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"Große, hässliche Lüge! Wahlbetrug!"

Von Thomas Seifert

Politik

Mit seinen Verschwörungstheorien nährt Donald Trump weiter das Misstrauen in die amerikanische Demokratie.


Washington/Wien. Donald Trump hat am Wochenende die Rechtmäßigkeit der US-Präsidentenwahl infrage gestellt. Das Ergebnis würde in vielen Wahllokalen manipuliert, twitterte der republikanische Präsidentschaftskandidat am Sonntag. Davor hatte Mike Pence, für Trump am Ticket für den Posten des US-Vizepräsidenten, noch versichert, die Republikaner würden das Ergebnis der Wahl am 8. November akzeptieren. "Diese Wahl wird von den verlogenen und verfälschenden Medien manipuliert, die die korrupte Hillary unterstützen - aber auch in vielen Wahllokalen", twitterte Trump und fügte hinzu: "Traurig" - in Großbuchstaben.

Mit diesen Aussagen begeht Trump den nächsten Tabu-Bruch: Er nährt öffentlich den Zweifel an der Legitimität des Wahlprozesses in den Vereinigten Staaten.

Freilich: Dies ist nicht allein das Privileg der Trumpisten in den USA - in Österreich brachte die FPÖ vor den Verfassungsgerichtshof einen Schriftsatz ein, um vor dem Richtergremium eine Wahlwiederholung zu erstreiten. Es habe eine Reihe von Unregelmäßigkeiten in einzelnen Wahllokalen gegeben, darüber hinaus sei die Möglichkeit des Wählens mit Wahlkarten insgesamt problematisch, so der FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer damals. Dem vorausgegangen waren Aussagen von FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer - da war von einer Wahlanfechtung freilich noch keine Rede -, dass bei Wahlkarten "immer ein bisschen eigenartig ausgezählt wird".

Verschwörungstheorien sind Kraftnahrung für Populisten: Die US-Nachrichtenagentur Associated Press hat erhoben, dass nur ein Drittel der befragten Republikaner in den Umfragen angaben, darauf zu vertrauen, dass ihre Stimmen fair ausgezählt werden. Laut Wahlexperten bestehe nun die Gefahr, dass die Wahlbeteiligung unter republikanischen Sympathisanten sinkt und die Legitimität des Wahlergebnisses leidet. Vergangene Woche hat Trump die Präsidentenwahlen als "große, hässliche Lüge" bezeichnet. Jon A. Husted, der für die Wahlen im umfochtenen Bundesstaat Ohio Verantwortliche, bezeichnete es im Gespräch mit der "New York Times" als "falsch" und "unverantwortlich", dass ein Kandidat die Integrität des Wahlprozesses anzweifelt, ohne dafür Belege zu liefern. Husted - er ist Republikaner - wird mit den Worten zitiert, dass er keinen Grund sieht, das Wahlresultat nach der Wahl zu bestätigen: "Wir haben es einfach gemacht, zu wählen, und schwer gemacht, zu schwindeln und zu betrügen", sagt Husted.

Wahlbetrug durch Republikaner?

Dazu kommt, dass die Wahlen in den wichtigsten umfochtenen Bundesstaaten von republikanischen Gouverneuren und den Verwaltungen republikanisch dominierten Bundesstaaten überwacht werden. In vielen der umkämpften Swing States wie in Ohio, Florida, North Carolina oder Arizona haben die Republikaner das Sagen - dass sie Wahlbetrug zugunsten der Demokratin Hillary Clinton unterstützen würden, ist - vorsichtig ausgedrückt - hochgradig unwahrscheinlich.

Trump fordert seine Anhänger auf, als Amateur-"Wahlbeobachter" zu fungieren, die überprüfen sollen, ob alles mit rechten Dingen zugeht. Doch wo verläuft die Grenze zwischen Wahlbeobachtung und versuchtem Mobbing und Einschüchterung von Wahlhelfern und Wählern?

Die Polit-Webseite "Politico" berichtet, dass Präsident Barack Obama, Hillary Clinton sowie führende Senatoren und Abgeordnete im Kapitol sich ernste Sorgen über die Periode nach der Wahl am 8. November machen: Einerseits befürchten sie weiteren Schaden durch die "Kamikaze-Mission, mit der Trump Clinton mit sich reißen will, und die Wutanfälle eines Mannes, der noch nie auf diese Weise und in dieser Intensität in Verlegenheit gebracht wurde". Trump mache die Demokratie zum Kollateralschaden für sein Ego, wird der demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus für den Staat New York, Steve Israel, in "Politico" zitiert.

Die Geister, die Trump ruft

Zu dieser Sorge gesellt sich noch eine zweite, noch ernstere Befürchtung: Was passiert, wenn seine Anhänger zur Gewalt gegen Muslime, Latinos oder eine andere Gruppe, die Trump während seiner Wahlkampagne zur Zielscheibe seiner Rhetorik erkoren hat, greifen?

Und was, so "Politico" weiter, wenn Trump nach einer verlorenen Wahl seine Wahlbetrug-Vorwürfe weiter verbreitet, sei es via Twitter oder in Fernsehsendungen, und so den ganzen Wahlprozess in Zweifel zieht?

Die meisten politischen Beobachter sind sich darüber einig, dass im Falle eines Wahlsieges der Demokratin Hillary Clinton der Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan und der Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell die Legitimität der Wahl bestätigen müssten. Denn nur Republikaner - am besten solche, die von Trump-Wählern nicht als Teil des "Establishments" gesehen werden - könnten dafür sorgen, dass die Gräben nach einer Wahl rasch zugeschüttet werden. Es gehört zu den Ritualen bei US-Präsidentschaftswahlen, dass der Verlierer oder (2017 möglicherweise erstmals die Verliererin) beim Bekanntwerden der Wahlergebnisse den zukünftigen Präsidenten anruft, um die eigene Wahlniederlage einzuräumen und dem erfolgreichen Präsidentschaftskandidaten viel Erfolg zu wünschen. Offenbar befürchten nicht nur Demokraten, dass Trump mit dieser lange eingeübten Tradition brechen könnte: Ari Fleischer, der frühere Pressesprecher von US-Präsident George W. Bush, sagte gegenüber "Politico": "Wenn Trump nie anruft, um seine Niederlage einzugestehen, dann wird er als peinlichster der peinlichen Verlierer in die Geschichte eingehen. Wenn Trump aber verliert und den Wahlausgang bekämpft, dann werden viele seiner Anhänger die Legitimität unserer amerikanischen Regierung anzweifeln. Das ist destruktiv und korrosiv."

Trumps engste Vertraute stehen dem New Yorker Immobilien-Tycoon und Reality-Show-Star auch jetzt bei: Newt Gingrich, der frühere Sprecher des Repräsentantenhauses, und Rudolph W. Giuliani, der frühere Bürgermeister von New York, beschuldigten die Demokraten in Fernsehauftritten am Wochenende, bei Wahlen zu schwindeln - beispielsweise, indem sie die Stimmen verstorbener Zählen würden. Der Senator Jeff Sessions aus dem Bundesstaat Alabama und einer der wichtigsten Unterstützer Trumps im US-Kongress warnte mit deutlichen Worten davor, dass die Demokraten versuchen würden, die Wahl zu manipulieren.

Der Stimmung im Wahlkampf heizt sich unterdessen immer mehr auf: Bei einer Wahlkampf-Veranstaltung von Donald Trump im Bundesstaat North Carolina haben einzelne Trump-Fans Gegendemonstranten physisch angegriffen. Im US-Bundesstaat Virginia sind nach Angaben des US-Senders CBS Trump-Unterstützer in Charlottesville mit demonstrativ offen zur Schau gestellten Feuerwaffen vor einem Büro eines demokratischen Kongressabgeordneten aufmarschiert.

Am Wochenende ist wiederum ein Parteibüro der Republikaner im Bundesstaat North Carolin mit Farbe besprüht und in Brand gesteckt worden. Trumps Reaktion auf Twitter: "Das war das Werk von Bestien, die Hillary Clinton und die Demokraten in North Carolina repräsentieren."

Trumps Zukunft: Polit-Show?

Gleichzeitig arbeitet Donald Trump offenbar bereits an seiner politischen Zukunft nach den Wahlen: Donald Trumps Schwiegersohn, Jared Kushner, soll nach Angaben der Londoner "Financial Times" Aryeh Bourkoff, den Boss der Firma "LionTree Advisors", getroffen haben, um über ein mögliches "Trump TV" zu verhandeln. Vergangenes Monat hat Trump noch gegenüber der "Washington Post" angegeben, er habe kein Interesse an einem Fernsehkanal, es würden "falsche Gerüchte" verbreitet.

Die "Wiener Zeitung" hat vergangene Woche zuletzt über Trumps Fernsehambitionen berichtet. Den Gerüchten zufolge geht es darum, dass Trump aus seiner Bekanntheit Profit schlagen wolle, zudem soll ihm der Fernsehsender als Plattform für weitere politische Ambitionen dienen.