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Ein "No" erschüttert Kolumbien

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Kolumbiens Wahlvolk sagt nein zum historischen Friedensabkommen zwischen der Regierung und der Farc-Guerilla. Die Gründe sind vielschichtig, die Zukunft ist nun ungewiss.


Bogota. Kurz vor Sonnenuntergang war die politische Überraschung perfekt. Hauchdünn mit nur 50,22 Prozent der Stimmen behielt das Nein-Lager die Oberhand. Mit diesem "No" des Wahlvolkes fehlt dem in vier langen Jahren zwischen der Regierung von Präsident Juan Manuel Santos und der linksgerichteten Farc-Guerilla ausgehandelte Friedensvertrag damit die demokratische Legitimation.

Für das ehemals bürgerlich-konservative Staatsoberhaupt, das in den vergangenen Jahren stetig ein Stückchen nach links rückte und sich damit von seiner Wahlklientel entfremdete, ist das ebenso eine schallende Ohrfeige wie für die Guerilla-Kommandanten in der kubanischen Hauptstadt, die in Ledersesseln auf einer Großbildleinwand die Stimmenauszählung verfolgten.

Angeschlagener Präsident

Das Ergebnis macht deutlich, dass Santos, der sich von der internationalen Presse schon voreilig als Friedensstifter feiern ließ und auf den Nobelpreis schielte, die tatsächliche Stimmung in der Bevölkerung unterschätzt hat - ebenso wie viele internationale Beobachter. "Ich werde bis zu letzten Minute meiner Amtszeit um den Frieden kämpfen", sagte das sichtlich angeschlagene Staatsoberhaupt in der Stunde seiner größten Niederlage, die eigentlich sein größter Sieg sein sollte.

Mehr als eine Absichtserklärung war das nicht mehr. Es bleibt abzuwarten, ob er die Kraft hat, diesen Rückschlag zu verkraften. Vizepräsident German Vargas Lleras, dem die Guerilla einst eine Briefbombe schickte und der dadurch einen Finger verlor, wäre eine personelle Alternative. Er gilt als Hardliner, der sich mit der rechtskonservativen Opposition deutlich besser versteht und auch mit deren Forderungen sympathisiert.

Eilig bemühten sich alle Konfliktparteien festzustellen, dass der Krieg nicht sofort wieder ausbreche. Der Waffenstillstand halte an, schon am Tag nach der Niederlage sollen Sondierungsgespräche stattfinden. Wieder in Havanna, wieder 2500 Kilometer entfernt von der kolumbianischen Wirklichkeit, die sich in der kubanischen Hauptstadt hinter den verschlossenen Türen so leicht ausblenden lässt.

Eine Friedenseuphorie ist von diesen Gesprächen nie ausgegangen. Das lag auch daran, dass ihr härtester Kritiker, Ex-Präsident Alvaro Uribe, einen radikalen Kurs der Fundamentalopposition fuhr. Es muss in den Ohren von Santos wie blanker Hohn geklungen haben, dass das Uribe-Lager, in Person seines Cousins Francisco Santos, nach dem hauchdünnen Sieg eine Zusammenarbeit für eine Überarbeitung des Vertrages angeboten hat. Warum nicht früher, fragen sich zahlreiche verbitterte Abkommens-Anhänger.

Uribe stellt Forderungen

Angela Giraldo, Sprecherin einer Gruppe von Angehörigen, deren Familienmitglieder von der Farc entführt und dann ermordet wurden, sagte zur "Wiener Zeitung": "Es kann jetzt nur einen Weg geben. Wir müssen das Ja- und das Nein-Lager zusammenführen mit dem Ziel, einen stabilen Friedensvertrag zu erreichen."

In den nächsten Wochen wird sich nun herauskristallisieren, wie es mit dem südamerikanischen Land weitergeht. Entscheidend wird sein, ob und wie sich das starke Uribe-Lager in die Nachverhandlungen einbinden lässt. Uribe ließ bereits erkennen, was für ihn der Schlüssel zu einer Akzeptanz der Friedensverhandlungen ist: Die in dem Friedensvertrag verankerte Amnestie für politische motivierte Verbrechen muss neu verhandelt werden. Die Guerilla müsse für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden. Santos wird sich mit seinem Amtsvorgänger zusammenraufen müssen. Die Guerillabosse müssen Gefängnisstrafen akzeptieren. Gelingt das alles nicht, droht das Ende der Ära Santos. Und der Frieden wird wohl weiter auf sich warten lassen.