". Am Montag lautete nämliches "Make America safe again". Inhaltlich widmeten sich die Sprecher - Reality-TV-Stars wie der bärtige Entenjäger Willie Robertson aus der White-Trash-Serie "Duck Dynasty", Veteranen und aktive Mitglieder von Militär und Polizei, sowie eine Plethora semiprominenter Kongressabgeordneter - trotz der Formulierung kaum einer Strategie, wie man das Land sicherer machen könnte.

Hillary Clinton ist amZustand der USA schuld

Wie mit dem fortschreitenden Verlauf des Tages immer deutlicher wurde, ging es den Sprecherinnen und Sprechern vor allem darum, die Schuld am ihrer Meinung nach kümmerlichen Zustand Amerikas im Jahr 2016 Hillary Clinton und, mit Abstrichen, Barack Obama anzulasten. Mit Ergebnissen, die teilweise als bizarr unzureichend beschrieben sind.

Pat Smith, die Mutter eines der vier Opfer des Angriffs islamistischer Extremisten auf die diplomatische Niederlassung der USA im libyschen Benghazi, machte die ehemalige Außenministerin "persönlich" für den Tod ihres Sohns verantwortlich. Smith nannte Clinton zudem wiederholt eine "Lügnerin" - unter dem Jubel des Publikums in der Arena, dass sich daraufhin in Sprechchören wie "Hillary for Prison" erging.

Europas Rechtspopulistenin Cleveland im Publikum

Ob der ausrangierte Schauspieler (Scott Baio), der pensionierte General (Mike Flynn) oder die zu Senatorenwürden gekommene Bauerstochter (Joni Ernst): Dem Narrativ der Konservativen zufolge gibt es nur einen einzigen Grund, warum in Syrien und Libyen bis heute kein Frieden herrscht, warum der Islamische Staat die Welt in Angst und Schrecken versetzt und warum Israel heutzutage angeblich mehr um seine Existenz bangen muss denn je: Clinton. Der einzige, der an diesem milden Sommerabend im Nordosten Ohios nachhaltig Eindruck machte, war Rudy Giuliani.

New Yorks Ex-Bürgermeister wirbt für "Zero Tolerance"

Die extrem leidenschaftlich vorgetragene Rede des ehemaligen Bürgermeisters von New York City blieb am Ende die einzige, die die Delegierten und den Rest der Gäste - darunter rechtspopulistische europäische Politiker wie Geert Wilders, der Chef der niederländischen Freiheitspartei -, von den Sitzen riss. Giuliani redete einer "bewährten Law&Order-Politik" das Wort, die gerade angesichts der jüngsten Polizistenmorde von Baton Rouge und Dallas das einzige Rezept zur Prävention der allerorts aufkeimenden Anarchie im Land darstelle. Donald Trump habe in New York mit eigenen Augen gesehen, was die von dem heute 72-Jährigen in den Neunzigern eingeführte "Zero Tolerance"-Politik aus der Stadt gemacht habe. Ergo könne man sich auf ihn verlassen, dass er dieses Modell im Fall seiner Wahl aufs ganze Land übertragen werde. Auch wenn Giulianis Rede die einzige blieb, die Chancen hat, den Leuten über den ersten Convention-Tag hinaus als politisches Statement in Erinnerung zu bleiben, reihte sie sich doch nahtlos in eine (bisweilen extrem willkürlich erscheinende) Abfolge von Deklarationen ein, die die Grenze zur puren Demagogie teilweise weit überschritten. Was da in Cleveland bisher alles zu Protokoll gegeben wurde, erzählt viel über das Weltbild eines großen - und nicht zufällig nahezu ausnahmslos weißen - Teils der Amerikaner nach acht Jahren Barack Obama im Weißen Haus. Phrasen, die fast kein Redner ungeachtet seines Themas ausließ, kündeten vom "drohenden Chaos auf den Straßen", von der "permanenten Bedrohung durch Terroristen, weil der Feind mittlerweile überall sei", sowie vom "offensichtlichen Unwillen oder dem Unvermögen der Regierung, ihre Bürger ausreichend zu schützen". Dem Anspruch der Hilfestellung zur Meinungsbildung ihrer potenziellen Wählerinnen und Wähler wurde die Partei zu Beginn der Veranstaltung auch insofern gerecht, als in der psychologisch wichtigsten Frage dieser Tage Einigkeit herrscht - der nach der Legitimation ihres Präsidentschaftskandidaten.

Wieder ein Versuch gescheitert, Trump zu verhindern

Kurz nachdem die Republican Convention offiziell eröffnet wurde, hatten die verbliebenen Anti-Trump-Kräfte einen letzten Versuch gestartet, die Abstimmungsregeln für die Delegierten zu ändern und damit die Nominierung des New Yorker Immobilienmagnaten quasi im letzten Moment zu sabotieren. Der Versuch, die an die Wahlergebnisse in ihren jeweiligen Bundesstaaten gebundenen Wahlmänner und -frauen nach freiem Wissen und Gewissen abstimmen zu lassen, scheiterte. Die für den Bundesstaat Utah im Kongress sitzenden und von Senator Mike Lee angeführten Initiatoren des "Mini-Putsches" sahen sich kurze Zeit später Todesdrohungen von Trump-Anhängern ausgesetzt. Fast zur gleichen Zeit machte in Cleveland eine vom "New Yorker"-Magazin veröffentlichte Geschichte die Runde, die das Bekenntnis des Ghostwriters von Trumps meistverkauftem Buch "The Art of the Deal" enthielt. In dieser legte nämlicher dar, dass er, wenn er das Rad der Zeit zurückdrehen könnte, seinem Werk einen anderen Titel geben würde, "einen, der der Wahrheit über diesen Menschen näher kommen würde: ‚Der Soziopath‘".