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Die Angst des weißen Mannes

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Trump akzeptiert Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten und kündigt Law&Order-Wahlkampf an.


Cleveland/Ohio. Es ist vollbracht. Um Donnerstagabend Ortszeit hat Donald Trump in Cleveland die Nominierung zum  Präsidentschaftskandidaten der Republikaner akzeptiert und in einer über einer Stunde dauernden Rede dargelegt, mit welcher Strategie er Hillary Clinton im Herbst zu besiegen gedenkt. Die beschränkt sich im Grunde auf zwei Worte: Law&Order, der kompromisslosen Durchsetzung von Recht und Gesetz. In die jüngere amerikanische Politikgeschichte wird Trumps Rede als eine eingehen, die eines der düstersten Bilder vom Zustand des Landes seit dem Wahlkampf Richard Nixons im Jahr 1968 zeichnete, als es mitten im Vietnam-Krieg steckte.

Die große Frage lautet jetzt, inwieweit diese Botschaft im Amerika des Jahres 2016 auf fruchtbaren Boden fällt, sprich, ob sich damit Mehrheiten abseits von Trumps Stammklientel finden lassen. Die besteht nach wie vor aus weißen, vornehmlich älteren Männern und mit denen allein lässt sich in den USA des 21. Jahrhunderts vielleicht noch ein Senatssitz in Alabama gewinnen, aber nicht das Rennen ums Weiße Haus. Wiewohl der Fokus von Trumps Parteitags-Rede klar auf Recht und Ordnung lag, ging es am letzten Abend in der Quicken Loans Arena nicht ohne die übliche Dosis Populismus spezifisch Trump'scher Prägung ab. Steuern?

Herunterfahren, alle, für alle. Investitionen in die öffentliche Infrastruktur? Ist in Planung, wird alles erledigt. Reform der Veteranenbetreuung? Ganz oben auf der Prioritätenliste. Probleme bei der Zurückzahlung von Studiengebühren? Keine Sorge. Trump verlässt sich bei der Stimmenwerbung auch nach seiner offiziellen Krönung zum Spitzenkandidaten auf die älteste politische Formel von allen: Allen stets alles versprechen, ohne Rücksicht auf die Wirklichkeit.

Die berühmte "schweigende Mehrheit"

Die schaut nach Trumps Lesart nach acht Jahren der Präsidentschaft von Barack Obama so aus: Auf den Straßen herrsche "Chaos", wofür die Polizistenmorde von Dallas und Baton Rouge nur die letzten Belege seien.
Die amerikanische Wirtschaft befinde sich in "desaströsem" Zustand und illegale Immigranten, vornehmlich aus Mexiko, seien für den Tod von zahlreichen US-Bürgern verantwortlich. Zudem gebe es im ganzen Land keine Kleinstadt und keine Metropole mehr, in der man sich nicht vor Terroristen fürchten müsse. Was vor allem anderen das Ergebnis einer von Hillary Clinton verantworteten, "katastrophalen" Außenpolitik sei. Nach Trump hat Clinton quasi im Alleingang Syrien und Libyen in Brand gesetzt, den Iran mit Geld und einer Atombombe beschenkt und den Irak zurück ins Chaos gestürzt. Am Ende fragten sich nicht nur die professionellen Kommentatoren, ob Trump die Rede – die er entgegen seinen sonstigen Gewohnheiten zur Gänze von einem Teleprompter ablas –, nicht doch gar zu negativ angelegt hatte.

Dessen ungeachtet steht fest, dass er und seine Berater ganz klar darauf spekulieren, dass die berühmte "schweigende Mehrheit", die Nixon so meisterhaft aktivierte, immer noch beziehungsweise wieder besteht. Aber selbst deren Stimmen könnten bei einem Elektorat, das erstmals in der US-Geschichte zu einem runden Drittel aus den Angehörigen ethnischer Minderheiten besteht, nicht reichen.

Unterhaltungswert

Den Boden für Trumps großen Auftritt hatten zuvor unter anderem seine jüngste Tochter Ivanka, der Vorsitzende des Republican National Council
(RNC) Reince Priebus sowie der Billionär Peter Thiel aufbereitet. Vor allem der Auftritt letzteren versprach Unterhaltungswert, ist der Mitbegründer von PayPal und langjährige Silicon-Valley-Investor doch nicht nur dafür bekannt, dass er, nur zum Beispiel, die Einführung des Frauenwahlrechts für einen Fehler der Geschichte hält und eine ausgesprochene Abneigung gegen die Staatsform der Demokratie an sich hat. (In letzter Zeit fiel er weniger durch eigenwillige politische Theorien als durch die Finanzierung der Klage des Ex-Catchers Hulk Hogan gegen das Online-Medium Gawker auf, das dieses nunmehr zu ruinieren droht.)

In Cleveland beschränkte sich Thiel indes auf die Lobpreisung des Unternehmers Trump und sorgte beim Großteil des Publikums für einen spontanen Begeisterungsausbruch, als er bekannte, "schwul, Republikaner und Amerikaner" zu sein. Ein absolutes Novum, das Trump in seiner eigenen Rede thematisch aufgriff: Nur er sei in der Lage, die homo- und transsexuelle Gemeinde Amerikas vor Anschlägen wie dem von Orlando zu schützen; und im übrigen freue er sich darüber, dass so eine Aussage Applaus von einem aus Republikanern bestehenden Publikum fände. Am Ende war es nur ein weiterer Ausdruck dafür, wie sehr sich die Partei geändert hat, seit das letzte Mal ein Republikaner den Weg ins Weiße Haus fand.

Mehr zum Thema in unserem Dossier zur US-Wahl 2016