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Putin als Trumps Trumpf im China-Spiel

Von Thomas Seifert

Politik

Trump kehrt die Politik Nixons um: Statt mit China gegen Russland nun mit Russland gegen China.


Washington/Peking. Die Präsidentenmaschine mit Richard Nixon an Bord landete am Montag, den 21. Februar 1972 um 11.30 Uhr am Zivilflughafen in Peking. Es war ein kalter, grauer Wintertag, am Flughafen hingen an diesem windstillen Tag zwei Fahnen schlapp an den Fahnenmasten: Stars-and-Stripes sowie die Rote Fahne der Volksrepublik.

An diesem Tag wurde Geschichte geschrieben, die Landung Nixons war die Krönung einer Politik der Triangulation, die Nixons nationaler Sicherheitsberater Henry Kissinger, der Hohepriester der Realpolitik, erschaffen hatte.

Kissinger war im Juni 1971 in aller Heimlichkeit nach China gereist, um den Besuch vorzubereiten, sein Ziel war die Triangulation: Eine Annäherung an (das damals noch schwache) China würde die Sowjetunion massiv unter Druck setzen, auf einen D’entente-Kurs einzuschwenken. Der Weg für die UN-Mitgliedschaft der Volksrepublik China war damit frei, Taiwan, das bis dahin China offiziell bei den Vereinten Nationen vertreten hatte, flog aus dem Gremium. Das Manöver gelang, der Ostblock war nun gespalten: Nur wenige Monate, nachdem die Bilder von Richard Nixons Begegnung mit Mao Zedong um die Welt gegangen waren, reiste Nixon im Mai 1972 zu Leonid Breschnew nach Moskau, um das Wettrüsten zu begrenzen. Die Annäherung zwischen Washington und Peking ging auf Kosten der Beziehungen zwischen China und der Sowjetunion.

Der designierte US-Präsident Donald Trump droht nun diese Politik der vergangenen Jahrzehnte umzukehren: Trump hat im Wahlkampf immer wieder mit heftiger Kritik an China Aufsehen erregt. Erst in dieser Woche hat er den scharfen China-Kritiker Peter Navarro, Professor für Ökonomie an der Paul Merage School of Business der University of California in Irvine zum Chef des Nationalen Handelsrats des Weißen Hauses gemacht - ein Posten, der eigens für den Freihandelsgegner Navarro geschaffen wurde.

Navarro ist 2011 mit dem Buch und Dokumentarfilm "Death by China - Tod durch China" aufgefallen, in seinem Buch "Crouching Tiger" beschwört Navarro die Gefahr eines Krieges zwischen den USA und China. Der 67-jährige Navarro macht das Reich der Mitte für den wirtschaftlichen Abstieg Amerikas verantwortlich, Chinas Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO im Jahr 2001 sei der Grund dafür, dass das Wirtschaftswachstum in den USA seither von durchschnittlich 3,4 Prozent in den 15 Jahren vor dem Beitritt auf durchschnittlich 1,8 Prozent seither eingebrochen ist.

Peking ist alarmiert. Die unter der Schirmherrschaft der Renmin Ribao, des Organs der Kommunistischen Partei China, erscheinende englischsprachige Tageszeitung "Global Times" schrieb in einem Kommentar: "Dass Trump Navarro mit einem wichtigen Posten betraut hat, ist absolut kein positives Signal. China muss sich nun der Realität stellen, dass das Trump-Team eine harte Linie gegenüber China fährt, muss alle Illusionen aufgeben und sich auf mögliche offensive Schritte der Trump-Regierung vorbereiten."

Revers-Triangulation?

Was Trump nun betreibt, lässt sich als Umkehrung der Nixon-Triangulation beschreiben: Diesmal ist der Nachfolgestaat der Sowjetunion, Russland, der schwächere Staat. Indem Trump die Beziehungen zu Moskau verbessert, hofft er, Druck auf Peking ausüben zu können. Während Nixon die China-Karte im Poker mit den Sowjets gezückt hatte, glaubt Trump nun, Russland sei sein Trumpf im Spiel gegen China.

Doch das Risiko, dass die Strategie nach hinten losgeht, ist beträchtlich. Russlands weltweiter Einfluss war in den 1970er Jahren auf Warschauer Pakt, Comecon und eine Handvoll weiterer Vasallenstaaten beschränkt, während das heutige China ins politische und wirtschaftliche Weltsystem voll integriert ist. Die Beziehungen zwischen Russland und China waren in den 1970er Jahren von Rivalitäten geprägt: Schon während der Ära von Josef Stalin gab es beträchtliche Rivalitäten zwischen Peking und Moskau, die unter Leonid Breschnew eskalierten: 1969 kam es zu Gefechten an der Grenze zwischen beiden Ländern, China und die Sowjetunion verfolgten in Nordkorea und Vietnam unterschiedliche Interessen. Diese Kluft und das Ringen zwischen der Volksrepublik und der UdSSR darum, wer denn nun die reine und wahre Lehre des Kommunismus umsetzt, konnten Nixon und Kissinger in den 1970er Jahren nutzen.

Davon kann heute keine Rede mehr sein. Peking hat heute ein sehr pragmatisches Verhältnis zu Moskau, beide Volkswirtschaften sind komplementär: Während China in den vergangenen Jahren zu einem Industrie-Giganten herangewachsen ist, hat Russland von China dringend benötigte Rohstoffe und Energie anzubieten. Beide Volkswirtschaften kommen sich also nicht ins Gehege. Und während China in den 1970er Jahren der Sowjetunion auf allen Ebenen unterlegen war, kann der chinesische Präsident Xi Jinping heute seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin voller Selbstbewusstsein gegenübertreten. China ist - gemessen an Kaufkraftparitäten - heute die größte Wirtschaftsmacht der Welt. Nixon konnte sich in den 1970er Jahren darauf verlassen, dass die westlichen Verbündeten der von den USA vorgegebenen Linie vis-à-vis der Sowjetunion folgen. Sollte Trump gegenüber dem Reich der Mitte eine feindselige Politik verfolgen und insgesamt einen protektionistischen, isolationistischen Kurs einschlagen wollen, dann muss Washington damit rechnen, dass wichtige Verbündete dieses Spiel nicht mitspielen: Den Ländern Europas, Südkorea, Indonesien, Australien - ihnen allen ist an guten Beziehungen zu Peking gelegen. Amerika muss im Falle eines isolationistischen und protektionistischen Kurses befürchten, dass neue Allianzen entstehen und das Land, das bisher einen beträchtlichen Vorteil daraus gezogen hat, Dreh- und Angelpunkt der Weltwirtschaft zu sein, riskiert mit einem derartigen Kurs seine Stellung im Weltsystem.

Xi ist nicht Breschnew

Dazu kommt, dass Xi Jinpings China nicht Leonid Breschnews UdSSR ist: Breschnew hatte damals Interesse, mit dem Westen ins Geschäft zu kommen. Xi könnte auf eine feindselige Politik Trumps mit feindseligen Gegenmaßnahmen reagieren. China hat sich in den vergangenen Jahren als konstruktiver Player der internationalen Politik erwiesen - sei es in der Klima-Politik, in Nahost und vor allem, wenn es um Nordkorea ging.

Xi Jinping wird nicht entgangen sein, wie Wladimir Putin seine Rolle als internationaler Störenfried in taktische Siege und strategische Vorteile für Russland ummünzen konnte.

Sollte sich Xi Jinping als Antwort auf Donald Trumps konfrontative Haltung dazu entscheiden, Putins Weg einzuschlagen, dann kann man nicht anders als voller Sorge ins Jahr 2017 zu blicken.