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Ein Brodeln unter der Oberfläche

Von Tanja Wieser

Politik

In Burundi hält Präsident Nkurunziza nach der umstrittenen Wahl beinhart an seiner Macht fest.


Bujumbura. Es ist ein Affront: Die burundische Regierung verbannte am Montag drei Menschenrechtsbeobachter der Vereinten Nationen (UN) aus dem Land. Anlässlich eines UN-Berichts, in dem Burundi Völkermord vorgeworfen wird, soll eine Untersuchungskommission Menschenrechtsverletzungen nachgehen. Das entschied der UNO-Menschenrechtsrat vergangenen Freitag. Laut dem burundischen Präsidenten Pierre Nkurunziza bewirke die Kommission eine "Destabilisierung ihrer Souveränität". Die Regierung kündigte vor dem Wochenende an, den Zutritt zu verwehren.

Seit April 2015 herrschen Unruhen in Burundi. Damals kündigte Nkurunziza an, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Eine zweite Wiederwahl des Präsidenten verstößt laut der Meinung eines Großteils der juristisch versierten Experten gegen die Verfassung und den Friedensvertrag von Arusha, der 2000 den Bürgerkrieg beendete. Doch Nkurunziza fand ein Schlupfloch. In der Verfassung heißt es, man dürfe nur für zwei Amtszeiten direkt vom Volk gewählt werden. Bei seinem ersten Antritt wurde Nkurunziza aber vom Übergangsparlament und nicht direkt vom Volk gewählt. Im Friedensvertrag von Arusha wird hingegen klar formuliert, dass jeder Präsident nur einmal wiedergewählt werden kann. Das Verfassungsgericht entschied, dass es sich nicht um eine verfassungswidrige dritte Amtszeit handelt. "Die Entscheidung kam unter starkem Druck zustande. Der Vizepräsident floh ins Nachbarland und sagte unter Tränen, dass er die Entscheidung nicht frei habe treffen können", sagt Julia Grauvogel vom Giga-Institut für Afrika-Studien in Hamburg.

Die Opposition hat die Wahl mit Nkurunziza als Kandidaten boykottiert. "Die Wahlkommission sagte, sie habe nie eine offizielle Erklärung über den Wahlboykott bekommen und es haben trotzdem Wähler bei den Oppositionsparteien ihre Kreuze gemacht", sagt die Expertin. So bekamen die Oppositionsparteien 21 Sitze im Parlament. Rund um das Votum und in Folge des Wahlsieges für Nkurunziza kam es zu blutigen Protesten und einem Putschversuch

Ruanda als Schutzmacht der Tutsi

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Auf Regimekritik wird mit Folter und Mord geantwortet. Die Zahl der ungesetzlichen Hinrichtungen seit April 2015 beläuft sich laut UN auf über 560 und das sei eine "konservative Schätzung". In dem im September erschienenen Bericht wird von 17 verschiedenen Foltermethoden gesprochen. Demnach werden Gefangenen etwa Gewichte an den Genitalien befestigt oder sie werden gezwungen, auf zerbrochenem Glas zu sitzen. Frauen werden sexueller Gewalt ausgesetzt. Satellitenbilder weisen auf Massengräber hin. Laut dem UN-Bericht werden die Leichen von Regierungsgegnern aber auch in die Demokratische Republik Kongo (DR Kongo) transportiert und dort begraben.

Um der Gewalt, Verschleppung und Folter zu entkommen, flüchten viele Burundier in die Nachbarländer. Die Flucht ist riskant, auch hier entkommt man der Gewalt nicht. Viele Frauen werden von Grenzwächtern, der regierungsnahen Jugendmiliz "Imbonerakure" und unidentifizierten Männern vergewaltigt, so der Bericht. Die Zahl der Flüchtlinge hat die 300.000 überholt. Laut UN kommen Bedenken auf, ob die Nachbarländer den starken Zustrom bewältigen können. Die UN-Flüchtlingsbehörde (UNHCR) fordert die internationale Gemeinschaft dazu auf, Spenden für die Grundversorgung wie etwa Lebensmittel, ärztliche Hilfe und Unterkünfte zu erhöhen. "Grundsätzlich sind diese Flüchtlingslager völlig unterfinanziert und das liegt daran, dass der Westen dem UNHCR nicht genug Mittel zur Verfügung stellt", sagt Grauvogel. Allein im Juli und August flohen 20.000 Burundier nach Tansania, Ruanda und die DR Kongo, sowie Uganda und Sambia.

Die Staaten rund um Burundi versuchen, zu vermitteln. "Der Region gelingt es aber nicht, eine ähnlich erfolgreiche Rolle zu spielen wie Ende der 1990er Jahre, wo diese regionalen Vermittlungen ganz entscheidend waren, um den Bürgerkrieg zu beenden", erklärt Grauvogel. Viele der Länder vermeiden eine klare Kritik der dritten Amtszeit von Nkurunziza, weil Präsidenten der Nachbarstaaten in ähnlicher Lage sind. So regiert etwa Yoweri Museveni in Uganda seit dem Jahr 1986, Paul Kagame ist in Ruanda auch schon 16 Jahre an der Macht.

In Ruanda wird man durch den Konflikt in Burundi an den Genozid 1994 erinnert, bei dem etwa 75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi ermordet wurden. Auch in Burundi leben, wie in Ruanda, Hutu und Tutsi - Ruanda sieht sich daher gewissermaßen als Schutzmacht der Tutsi. "Trotzdem versucht das Land, sich nicht völlig in den Konflikt reinziehen zu lassen, da es kein Interesse an einem offenen, grenzüberschreitenden Konflikt hat", erklärt die Politikwissenschafterin.

Auch in Burundi sind Tutsi in der Minderheit, und das Land wird von einem Hutu regiert. Der Konflikt ist trotzdem nicht ethnischer Natur. Politische Akteure beider Seiten versuchen jedoch, ethnische Ressentiments zu schüren. "Es ist vor allem ein politischer Konflikt. Aber das Regime versucht immer wieder, die Proteste als reine Tutsi-Proteste zu diskreditieren. Auch die Opposition warnt immer wieder vor einem erneuten Genozid, um international mehr Aufmerksamkeit zu generieren", sagt Grauvogel.

Gefahr für Oppositionelle, Journalisten, Kritiker

Vor allem unter der Opposition herrscht Angst, dass der Konflikt vergessen wird. Nach dem gescheiterten Putsch 2015 wurden unabhängige Medien geschlossen, daher kommt man nur sehr schwer an Information. Die Gewalt, die derzeit in Burundi ausgeübt wird, ist aber auch keine offene. Es gibt weniger Straßenschlachten, wie man sie etwa im Zusammenhang mit den Wahlen vergangenes Jahr gesehen hat. Laut UN-Bericht gehen die Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung jedoch weiter. "Für Regimekritiker, für die Opposition, für Journalisten, aber auch für Kritiker innerhalb des Regimes ist es nach wie vor genauso gefährlich wie letztes Jahr", so Grauvogel. "Unter der Oberfläche brodelt es weiter."

Hutu und Tutsi in Burundi

Burundi, ein bitterarmer Staat in Ostafrika, war einst ein eigenes Königreich, später deutsche und belgische Kolonie. Wie in Ruanda, das wegen des Genozids der Hutu an Tutsi in den 1990er-Jahren traurige Berühmtheit erlangte, leben auch in Burundi diese beiden Volksgruppen.

Bevor das Land 1962 unabhängig wurde, kam es 1959 bereits zu schweren Ausschreitungen zwischen Hutu und Tutsi. Diese setzten sich auch nach der Unabhängigkeit fort. Rund 300.000 Menschen sollen in Burundi bei Gewaltakten zwischen Hutu und Tutsi, die über Jahrzehnte wiederholt ausbrachen, getötet worden sein. Zudem kam es zu Kämpfen zwischen einzelnen Tutsi-Fraktionen und unter den diversen Hutu-Gruppierungen. Erst vor 12 Jahren endete ein Bürgerkrieg - nun droht ein erneuter Rückfall in die Gewalt.