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Erdogans Eingeständnis

Von WZ-Korrespondent Frank Nordhausen

Politik

Türkischer Präsident entzieht Dschihadisten in Aleppo Unterstützung und macht damit Kontakt offiziell.


Istanbul/Aleppo/Mossul. 18 militärische Ziele im nordsyrischen Kurdengebiet nahe der umkämpften Metropole Aleppo hat die türkische Luftwaffe mittlerweile bombardiert. Die Armeeführung in Ankara erklärte laut der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, dass damit die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) getroffen und bis Donnerstagmittag 160 bis 200 YPG-Kämpfer getötet worden seien. Sollten die Zahlen zutreffen, handelt es sich um den massivsten Angriff der Türkei auf die syrischen Kurden seit Beginn des Kriegs in Syrien vor fünf Jahren.

Kurdische Quellen bestätigten zwar die Angriffe nahe dem syrischen Kurdenkanton Afrin an der türkischen Grenze, dementierten aber die hohe Zahl der Opfer. Laut der nordirakischen Nachrichtenagentur Rudaw richteten sich die Attacken gegen ein Gebiet, das den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) untersteht, einer arabisch-kurdischen Allianz unter Führung der YPG; dabei seien nicht mehr als zehn Kämpfer getötet worden. Die Opferzahlen sind unabhängig nicht zu überprüfen. In der Region hatte die SDF-Allianz in letzter Zeit an Boden gegenüber der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gewonnen.

Syrien droht mit Abschuss

Syriens Streitkräfte drohten Ankara mit dem Abschuss türkischer Militärflugzeuge. "Jeder weitere Versuch türkischer Flugzeuge, den syrischen Luftraum zu verletzen, wird dazu führen, dass sie mit allen verfügbaren Mitteln vom Himmel geholt werden", erklärte das syrische Oberkommando am Donnerstag.

Auch in Washington dürften die Bomben auf die kurdisch dominierte Allianz als Affront aufgefasst werden, da die YPG in Syrien der wichtigste Verbündete der US-geführten Koalition im Kampf gegen den IS ist. Sie umfasst rund 50.000 gut ausgebildete Männer und Frauen. Anders als Washington betrachtet Ankara die YPG und ihren politischen Arm PYD jedoch als Terrorgruppen, weil sie Ableger der kurdischen Arbeiterpartei PKK sind, die auch in der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird. Die USA hatten die Türkei und die Kurden mehrfach aufgefordert, sich nicht gegenseitig zu bekriegen, um die Anti-IS-Front nicht zu schwächen.

Die Regierung in Ankara befürchtet, dass die Kurden in Syrien einen zweiten kurdischen Quasi-Staat neben dem Nordirak errichten. Mit ihrer Militärintervention seit Ende August will die Türkei erklärtermaßen weitere kurdische Landgewinne verhindern - das dürfte auch der Grund für die aktuellen Angriffe sein.

Zuvor hatte der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin nach eigenen Angaben in einem Telefonat versprochen, für den Abzug der Fatah-al-Scham-Front - der früheren Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front - aus Aleppo zu sorgen. "Wir haben unseren Freunden die nötigen Befehle erteilt", sagte Erdogan. Mit dem Rückzug der Fatah-al-Scham-Front könne "der Frieden für die Leute in Aleppo" gesichert werden. Erdogans Äußerung markiert das Ende der türkischen Unterstützung für die Rebellen in Aleppo und kann als der erste offizielle Beleg dafür gelten, dass die islamisch-konservative türkische Regierung Beziehungen zur Nusra-Front unterhält, was sie bisher dementierte. Die dschihadistische Nusra-Front wird von den USA als Terrororganisation eingestuft und in Syrien offensiv bekämpft, ist aber die stärkste Rebellengruppe in Aleppo.

Brüchige Waffenruhe in Aleppo

In Aleppo selbst trat am Donnerstagmorgen eine elfstündige Waffenruhe in Kraft. Während dieser Zeit sollen die Menschen aus den belagerten Vierteln Ost-Aleppos über Fluchtkorridore die Stadt verlassen können. Trotz der Waffenruhe brachen aber wieder Gefechte zwischen der Armee und Rebellen aus. Wie die syrische Nachrichtenagentur Sana meldete, wollten die syrische Armee und Russland die Feuerpause bis zum Wochenende ausdehnen. Die Rebellen lehnen einen Abzug ab. Sie werfen Russland und Syrien vor, das Angebot gleiche einer Kapitulation. Inzwischen kontrolliert die Türkei mit ihren Verbündeten rund 1200 Quadratkilometer in Syrien entlang der Grenze, die zuvor der IS besetzt gehalten hatte. Ziel der Operation in Syrien ist laut Ankara eine 5000 Quadratkilometer große "von Terror gesäuberte" Sicherheitszone.

Im Kampf um die IS-Hochburg Mossul im Irak setzten die irakische Armee und ihre Verbündeten am Donnerstag ihre Offensive fort. Sie griffen mehrere Dörfer nördlich und östlich der Millionenstadt an.