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Tokio zwischen sanfter Diplomatie und harschen Worten

Von WZ-Korrespondentin Sonja Blaschke

Politik

Seit der Wahl Trumps zum Präsidenten war Japan bei allem zur Schau getragenen Optimismus besorgt über die Beziehung zum wichtigsten Partner USA. Nun hat Trump noch das Prestigeprojekt TPP aufgekündigt.


Tokio. Aus japanischer Sicht hätte die Amtszeit von Donald J. Trump als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika kaum dramatischer beginnen können. Als eine seiner ersten Amtshandlungen kündigte Trump am Montag das Abkommen über die Transpazifische Partnerschaft (TPP) auf.

Die multinationale Übereinkunft von insgesamt zwölf Staaten, darunter Amerika, Japan, Kanada und Australien, hätte 40 Prozent der Weltwirtschaft umfasst. Japans Regierungschef Shinzo Abe hatte dafür viel politisches Kapital in die Waagschale geworfen und die starke Landwirtschaftslobby übergangen.

Trotz des Paukenschlags betonte Abe, dass er sich weiter um Trumps "Verständnis über die wirtschaftliche und strategische Bedeutung des TPP" bemühen wolle. Er werde "so bald wie möglich" ein Gipfeltreffen mit Trump abhalten. Man wolle Trump zum Umdenken bewegen.

Auch auf sicherheitspolitischer Ebene ist die ostasiatische Nation nun besorgt: Wusste sich Japan bisher sicher unter dem Schutzschild Amerikas, wird sich nun zeigen, wie sich die seit 1960 bestehende und unter Präsident Barack Obama zuletzt erstarkte Sicherheitsallianz weiterentwickelt. In deren Rahmen sind zehntausende amerikanische Soldaten in Japan stationiert - bewusst strategisch nah an der Volksrepublik China sowie an Nordkorea.

Trump zeigte, anders als sein Vorgänger, jedoch bisher wenig Interesse an Asien. Um die Wichtigkeit der bilateralen Partnerschaft zu unterstreichen, war Abe als erster ausländischer Staatschef wenige Tage nach der Wahl nach New York gereist, um den designierten Präsidenten zu treffen. Er überging dabei Kritik der Regierung von Barack Obama an diesem Vorgehen. Abe gab sich nach dem Treffen im luxuriösen Trump Tower betont zuversichtlich, in Trump einen vertrauenswürdigen Partner zu haben.

Nun dürfte "unsicher" eines der am häufigsten verwendeten Wörter in Bezug auf die neue Trump-Regierung sein. In Japan reichen die Einschätzungen vom amüsierten Beobachten über Mahnungen zum besonnenen Abwarten bis hin zur Furcht vor einer "Scheidung" der beiden Partner.

Die japanische Regierung sei bemüht, sich "vorsichtig optimistisch" zu zeigen, sagte der Japankenner und Politikprofessor Gerald Curtis auf einer Pressekonferenz kurz nach der US-Wahl. Doch darunter sei sie "zutiefst verängstigt und unsicher darüber, was Trump tun wird". Damit ist Japan nicht allein. "Asien war schon mehr als genug von Unsicherheiten geprägt, bevor Donald Trump gewählt wurde. Nun hat Trump diese noch einmal auf erhebliche Weise verstärkt", sagte Curtis in Anspielung etwa auf territoriale Dispute und nicht aufgearbeitete historische Schuld in der Region.

Doch höher auf der Agenda als geostrategische Überlegungen steht beim eingefleischten Geschäftsmann Trump die Wirtschaftspolitik. Das machte schon die Eile klar, die er an den Tag legte, Amerikas Mitgliedschaft im TPP aufzukündigen.

TPP ohne die USA "bedeutungslos"

Ohne die USA sei das TPP "bedeutungslos", sagte der japanische Regierungssprecher Koichi Hagiuda. Tokio habe nicht vor, das Abkommen neu zu verhandeln, fügte er hinzu. Auch der australische Premier Malcolm Turnbull äußerte die Hoffnung, dass sich die Trump-Regierung umstimmen lässt. "Vielleicht ändert sich die US-Politik mit der Zeit wieder, wie das bei anderen Handelsabkommen der Fall war", sagte der konservative Regierungschef.

Hatte sich Trump beim ersten Treffen mit Abe nach harschen Äußerungen über Japan im Wahlkampf versöhnlich gegeben, war davon kurz nach dem Amtsantritt wenig zu spüren. Trump warf Japan und China vor, Handel auf eine Weise zu betreiben, die er als "nicht fair" gegenüber amerikanischen Firmen bezeichnete, vor allem beim Autohandel.

Tokio wies dies zurück: "Japan erhebt keine Einfuhrzölle auf amerikanische Automobile", sagte der japanische Handelsminister Hiroshige Seko. Diese würden wie japanische behandelt.

Japan solle "zurückstoßen", wenn Trump Fehler mache

Koichi Hamada, emeritierter Wirtschaftsprofessor der amerikanischen Elite-Universität Yale und einer der wichtigsten Berater Abes, ruft Japan zu mehr Selbstbewusstsein auf. Japan solle "zurückstoßen", wenn Trump Fehler mache. "Es droht Gefahr, falls er seine Entscheidungen auf falschen Berechnungen basiert, ohne auf gute Berater zu hören, und er denkt, dass er nationale wirtschaftliche Angelegenheiten wie seine Immobilienfirma managen kann", sagte Hamada im Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Er spielte damit auf Trumps Ankündigungen protektionistischer Maßnahmen an. Dabei schien Trump zunächst Japan als Wirtschaftspartner sehr wohlgesonnen. Dazu beigetragen hatte auch eine Ankündigung des japanischen Milliardärs Masayoshi Son, Gründer der Telekommunikations- und Internetfirma SoftBank: "Wir werden 50 Milliarden US-Dollar in den USA investieren und so 50.000 Stellen schaffen", sagte Son beim Treffen mit Trump Anfang Dezember. Trump nahm diese Großinvestition stolz für sich in Anspruch. Details blieben beide Parteien bisher schuldig.

Trump wisse vermutlich nicht, dass japanische Firmen 900.000 Jobs in Amerika schafften, sagte Fumiaki Kubo, Professor an der Universität Tokio vor Journalisten in Tokio. Der neue amerikanische Präsident scheine in einer eindimensionalen Welt zu leben. "Es geht nur um Handel, darum, wer Geld macht oder verliert, und wer mehr Geld verdient als andere." Über Themen wie Menschenrechte etwa habe er Trump, der die internationale Politik rein unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu sehen scheine, nie reden hören. Trump wisse anscheinend auch nicht, sagt Kubo, dass Japan 75 Prozent der Kosten für die amerikanischen Militärbasen auf japanischem Gebiet selbst schultere und seit einem neuen Sicherheitsgesetz unter bestimmten Umständen amerikanischen Soldaten mit Waffen zu Hilfe kommen können.

Trump hatte in seiner Amtseinsetzungsrede gesagt, dass Amerika die Armeen anderer Länder auf Kosten des eigenen Militärs finanziell unterstützte - und dass dies ein Ende haben müsse. Was Anklänge einer Aufkündigung der bilateralen Sicherheitsallianz hatte, relativierten Worte des frisch als Außenminister bestätigten Rex Tillerson. Dieser hatte Anfang des Monats bekräftigt, dass Amerika Japan beistehen würde, falls China versuchte, sich die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer einzuverleiben, die unter japanischer Kontrolle stehen. Hunderte Male hatte Japan in den vergangenen Jahren Kampfjets losgeschickt, weil Chinas Schiffe in die Nähe der Inseln auftauchten.

Auch bezüglich des Südchinesischen Meeres hat China etwa erst am Dienstag seine Gebietsansprüche bekräftigt und die neue US-Regierung zu Zurückhaltung in dem Konflikt aufgefordert. Die Volksrepublik habe die "unwiderlegbare Hoheitsgewalt" über die Spratly Inseln, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking am Dienstag.

"Eines ist sicher", sagte der Politik-Experte Curtis, "Japan wird unter Druck kommen, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen". Aber das wäre auch unter Hillary Clinton so gekommen. Er glaube jedoch nicht, dass die bilaterale Allianz in ernsthafter Gefahr sei. Dafür sei in Amerika die Macht von Institutionen wie dem Pentagon zu groß. Premierminister Abe komme die Forderung Trumps sogar entgegen, sagte Curtis. Abe arbeitet seit Jahren darauf hin, die Rolle der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte zu stärken.

Toshihiro Nakayama, Professor für amerikanische Politik an der Tokioter Keio Universität, vergleicht Trumps Sicht auf die Dinge mit dem des Paten, in Anspielung auf die Mafia-Filme von Francis Ford Coppola. "Er interessiert sich dafür, wer der Boss ist", sagte Nakayama, etwa im Hinblick auf mächtige Regierungschefs wie Wladimir Putin in Russland oder Xi Jinping in China. "Ich denke, es ist wichtig, Herrn Trump davon zu überzeugen, dass Abe eine starke Führungsperson ist, die starke Unterstützung durch das japanische Volk genießt und mit der man Geschäfte machen kann." Deshalb müsse Abe so bald wie möglich Trump klarmachen, dass Japan Amerikas wichtigster Partner in der Region ist. Derzeit soll Anfang Februar für ein Gipfeltreffen von Abe und Trump im Gespräch sein.