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Recht auf Abtreibung wackelt unter Trump

Von Alexander Dworzak

Politik

Der künftige Präsident wird mindestens einen Richter des Obersten Gerichtshofs nominieren - und konservative Weichenstellungen vornehmen.


Washington/Wien. Zwei Amtszeiten, acht Jahre Präsidentschaft. Mehr ist nicht möglich für ein US-Staatsoberhaupt. In dieser Zeit fällt der Mann im Weißen Haus - nach Hillary Clintons Desaster bleibt es bei dieser Sprachregelung - jedoch Entscheidungen, die über Jahrzehnte Auswirkungen haben. Zu den wichtigsten dabei zählt die Nominierung von Höchstrichtern, den Mitgliedern des Supreme Court. Im Durchschnitt amtieren dessen Richter knapp 16 Jahre. William Douglas kam gar auf 36 Jahre und 7 Monate (1939 bis 1975).

Mit Donald Trumps Sieg macht sich für die Republikaner bezahlt, dass sie im Februar mit der Tradition gebrochen haben. Damals ist Antonin Scalia bei einem Jagdausflug eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht. Der 79-Jährige war Teil des neunköpfigen Gremiums. Von Ronald Reagan 1986 zum Höchstrichter vorgeschlagen, gehörte Scalia zum konservativen Kern, unter anderem befürwortete er die Todesstrafe und war ein strammer Gegner der Abtreibung. Barack Obama war also am Zug, einen neuen Richter für den Supreme Court zu nominieren. Doch die Republikaner blockten entgegen den Usancen ab, wollten eine Ernennung vor der Präsidentenwahl unbedingt verhindern.

Ab Jänner sitzt Trump im Oval Office. Dann wird es dem neuen Präsidenten nicht schnell genug gehen können, seinen neuen Kandidaten zu präsentieren. Alles, was er zur Bestätigung des Richters braucht, ist eine einfache Mehrheit des Senats. In der zweiten Kammer halten die Republikaner mit 54 von 100 Mandataren die Mehrheit. Ganz nach Belieben kann Trump dennoch nicht handeln. Den Demokraten bleibt noch, durch Dauerreden, dem sogenannten Filibuster, eine Abstimmung zu verhindern.

Derweil spiegeln die verbliebenen acht Mitglieder des Supreme Court das Bild des geteilten Landes wider. Vier von ihnen wurden unter den Republikanern Ronald Reagan, George Bush und George W. Bush nominiert. Die anderen vier unter den Demokraten Bill Clinton und Barack Obama. Die neunte Stimme hat daher besonderes Gewicht. Hätte Obama seinen Kandidaten durchgebracht, wäre der Supreme Court zum ersten Mal seit Jahrzehnten demokratisch dominiert gewesen - auch wenn die Richter nicht mit Parteisoldaten verwechselt werden dürfen und es sich nicht um fixe Blöcke handelt. Zwar stimmen Chief Justice John Roberts, Clarence Thomas und Samuel Alito zumeist gemeinsam für konservative Positionen. Der vierte von einem Republikaner nominierte Richter, Anthony Kennedy, ist als Zentrist aber ein aus Sicht der Partei unzuverlässiger Kantonist. Auf demokratischer Seite tendiert Stephen Breyer ebenfalls zur Mitte, während Ruth Bader Ginsburg, Sonia Sotomayor und Elena Kagan prononcierte Liberale sind.

Drei Richter über 78 Jahre alt

Im Wahlkampf legte Trump eine Liste mit 21 potenziellen Kandidaten für den vakanten Platz vor. Dabei handle es sich zumeist um "überzeugte Konservative", darunter die beiden Berufungsrichter Diane Sykes und William Pryor, urteilte Erwin Chemerinsky, Dekan der Irvine School of Law an der University of California in der "LA Times". Trumps Parteifeind Ted Cruz nahm die Liste der 21 zum Anlass, letztlich doch eine Wahlempfehlung für "The Donald" auszusprechen.

Das Kräfteverhältnis könnte in nicht allzu ferner Zukunft aber noch mehr zugunsten der Konservativen kippen. Auf demokratischer Seite haben mit dem 78-jährigen Breyer und der bereits 83-jährigen Ginsburg gleich zwei Richter das durchschnittliche Pensionsalter von 78 Jahren erreicht beziehungsweise weit überschritten; ernannt sind sie auf Lebenszeit. Und der republikanische Zentrist Kennedy ist 80 Jahre alt.

Diese Altersstruktur gibt Trump und den Republikanern die Chance, bei einem baldigen Generationenwechsel den Supreme Court auf Jahrzehnte zu ihren Gunsten zu gestalten. Umstrittene Politikfelder könnten dann wieder neu aufgerollt werden, allen voran Abtreibung. Zu dem Thema äußerte sich Trump im Wahlkampf mehrfach. Im März sorgte sein Satz für Aufruhr, Abtreibungen sollten illegal sein und Frauen sowie Ärzte "irgendwie" bestraft werden. Im Oktober meinte er, "Roe versus Wade" werde "automatisch" gekippt, sollte er Präsident werden. Mit diesem bahnbrechenden Urteil aus dem Jahr 1973 wurde der Schwangerschaftsabbruch unter das Recht der Privatsphäre gestellt und der Kompetenz der Bundesstaaten entrissen. Mithilfe eines neuen Urteils eines konservativ dominierten Supreme Court könnte die Materie wieder an die Bundesstaaten zurückwandern. Die Gruppe der Richter Roberts, Thomas und Alito benötige dafür nur zwei Verbündete, warnt Dekan Chemerinsky. Abtreibung würde ihm zufolge danach schnell in der Hälfte der Bundesstaaten für illegal erklärt werden.