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Aus Prinzip nicht Hillary

Von Daniel Bischof aus Philadelphia

Politik

Anhänger von Bernie Sanders sehen in Clinton das Establishment und wollen sie daher partout nicht wählen.


Philadelphia. Nur für einen kurzen Moment verscheucht eine kühle Brise die erdrückende Hitze, die sich im Franklin Delano Roosevelt Park in Philadelphia ausgebreitet hat. Vielen ist das nicht genug: Zahlreiche Männer rennen mit nacktem Oberkörper herum, eine junge Frau wählte Plastik-Hanfpflanzen als BH-Ersatz. Tausende von Unterstützern von Bernie Sanders und Jill Stein, der Präsidentschaftskandidatin der "Green Party", versammeln sich seit Sonntag in und um den Park. Sie wollen ihren Unmut über - nun ja - alles Mögliche kundtun: Sei es nun über Donald Trump, Hillary Clinton, das Establishment, den Kapitalismus oder das US-Wahlsystem. "Sanders und Stein sehen das Offensichtliche. Die USA sind eine Oligarchie geworden", sagt Wayne. Er hält ein Unterstützungsplakat für Stein in die Luft: "Demilitarisiert die Polizei", steht in großen Buchstaben geschrieben. Hillary sei Teil des Systems und von dem einen Prozent, den großen Unternehmen und den Reichen, gekauft. Er werde Hillary nicht wählen, so Wayne. Was Wayne und viele andere Demonstranten wollen, ist nicht ein sanfter Wind der Veränderung. Nein, sie wollen einen revolutionären Sturm, der das System wegfegt. "Stop the New World Order"- und "Das System ist manipuliert"-Plakate werden massenweise in die Luft gehalten.

Clinton steht nicht für diesen Wandel, vielmehr ist sie für die Demonstranten die Inkarnation des manipulierten Systems. "Ich wähle Prinzipien, nicht Menschen", erklärt Beth, eine Sozialarbeiterin. Für Hillary oder die "verrückte Person" könne sie deswegen nicht stimmen. Sogar Slogans wie "Hillary ins Gefängnis" machen die Runde, auf einigen Buttons steht: "Hillarys Lügen haben Bedeutung." Es sind die gleichen Sprüche, die bereits in der Vorwoche beim Parteitag der Republikaner in Cleveland kursierten. Auffallend ist, dass das Publikum durchmischt ist: Frauen, Männer, Junge, Alte. Alle setzen sie sich für Sanders ein. Alle begeistern sie sich für Bernie.

Studenten halten Bernie Treue

Besonders gut kommt er bei Studenten an. "Ich mag seine Forderungen nach einer Erhöhung des Mindestlohnes und sein Eintreten für die Umwelt. Er will auch das Geld aus der Politik holen", meint Tatiana, eine Studentin aus Maryland, die Sanders-Socken trägt. Viele andere unterstützen Sanders, weil er für gebührenfreie Universitäten ist. "Ich habe 80.000 Dollar Schulden für meinen Studienkredit und zahle hohe Zinsraten. Laut einem Online-Rechner brauche ich 100 Jahre, bis ich meinen Kredit bedient habe", sagt Cassandra. Die Demonstrationen selber verlaufen äußerst friedlich. Auch Gegendemonstranten, die etwa Schilder wie "Kapitalismus heilt" und "Sozialismus ist beschissen" tragen, können ungestört im Park herumgehen. Ob die Protestierenden die Meinung der Mehrheit der Bernie-Sanders-Unterstützer repräsentieren, bleibt ungeklärt. Auf jeden Fall dürfte es sich um den harten Fan-Kern des 74-jährigen Senators aus Vermont halten. Ein kleines Zeltlager beim Parkeingang zeigt die Hartnäckigkeit seiner Unterstützer. Paul, ein Koch, ist aus New York angereist. Er will bis Mittwoch hier zelten und irgendwie auf "Bernie" hoffen.

Im Parkinneren findet am späten Montagnachmittag eine Wahlveranstaltung von Stein statt. Ein Polizeihelikopter kreist um die Umgebung. Während sich anfangs nur ein paar hundert Menschen um ein großes Zelt versammeln, wo diverse Redner auftreten, werden es später zunehmend mehr. Mit den neuen Gästen kommt das schlechte Wetter. Dunkle Wolken tauchen am Horizont auf, die ersten Blitze sind hinter der Skyline von Philadelphia sichtbar. Die ersten Regentropfen kündigen den Sturm an, der sich später über Philadelphia entladen wird.

Die Begeisterung, welche die Sanders-Unterstützer im Park zeigen, bringen sie auch in die Convention-Halle mit. T-Shirts, Knöpfe und Kappen mit Sanders-Konterfei dominieren gegenüber Hillary-Devotionalien. Minutenlang ertönen "Bernie"-Rufe durch die Halle, als der Senator am Schluss des ersten Veranstaltungstages endlich auf die Bühne tritt. "Es ist unglaublich", murmelt ein Mann. So viel Enthusiasmus wurde sowohl auf republikanischen als auch demokratischen Versammlungen bisher noch keinem Kandidaten entgegengebracht. Als Sanders dann seine Wahlempfehlung für Hillary ausspricht, verlassen in den obersten Rängen dutzende Personen demonstrativ den Saal. Für sie kann es eine Revolution mit Hillary nicht geben. Sanders hin oder her.