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"Wir leben in Armut und wollen Veränderung"

Von Bettina Figl aus New York

Politik
Diese Frau mit Wurzeln in Puerto Rico lebt in Washington Heights.
© Figl

Sogar in New York City findet man Trump-Unterstützer.


New York. Ein Wahlhelfer steht vor einem Wahllokal in Queens und ist umringt von Menschen, die ihn mit Fragen löchern: In welcher Schlange sollen wir uns anstellen? Wie lange wird es dauern, bis man dran kommt? Ein Mann ist besonders echauffiert: "Ein anderer Wahlhelfer hat mich in die falsche Schlange geschickt, ich habe eine halbe Stunde verschwendet."

Rund 40 Minuten stehen die Menschen in Queens an, bevor sie ihre Stimme abgeben können. In New York City, wo stets alle "busy" sind, wird Wartezeit schnell zur Belastungsprobe. Die Wahlschilder sind fünfsprachig, an keinem Ort der Welt werden so viele Sprachen gesprochen wie in diesem multikulturellen Stadtteil New Yorks.

"Ich habe Hillary Clinton gewählt, denn Donald Trump denkt nicht, bevor er spricht", sagt Emanuel Sentenz, als er aus dem Wahllokal kommt. Ursprünglich ist er aus Venezuela und eilt, ganz in New Yorker Manier, schnell davon.

"Demokratie ist etwas sehr fragiles"

In einem Wahllokal in der Volksschule in Williamsburg, Brooklyn, sind die Warteschlangen kürzer. Auch hier ist man auf Mehrsprachigkeit eingestellt, doch die beiden Chinesisch-Übersetzer sind unterbeschäftigt. Mehr los ist am Keks-Stand: Der Elternverein hat Kekse in "H"-Form gebacken, die Glasur in demokratischem Blau. "Ich weiss gar nicht, ob wir das als Elternverein dürfen", sagt Rashem Mantri. Die Anwältin ist in Queens aufgewachsen, ihre Eltern sind in Indien geboren, und sie erzählt, sie habe in den vergangenen Nächten kaum geschlafen. Immerzu habe sie die New York Times-Seite mit den Umfragewerte aktualisiert. "Ich bin sehr aufgeregt und nervös. Diese Wahl hat uns gezeigt, dass Demokratie etwas sehr fragiles ist." Sie glaubt zwar, dass Hillary Clinton das Rennen machen wird, doch die unabhängigen Kandidaten verunsichern sie ein wenig.

Trump-Befürworter in Washington Heights, Manhattan 

Wer in New York City lebt und Trump wählt, sagt das lieber nicht offen - aber einige Menschen in Washington Heights in Upper Manhattan lassen eine Präferenz durchsickern: In dem Stadtteil stellen traditionell Menschen aus der Dominikanischen Republik die Mehrheit, und Juan Reynoso ist einer von ihnen. Er will nicht verraten, wen er gewählt hat, lässt aber durchblicken, dass er Trump für einen "guten Geschäftsmann" hält.

"Wir leben in Armut, und wir wollen Veränderung", sagt ein Mutter-Tochter-Paar, als es das Wahllokal verlässt. Die Mutter stammt aus Puerto Rico, ihre 30-jährige Tochter findet trotz College-Abschluss keinen Job und lebt noch zuhause. Ihre Namen und wen sie gewählt haben wollen sie nicht verraten, doch auch bei ihnen hört man eine Affinität für Donald Trump heraus: "Die Medien haben ihn als Monster dargestellt, aber er hat auch viel Gutes getan. In Coney Island hat er sehr nette Häuser für Menschen mit geringem Einkommen errichtet."

"Was? Trump-Wähler hier in Washington Heights?" fragt eine junge New Yorkerin entsetzt. "Trump hat doch von nichts Ahnung, und will sie alle aus dem Land schmeißen!" Die Sozialarbeiterin kommt gerade aus dem Gefängnis Rikers Island, wo sie mit geistig behinderten Menschen arbeitet, und erzählt: "Ich war nie ein Bernie-Girl, sondern bin von der ersten Stunde an hinter Hillary gestanden." Stolz zieht ihren Pulli hoch, um ihr "I'm with her"-Shirt zu zeigen, und sagt: "Hillary hat ihr ganzes Leben lang für die Rechte von Frauen und Familien gekämpft. Sie ist bestens vorbereitet für den Job."

Bronx: Schwenk von Trump zu Clinton 

In der Bronx spielen junge Afro-Amerikaner Basketball auf der Straße, ältere Männer sitzen am Straßenrand und spielen Kartenspiele. Der nördlichste Bezirk der Stadt ist der einzige Stadtteil, der sich auf US-amerikanischem Festland befindet. Hier wählt man man traditionell demokratisch. Doch Ruby Williams hätte beinahe Trump gewählt: "Ich mag seinen Stil und habe Trump unterstützt. Doch als diese Tonaufnahmen mit seinen Aussagen über Frauen ans Licht kamen, hat mich das umgestimmt, ich habe Hillary gewählt." Für eine 86-jährige Frau mit Obama-Kappe und Malcolm X-Buttons hat sich diese Frage nicht gestellt, sie hat Clinton gewählt.

In Tribeca in Lower Manhattan herrscht eine andere ganz Atmosphäre: Touristen pilgern zu Ground Zero, Geschäftsleute eilen mit Handy am Ohr vorbei, Gewerkschaftsmitglieder werben für Hillary Clinton. Vor einem Wahllokal steht Wahlhelferin Linda Snelham. "Es war extrem viel Andrang", sagt sie. Sie ist sich unsicher, ob sie sagen darf, wen sie gewählt hat, also sagt sie: "Ich würde mich sehr freuen, eine Frau im Präsidentschaftsamt zu sehen."