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Erzählungen von Krieg und Liebe

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik
Träumen in Blau - der Parteifarbe der Demokraten: Obama mit Clinton.

Nach der republikanischen ist jetzt auch die Convention der Demokraten Geschichte. Ihre Geschichten leben indes weiter - und die Öffentlichkeit war sich zumindest darin einig, dass die Demokraten die besseren erzählt haben.


Philadelphia. Beides probiert, kein Vergleich. Am Donnerstagabend Ortszeit ging in Philadelphia, Pennsylvania, die Democratic National Convention 2016 zu Ende, genau eine Woche, nachdem die Republikaner ihre in Cleveland, Ohio, abgehalten hatten. Nachdem Parteitage, im Rahmen derer die jeweiligen Präsidentschaftskandidaten gekürt werden, vor allem als Fernsehspektakel gedacht sind, gibt es wenige Indikatoren, die mehr über das Interesse der amerikanischen Öffentlichkeit an ihnen aussagen als die TV-Einschaltquoten.

Die ergaben einen eindeutigen Sieger. Zwischen Montag und Mittwoch waren täglich zwischen drei und sechs Millionen mehr Menschen an der Krönungsmesse Hillary Clintons als an der von Donald Trump interessiert. Von der "New York Times" mit diesen Zahlen konfrontiert, hatte Trump - als Ex-Reality-TV-Star und bekennender Kabel-TV-Junkie an und für sich ein Profi des Metiers - den Schuldigen längst parat: das Convention-Organsationskomitee des Republican National Council (RNC). "Ich habe die Show nicht produziert. Ich bin nur für meine Rede aufgetaucht", erzählte er der Zeitung. Bei der Aussage handelte es sich um eine glatte Lüge - der 70-Jährige hatte nicht nur maßgeblichen Einfluss auf die Rednerliste genommen, auf die er gleich vier seiner Kinder setzte, sondern hatte sich an jedem einzelnen der vier Tage dauernden Veranstaltung mindestens einmal blicken lassen.

Geschichten statt Aufschneiderei

Darüber, wie die beiden Conventions inhaltlich rezipiert wurden, sagen höhere Einschaltquoten freilich wenig aus. Aber angesichts dessen, was am Tag nach der Schlussrede Hillary Clintons in den traditionellen wie in den sozialen Medien Thema war, dürften die Demokraten auch in diesem Kontext die Nase klar vor haben. Warum? Weil sie sich vier Tage lang als die besseren Geschichtenerzähler erwiesen als der professionelle Märchenonkel aus dem obersten Stock des Trump Tower. Die prominenten Redner der Democratic Convention leisteten ganze Arbeit - eine Michelle Obama, die die Mehrheit der Bernie-Sanders-Wähler zu Räson brachte, ein Bill Clinton, der de facto einen Liebesbrief vorlas, ein Joe Biden, der klar machte, wo der wirkliche "Working Class Hero" wohnt, von Barack Obama und Clinton selbst ganz abgesehen.

Aber es waren die Leute, die bis zum Zeitpunkt ihres Auftritts im Wells Fargo Center unbekannt waren, die der Convention von Philadelphia ihren Stempel aufdrückten. Während sich in Cleveland homophobe Entenjäger (Willie Robertson), derangierte Tech-Milliardäre (Peter Thiel) und offen rassistische Gesetzeshüter (Sheriff Joe Arpaio) die Bühne teilten und erklärten warum das Land ohne Trump dem Untergang geweiht sei, traten in Philadelphia Leute auf, die für ein Amerika stehen, das trotz all den Zumutungen, die sie jeweils erfuhren, jeder Paranoia entsagen. Khzir Kahn, der Muslim, der vor 40 Jahren aus Pakistan in die USA einwanderte und dessen im Dienste der Army stehende Sohn Humayun im Irak ums Leben kam; Lauren Manning, ein ehemaliges Vorstandsmitglied der Investmentbank Cantor Fitzgerald, das am 11. September 2001 schwer verletzt wurde, als in New York die Türme des World Trade Center einstürzten und um die sich Clinton jahrelang abseits der Scheinwerfer kümmerte; Anastasia Somoza, eine seit ihrer Geburt unter Multipler Sklerose und Lähmungen leidende Frau, die seit Jahrzehnten für die Rechte geistig und psychisch behinderter Menschen kämpft; und last but not least die "Mothers of the Movement", Mütter von afroamerikanischen Burschen und Männern, die durch Polizeigewalt oder in Polizeigewahrsam ihr Leben ließen.

Parteiloser Mike Bloombergsteht hinter Hillary Clinton

Selbst in der Klasse Self-Made-Milliardäre hatten die Demokraten die Nase vorn. Während sich der Paypal-Miterfinder und Tech-Investor Peter Thiel, der Demokratie nach eigenem Bekunden für überholt hält und das Frauenwahlrecht für einen der größten politischen Fehler der Geschichte, bei den Mitgliedern einer Partei anbiederte, deren offizielle Plattform Homosexuellen wie ihm das Recht auf Gleichberechtigung mit den Heteros auf immer verweigern will, beschränkte sich der in Philadelphia für Hillary Clinton auftretende Mike Bloomberg aufs Wesentliche. Der ehemalige New Yorker Bürgermeister sei weder Demokrat noch Republikaner (obwohl er in der Vergangenheit Mitglied bei beiden Parteien war), aber angesichts der Bedrohung durch den "Schwindler" Trump sehe der Medien-Tycoon keine andere Möglichkeit, als sich voll hinter Clinton zu stellen. Nüchtern wie gewohnt erklärte Bloomberg, dass es für die USA kaum eine schlimmere Aussicht gebe als die Einlösung von Trumps Versprechen, "das Land wie seine Geschäfte zu führen. Wenn das passiert, dann gute Nacht".

Was den Demokraten und ihrer Kandidatin Hoffnung macht: Es sind genau Leute wie Bloomberg (und, nicht zu vergessen, ihr Geld), die sie bis zum Wahlgang am 8. November brauchen. Dann wird sich herausstellen, wie viele moderate Republikaner es am Ende wirklich gibt, die mit dem Demagogen Trump, dessen politische Positionen mit dem traditionellen Konservativismus amerikanischer Prägung ungefähr soviel zu tun haben wie der Teufel mit dem Weihwasser, nichts anfangen können. Die Schlagzeilen, die der Immobilienmagnat selbst und sein Vize während des Parteitags der Demokraten machten (zweifellos in der Absicht, die Hoheit über die Schlagzeilen zurück zu erobern) dürften kaum dazu beigetragen haben, die Verunsicherung aufzulösen. Nachdem Trump zunächst Russland ermuntert hatte, Hillary Clintons E-Mail-Account zu hacken, versprach Mike Pence - den Trump zu seinem Vize ernannt hatte -, dass Abtreibung in den USA im Fall von Trumps Wahl wieder für komplett illegal erklärt werden würde. Dafür Sorge tragen würde der von Trump zu bestimmende Höchstrichter, der den Sitz des im vergangenen Jahr verstorbenen Antonin Scalia füllen soll. "Wir werden Roe vs Wade (das 1973 erfolgte Urteil des Supreme Courts, in dem der Schwangerschaftsabbruch für rechtens erklärt wurde) dem Aschenbecher der Geschichte übergeben", sagte Pence. Mehrheitsfähig ist diese Position in den heutigen USA an und für sich nicht. Aber Einschaltquoten zählen am Ende immer weniger als abgegebene Stimmen.