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Abtritt mit bitterer Niederlage

Von Klaus Huhold

Politik

Hillary Clinton ist erneut gescheitert. Der Kampagne der Republikaner konnte sie zu wenig eigene Strahlkraft entgegensetzen.


New York/Wien. Im Angesicht der Niederlage gab es einen großen Applaus und Standing Ovations für Hillary Clinton von ihren anwesenden Unterstützern - als sie am Mittwoch zu einer Pressekonferenz in New York erschien. Und Clinton hielt eine so bewegende Rede, wie sie im Wahlkampf oft vermisst worden war.

Zunächst einmal erwies sie sich als äußerst faire Verliererin. Das Wahlergebnis sei zwar nicht das erwünschte und schmerzhaft, sagte die demokratische Kandidatin. "Aber wir müssen es akzeptieren." Trump verdiene nun eine Chance - und sie habe ihm sogar zum Wohle des Landes eine Zusammenarbeit angeboten. Gleichzeitig beharrte sie aber auch auf den Werten, die ihr Lager - der beste Teil Amerikas, wie sie sagte - repräsentiere. Ein Land, in dem alle - egal, welcher Hautfarbe, egal, welcher sexuellen Orientierung - ihren Platz haben. "Ein Amerika, das hoffnungsvoll, inklusiv und großherzig ist."

Clinton war den Tränen nahe, zeigte sich dennoch gefasst. Sie hat im Laufe ihres politischen Lebens schon viele bittere Niederlagen erlebt: Als Gattin von Bill Clinton brachte sie ihr Projekt einer allgemeinen Krankenversicherung nicht durch. Schon vor acht Jahren scheiterte sie bei ihrem Kampf um das höchste Amt im Staat - damals in der Vorausscheidung der Demokraten gegen Barack Obama. Doch die Niederlage an diesem 8. November 2016 ist die schwerwiegendste in ihrer politischen Laufbahn.

Woran sie scheiterte, das zeigten die ersten Nachwahluntersuchungen schon an. Nicht nur spielt das Wahlsystem den Republikanern in die Hände - bei den Stimmen lieferten sich Trump und Clinton ein Kopf-an-Kopf-Rennen, doch bei den Wahlmännern lag Trump deutlich vorne. Hinzu kommt auch, dass sie bei Frauen, Schwarzen und Latinos zwar die Mehrheit hatte. Sie konnte diese Wählergruppen aber nicht so mobilisieren, wie es für einen Wahlsieg notwendig gewesen wäre. Zudem gelang es ihr offenbar überhaupt nicht, bei den weißen Globalisierungsverlierern Fuß fassen - in vielen Industrieregionen haben Arbeiter, die früher zu den Demokraten tendierten, nun Trump gewählt.

Die Fragen, die sich viele nach dem Wahltag stellen: Warum gelang es Clinton nicht, Strahlkraft zu entwickeln? Warum wurde sie ihrer Favoritenrolle nicht gerecht?

Zunächst einmal spielte gewiss der Umstand eine Rolle, dass Clinton in einem Maße, das jedes Maß überschritt, von den Republikanern angeschossen wurde. Und das nicht erst seit dem jüngsten Präsidentschaftswahlkampf. "Seit ihr Mann erstmals zum Präsidenten gewählt wurde - 1992, das ist jetzt schon eine Ewigkeit her -, haben die Republikaner auch schon in den 90er Jahren alles an Schmutz auf sie geworfen, was nur möglich war", sagte etwa der Politologe Michael Dreyer dem "Deutschlandfunk". Und Trump führte mit seiner Schamlosigkeit dieses schmutzige Kampagnisieren zur Meisterschaft. Ob wahr oder gelogen spielte für den Republikaner noch viel weniger eine Rolle als für andere Politiker.

Trommelfeuer an Vorwürfen

Er beschoss Clinton fortwährend mit einem Trommelfeuer an Vorwürfen, wobei immer wieder dieselben Assoziationen geweckt wurden: "Establishment, korrupt, kriminell." Trump spielte dabei freilich auch die E-Mail-Affäre in die Hände: Clinton hatte regelwidrig ihren privaten Server für dienstliche Mails genutzt. Dass der Direktor der Bundespolizei FBI, James Comey kurz vor Wahlkampfende die Wiederaufnahme der Untersuchungen zu der Mail-Affäre ankündigte, war ein weiteres Geschenk für Trump.

Clinton ist aber nicht nur aufgrund der Untergriffe und Anwürfe ihrer Gegner gescheitert, sondern auch an eigenen Unzulänglichkeiten und Mängeln. So warfen ihr Kommentatoren vor, dass sie bei der E-Mail-Affäre nicht offen genug agiert habe, immer nur das zugegen habe, was sich nicht mehr verheimlichen ließ. Dass Clinton für drei Reden bei Goldman Sachs (die schließlich von Wikileaks veröffentlicht wurden) 675.000 Dollar von der Großbank erhielt, machte sie dann auch noch zur Kandidatin der Wall Street. Noch schwerer wog aber der Umstand, dass sie seit Jahrzehnten in der Politik mitmischt. Damit passte sie genau in das, was Trump als "Establishment" brandmarkte - und auf das so viele Amerikaner offenbar eine Wut haben.

Das Team von Clinton fand keine Strategie, hier zumindest für einen Ausgleich zu sorgen - deutlich darauf hinzuweisen, dass Trump bei seinen Geschäften sein Leben lang von seinem Netzwerk zu Politikern profitiert hat und seinen Wahlkampf unter anderem von Hedgefonds-Managern finanzieren ließ. Stattdessen versuchte Clinton, bei den Wählern mit ihrer Erfahrung zu punkten. Doch das verfing offenbar zu wenig in einer Zeit, in der der Hass auf das System bei vielen Amerikanern so gewaltig war, dass viele Bürger lieber einen radikalen Bruch anstatt Kontinuität wollten.

Darüber hinaus entfachte sie wenig Begeisterung - die mitreißendsten Reden in ihrem Wahlkampf kamen von Michelle und Barack Obama - und kein einladendes Bild von der Zukunft. Trump gelang es mit seinem Wahlslogan "Make America Great Again", einen nostalgischen Sehnsuchtsort der Prosperität zu erschaffen (den es freilich so nie gab). Clintons Motto "Stronger Together" wurde mit viel weniger Leben gefüllt.

Trump gab Takt vor

"Wir haben die Glasdecke nicht zertrümmern können", sagte sie bei der Pressekonferenz mit Blick auf ihr Ziel, erste Präsidentin der USA zu werden. "Aber irgendwann wird es jemand schaffen, hoffentlich früher als später." Dass Clinton das erste weibliche Staatsoberhaupt der USA hätte werden können, war im Wahlkampf aber stark in den Hintergrund getreten. Trump, dem mit jedem verbalen Ausritt die geballte Medienaufmerksamkeit sicher war, nagelte sie im "Establishment"-Eck fest - und Clinton gelang es nicht, sich daraus zu befreien.

Wie es nun mit ihr weitergeht, ist offen. Eine hohe Position in der US-Politik wird ihr in absehbarer Zeit nicht winken. Vielleicht geht sie in den Ruhestand - immerhin ist Hillary Clinton 69 Jahre alt. Vielleicht erhält sie auch in einer internationalen Organisation ein hochrangiges Amt. Vielleicht erwartet sie aber noch viel Ungemach - Trump gab sich zwar versöhnlich, Stimmen aus seinem Team schlossen aber Sonderermittlungen gegen die ehemalige Außenministerin wegen der E-Mail-Affäre nicht aus. Jedenfalls kann die ehrgeizige - und von Mitarbeitern als intelligent, diszipliniert und fachkundig beschriebene - Politikerin auf eine Karriere blicken, in der sie ihr Weg hoch hinaus geführt hat. In der sie aber kurz vor dem Gipfel gescheitert ist.