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Treulosigkeit als Waffe gegen Trump

Von Konstanze Walther

Politik

Ob Donald Trump wirklich US-Präsident wird, hängt von den Stimmen des Wahl-Kollegiums ab.


Washington/Wien. Letztlich sind sie es, die entscheiden, wer in das US-Präsidentschaftsamt gewählt wird. Am Montag haben 538 Wahlmänner und -frauen in den jeweiligen Hauptstädten ihres Bundesstaates ihre Stimme - verbrieft und versiegelt - abgegeben. Geöffnet werden diese Umschläge erst am 6. Jänner.

Ist die Wahl zum US-Präsidenten nicht schon längst geschlagen worden? In gewisser Weise schon: Am 8. November hat Donald Trump schließlich einen - für viele überraschenden - Sieg errungen. In den darauffolgenden Wochen kristallisierte sich heraus, dass Trump in 30 US-Bundesstaaten eine Mehrheit eingefahren hatte. Das wiederum ergibt das Äquivalent von 306 Wahlleuten, die von diesen Staaten vergeben werden. Allerdings hätte Trump die Wahl verloren, wenn es ein Verhältniswahlrecht in den USA gäbe. Der Immobilientycoon hat hier - gemessen der abgegebenen Einzelstimmen - das drittschlechteste Ergebnis in allen 58 US-Präsidentschaftswahlen erzielt. Unrühmlicher als Trump hatten sich nur Rutherford B. Hayes und John Quincy Adams geschlagen - und zwar beide noch im 19. Jahrhundert.

Angesichts des unorthodoxen Neo-Politikers und der Tatsache, dass seine Gegnerin Hillary Clinton landesweit rund 2,5 Millionen Stimmen mehr hatte, ist es kaum verwunderlich, dass das Wahlleute-Kollegium in den vergangenen Tagen mit Briefen und öffentlichen Aufrufen bestürmt wurde, doch "nach dem Gewissen" zu wählen. Sprich: Alles außer Trump.

Theoretisch wäre das möglich: In nur 29 der 50 Staaten sowie im Bezirk der Hauptstadt Washington wird durch Gesetze vorgeschrieben, dass sich die Wahlleute an das Wahlergebnis zu halten haben. Die Strafen fallen allerdings meist äußerst milde aus. In den restlichen Bundesstaaten kann das Wahl-Kollegium machen, was es will. Sollten die Wahlleute anders wählen, als der Staat gestimmt hat, bekommen sie lediglich das Etikett "treulos".

"Die Verfassung sagt nur, dass sich die Wahlleute in ihren Staaten treffen und dann mittels Wahlzettel ihre Stimme abgeben sollen", schreibt etwa der Verfassungsjurist David Pozen von der renommierten Columbia Law Universität in der "New York Times". Es gäbe Hinweise, meint Pozen, dass die Verfassungsväter das "unabhängige Urteil der Wahlleute als eine Kontrollinstanz gegen populistische Leidenschaften" gesehen haben. Einer der sogenannten Gründerväter der USA, Alexander Hamilton, zuletzt eher bekannt durch den gleichnamigen Musical-Erfolg, schrieb etwa, dass das Wahlleute-Kollegium es erlaube, dass die Präsidentschaft von Männern entschieden werde, die fähig seien, die für die Position notwendigen Qualitäten zu analysieren.

Die Ein-Mann-Verfassungskrise

Pozen erinnert auch daran, dass für viele Trump nicht nur einfach der populistische Schwindler sei, der von Hamilton befürchtet worden ist, sondern eine "Ein-Mann-Verfassungskrise", der Nationalisten in das Weiße Haus holt und seine Geschäftsinteressen mit jenen des Landes mindestens gleichsetzt. Viele Bürger "haben Angst, dass er existierende Institutionen verwendet, um unsere liberale Demokratie zerstört, so wie es Autokraten im Ausland gemacht haben".

Dass Trump die Mehrheit im Electoral College verfehlt, bleibt höchst unwahrscheinlich. Dafür müssten mindestens 37 der ihm zugeschriebenen Mitglieder ihm die Unterstützung entziehen. Bisher hat aber nur ein einzelner Republikaner im Wahlkollegium angekündigt, nicht für Trump zu stimmen. Christopher Suprun aus Texas sieht sich seither einer Flut von Beschimpfungen und Drohungen ausgesetzt.