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"Trump ist nicht Luzifer"

Von WZ-Korrespondentin Veronika Eschbacher

Politik
"Wenn Sie dieses Land retten wollen, müssen Sie Trump wählen": Freiwillige versuchen, Wähler am Telefon zu überzeugen.
© Eschbacher

Was freiwillige Wahlhelfer in Kalifornien erleben, wenn sie versuchen, Wähler am Telefon von Donald Trump zu überzeugen.


Newport Beach. Der Telefonhörer fällt laut auf den Apparat. "Juhu!", jubelt die Frau aufgeregt, die eben aufgelegt hat. "Der Erste, der gesagt hat: Ja, absolut, ich wähle Donald Trump!", freut sich die Mittvierzigerin mit den langen, in sanfte Wellen geföhnten Haaren. Wie schön es doch sei, eine freundliche Stimme zu hören. Genau das ist es, was die Männer und Frauen im republikanischen Headquarter im kalifornischen Newport Beach zusammengeführt hat. Sie kommen zum Phonebanking - einem der wichtigsten Bestandteile jeder US-Präsidentschaftswahlkampagne: das Durchtelefonieren von tausenden Wählern durch freiwillige Wahlhelfer.

Hier, gut eine Autostunde südlich von Los Angeles, in einem mit roten, weißen und blauen Luftballons geschmückten, ehemaligen Juweliergeschäft, werden Wähler im Swing State Colorado angerufen. James Oldga sitzt an einem Tisch in der Mitte des Raumes, hinter ihm wacht der republikanische Präsidentschaftskandidat als mannshohe Pappfigur über seine Unterstützer.

Die Wenigsten heben ab

Der 34-jährige Oldga hat in den vergangenen eineinhalb Wochen mehr als 60 Stunden für Donald Trump am Telefon verbracht. Der ruhige, zur gepflogenen Wortwahl neigende Trucker muss zwar am nächsten Tag wieder in die Arbeit. Er wird mehrere Autos laden und sie an die Ostküste bringen. Die Zeit bis dahin will er nutzen, um Trump mit allen Kräften zu unterstützen. Dieser sei immerhin - "endlich!" - ein republikanischer Kandidat, der sich mit den Bürgern verbündet hätte. "Er wird das tun, was wir einfachen Amerikaner wollen, nicht das, was das Establishment oder all die Lobbyisten wollen", ist Oldga überzeugt. Er sage öffentlich, was alle denken, aber nicht auszusprechen wagen. "Vor allem aber ist Trump getragen von einer wahren, inneren Liebe für dieses Land."

Neben Oldga schüttelt Kevin Morton den Kopf. "Nein, nein, Donald Trump ist nicht Luzifer", sagt er in den Hörer. "Wenn Ihr innerster Wunsch ist, dieses Land zu retten, dann müssen Sie Donald Trump wählen", fährt der Afroamerikaner mit der roten "Make America Great Again"-Mütze fort.

Oldga muss lachen. "Man hört und sieht hier schon immer wieder eigenartige Sachen", sagt der Trucker, der mit seiner Freundin und deren kleinen Tochter hier ist. Erst vor zwei Tagen habe ein Mann direkt vor das Wahlkampfbüro gepinkelt. Als sie die Türe aufrissen und ihn darauf ansprachen, habe er gemeint, er hätte die Toilette nicht gefunden. "Aber ich wusste, dieser Herr hat das absichtlich gemacht", sagt Oldga.

Dabei dachte der Trucker anfangs, in dem republikanischen Wahlkampfbüro werde ohnehin tote Hose herrschen. Immerhin ist das liberale Kalifornien ein tiefdemokratischer Staat, und Trump hat wegen eines Skandal-Videos mit sexistischen Aussagen weiter an Anhängerschaft eingebüßt. "Aber ich habe mich richtig getäuscht, es ist ständig was los", erzählt Oldga. Die meisten kämen, um ein, zwei Stunden zu telefonieren oder sich mit Trump-T-Shirts, Autoaufklebern und Kappen einzudecken. Vor zwei Tagen sei ein Latino hier gewesen, der dabei war, eine Wahlkampfveranstaltung mit anderen Latinos für Trump auf die Beine zu stellen. Und am Vortag betraten frühmorgens zwei weiße Männer Ende dreißig - der Kleidung nach Bauarbeiter - das Gebäude, um sich mit fast einschüchternden Worten von den anwesenden Frauen versichern zu lassen, dass in dem republikanischen Büro auch wirklich für Trump Wahlkampf geführt werde. Das sei ja heute nicht so sicher, wie einer von ihnen meinte, ohne die Miene zu verziehen.

Das Telefonieren selbst ist über weite Strecken eine Geduldsprobe. Nur die Wenigsten heben ab. Es gibt einen vorgefertigten Redetext auf zwei A4-Seiten, der neben jedem Apparat liegt. Die Telefonliste ist vorprogrammiert, gewählt wird automatisch, sobald man auf "nächster Anruf" drückt. Dann erscheinen Name und Wohnort der Person am Display. "Hi, ich bin Volontär der Donald-Trump-Kampagne. Wenn heute die Präsidentschaftswahlen wären, wen würden Sie wählen, Trump oder Clinton?", lautet der erste Satz im Redeprotokoll. Von denen, die abheben, legen nicht wenige bereits auf, nachdem sie gehört haben, dass man zur Trump-Kampagne gehört. Oder sagen ohne Umschweife: "Oh Gott." Ebenso viele bedenken den Anrufer mit Schimpfwörtern, bevor sie ihn aus der Leitung schießen. Da kann es unschön werden. "Trump ist ein Pussy-Grapscher", antwortet einer. "Trump ist ein Stück Scheiße", sagt eine Frau. "Trump ist unreif", kommt da fast freundlich daher.

"Das ist ein Notfall"

"Wenn du jemanden erwischt, der über deinen Anruf glücklich ist, gleicht das einem Jackpot", sagt eine der telefonierenden Frauen zwischendurch. Aber es gibt sie: Jene, die abheben, und sich freuen, dass die Trump-Kampagne am Apparat ist. Ein Mann sagt: "Ich danke Ihnen, wir brauchen Sie, die diese Arbeit machen, um unser Land zu retten."

Wer angibt, dass er für Trump stimmen möchte, erhält Hinweise, wie Wahlkarten zu bekommen sind. Schließlich wird gefragt, ob sich die Person selbst als Volontär engagieren möchte. Am Ende gilt es, für alle erhaltenen Antworten die entsprechenden Knöpfe am Display zu drücken.

Die Zeit zwischen den Anrufen vertreiben sich die Volontäre mit politischen Diskussionen und gegenseitigen Komplimenten. "Du wirst immer besser", lobt eine Frau Morton und reicht ihm rot-weiß-blaue M&Ms. Morton spornt das Lob an. Als er auf dem nächsten Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlässt, weicht er endgültig vom Protokoll ab: "Das ist ein Notfall. Es geht um Ihr Land", beginnt er, bevor er eine mehrminütige Nachricht hinterlässt und fast alle Standpunkte Trumps auf der zweiten Seite des Redeprotokolls vorträgt, als sei er der Moderator einer Late-Night-Show.

Auch Oldga geht selten streng nach Protokoll vor. Er versucht, die Menschen am anderen Ende der Leitung durch einen sehr persönlichen Zugang in ein Gespräch zu verwickeln, erzählt von sich, den Arbeits- und Obdachlosen entlang der kalifornischen Küste, die er täglich sieht. "In Colorado läuft die Wirtschaft gut, sie haben viel Wachstum", sagt er. Die Menschen sollten beim Wählen auch an die anderen Staaten denken.

Am meisten regen die Volontäre jene auf, die nicht wählen gehen wollen oder antworten, ihnen sei Politik einerlei. "Was für ein Trottel", sagt einer der Freiwilligen. "Dann geht er schlafen, und morgen wacht er in Libyen auf."

Der Personal Trainer Morton hat sich in der Zwischenzeit ein Bier aus dem benachbarten Pub geholt. Er war eigentlich nur ins Headquarter gekommen, um eine Trump-Kappe zu holen. "Die Menschen draußen sollen sehen, dass es auch Schwarze gibt, die Trump wählen." Eine Frau fällt ihm ins Wort: Sie trage die Trump-Kappe seit einem Jahr und werde täglich als Rassistin beschimpft, ja sogar als Hexe. "Das ist ein Lynchmob da draußen."

Clinton-Wähler als "Atheisten"

Morton hat sich kurzfristig entschieden, ein paar Anrufe zu machen. Er reibt sich die Hände. "Einmal nur möchte ich einen Clinton-Unterstützer erwischen", sagt er, "und die Person soll mir erklären, wie sie nachts schlafen kann." Wer Clinton wähle, sei Atheist oder habe einen IQ unter 70, ist von weiter hinten zu hören.

Die harte Arbeit schweißt zusammen. Bei einer Wahlkampfveranstaltung wies ein Freiwilliger darauf hin, dass er und seine Frau sich 1981 beim Phonebanking kennengelernt hatten, als Ronald Reagan die Präsidentschaftswahl für sich entschied. Das wäre für die Volontäre hier eine schöne Vergütung für all die Stunden an Arbeit: Am Ende, sollte es Donald Trump nicht ins Weiße Haus schaffen, müsste man wenigstens nicht alleine traurig sein.

Die Phonebank hat, je nach Stand der Kampagne, eine Aufgabe. So werden etwa eigene Parteimitglieder angerufen, um sicherzustellen, dass sie zur Urne gehen. Die Phonebank kann aber auch freiwillige Wahlhelfer kontaktieren und sie dazu motivieren, eine bestimmte Aufgabe für die Kampagne zu übernehmen. Das kann etwa Precinct Walking sein, also durch Wahlbezirke marschieren und an Türen klopfen oder sich frühmorgens am Wochenende in einen Bus zu setzen, um in einen Swing State in der Nachbarschaft zu fahren um dort wahlzukämpfen. Üblicherweise werden registrierte Wähler der eigenen Partei oder unentschiedene Wähler kontaktiert. Oft leben aber Demokraten und Republikaner zusammen, sodass man durchaus an den Falschen geraten kann.

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