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Eine Eiszeit, die direkt in einen Kalten Krieg mündet?

Von Michael Schmölzer

Politik

Russland will global als Supermacht anerkannt werden. Putin wählt den Weg der Konfrontation.


Moskau/Washington. Zuerst waren die Syrien-Friedensgespräche aus US-amerikanischer Sicht auf der Intensivstation, dann waren sie - zumindest vorläufig - tot. Nachdem ein mühsam mit Moskau ausgehandelter Waffenstillstand gescheitert war und die russische gemeinsam mit der syrischen Luftwaffe Ziele in Aleppo bombardierte, war für Washington das Maß voll. Und der Anlass da, die Gespräche auf Eis zu legen.

Jetzt ist die Zeit der gegenseitigen Schuldzuweisungen angebrochen. Für Moskau haben sich die Kräfte in der US-Führung durchgesetzt, die eine militärische Lösung des Syrien-Konflikts wollten. Aus US-Sicht torpediert Moskau jede Möglichkeit auf Frieden bewusst. Im UN-Sicherheitsrat flogen die Fetzen.

Russlands Präsident Wladimir Putin tut nicht viel, um die Situation zu entschärfen. Ganz im Gegenteil, jetzt bringt er die Frage der atomaren Abrüstung ins Spiel: Putin fordert die USA ultimativ auf, alle Sanktionen gegen sein Land aufzuheben. Washington hat Russland ebenso wie die EU nach der Besetzung der Krim mit Wirtschaftssanktionen belegt. Zudem verlangte er von den USA, sich aus den Nato-Staaten in Osteuropa zurückzuziehen. Nach dem Angriff auf die Krim war vor allem auf dem Baltikum, wo es eine bedeutende russische Minderheit gibt, die Angst vor einem russischen Angriff groß. Die Nato hat deshalb einige zusätzliche Einheiten nach Osten verlegt. Sollten sich die USA diesen Forderungen nicht fügen, dann werde sich Moskau nicht mehr an das Abkommen zur Beseitigung waffenfähigen Plutoniums halten, droht Putin. Das seit 2010 gültige Abkommen sieht vor, dass jeweils 34 Tonnen waffenfähigen Plutoniums durch eine Nutzung in Atomkraftwerken vernichtet werden sollen. Die frühere US-Außenministerin Hillary Clinton hatte davon gesprochen, dass damit 17.000 Atomsprengköpfe gebaut werden könnten. Jetzt geht Russland voll auf Konfrontation. Grund für die Forderung seien "unfreundliche Akte" der USA.

Schlüsselerlebnis Libyen

Putin, der den Kollaps der Sowjetunion einst als "die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts" bezeichnet hat, macht jetzt klar, was er damit gemeint hat: Russland erhebt den Anspruch, wie zu Zeiten der UdSSR als Großmacht anerkannt zu werden. Dass man eben keine Regionalmacht sei, wie US-Präsident Barack Obama noch 2014 gemeint hatte.

Auf diesen Umstand weist der Russland-Experte Gerhard Mangott hin. Moskau geht es darum, dass regionale Konflikte weltweit nicht mehr ohne Beteiligung Russlands und gegen russische Interessen lösbar sind. Jede Syrien-Konferenz unter Umgehung Russlands ist deshalb sinnlos. Russland will seinen gleichberechtigten Status in der internationalen Politik um jeden Preis zurückerhalten.

Schlüsselerlebnis war der Sturz Muammar Gaddafis im Zuge des einstigen "Arabischen Frühlings". Damals hatte der UN-Sicherheitsrat ein militärisches Eingreifen zum Schutz der Zivilbevölkerung erlaubt. Russland hatte sich bei der Abstimmung der Stimme enthalten. Faktisch war es aber so, dass die Nato-Kampfjets in Libyen den unorganisierten Rebellen zum militärischen Sieg verhalfen und Gaddafi stürzten. Das ging Moskau zu weit. Man werde nie zulassen, dass die USA Regime nach eigenem Gutdünken ab- und einsetzen, hieß es damals.

In Syrien wird das jetzt konsequent durchexerziert. Die Familie Assad ist in den letzten Jahrzehnten immer ein Freund Russlands gewesen, wenn auch nicht ein enger Verbündeter. Moskau hält auch nicht unbedingt an Bashar al-Assad fest, will aber seine Interessen in der Region gewahrt wissen.

Putin will ein "Ende der Geschichte", wie es der konservative US-Politologe Francis Fukuyama nach dem Kollaps des Kommunismus postuliert hat, nicht hinnehmen. Liberalen westlichen Werten hält er ein Konstrukt an konservativer Moral und Ordnung entgegen, den Westen versucht er als moralisch verkommen und sittenlos darzustellen. Damit schafft Putin zwar nicht einen fundamentalen System-Gegensatz, wie es der Kommunismus war. Er grenzt sich aber sehr deutlich ab. Zu einer Neuauflage des Kalten Krieges alten Zuschnitts wird es deshalb (noch) nicht kommen.

Putins Großmachtstreben kommt entgegen, dass Washington nach den Invasionen in Afghanistan und im Irak - beide Feldzüge endeten in einem Fiasko - verunsichert war. Barack Obama wollte im Fall Syrien einen ähnlichen Fehlschlag, der tausenden US-Soldaten das Leben kostet, ohne dass es zu einem Resultat kommt, unbedingt vermeiden. Der US-Präsident glich über weite Strecken einem Hamlet, zaudernd und entschlusslos. Das hat etwa dazu geführt, dass sich die moderate Opposition in Syrien von den USA immer mehr ab- und radikalen islamistischen Kräften zugewandt hat. Und es hat Raum für Russland geschaffen.

In Washington wollen jetzt einige "Falken" eine militärische Lösung in Syrien. Doch der Konflikt ist derart verworren, dass auch ein brachiales Eingreifen sinnlos wäre. Und so glaubt Alexej Malaschenko, Experte am Moskauer Carnegie-Zentrum, dass Washington bald wieder auf Russland zugehen wird.