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Kampf dem Abtreibungsrecht

Von Alexander Dworzak

Politik

US-Präsident Trump schlägt Kandidaten für den vakanten Posten im Obersten Gerichtshof vor.


Washington/Wien. Donald Trump geht es derzeit nicht schnell genug, um die nächste Kontroverse zu eröffnen. Nur wenige Tage nach Erlass des Dekrets über das Einreiseverbot aus mehrheitlich von Muslimen bewohnten Ländern kündigte der US-Präsident vorzeitig an, dass er einen Kandidaten für den vakanten Posten am Supreme Court gefunden habe. Es werde eine Person sein, die "unglaublich hoch respektiert wird", erklärte Trump im Vorfeld. Noch wichtiger war aber die zweite Botschaft: Evangelikale Christen würden seine Wahl "lieben".

Dieser Satz steht für die Abtreibungspolitik. Evangelikale zählen zu den schärfsten Kritikern des kontrollierten Schwangerschaftsabbruchs in den Vereinigten Staaten - möglich gemacht durch das berühmte Urteil "Roe versus Wade" des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1973. Abtreibungen wurden unter das Recht der Privatsphäre gestellt und der Kompetenz der Bundesstaaten entrissen.

Drei Kandidaten galten im Vorfeld als Favoriten für den Sitz im Supreme Court. Einer von ihnen, William H. Pryor, bezeichnete "Roe versus Wade" als "größte Abscheulichkeit in der Geschichte des Verfassungsrechts". Neil Gorsuch zählt zu den "Originalisten"; sie streben eine möglichst buchstabengetreue Interpretation der Verfassung aus dem Jahr 1787 an. Thomas Hardiman hat sich bei Strafrecht und Waffenbesitz hervorgetan. Die Entscheidung teilte Trump nach Blattschluss mit, am Mittwochmorgen mitteleuropäischer Zeit. Sein Vorschlag muss noch vom Senat bestätigt werden.

Schon im Wahlkampf sorgte der Satz Trumps für Aufruhr, wonach Abtreibungen illegal seien und Frauen sowie Ärzte "irgendwie" bestraft werden sollten. Später meinte er, "Roe versus Wade" werde "automatisch" gekippt, sollte Trump Präsident werden.

Automatisch funktioniert das natürlich nicht, aber es gibt einen klaren Weg zu diesem Ziel. Im ersten Schritt wird ein konservativer - und aus Sicht der Republikaner parteipolitisch verlässlicher - Oberster Richter ernannt. Vor knapp einem Jahr starb Höchstrichter Antonin Scalia plötzlich im Alter von 79 Jahren. Seitdem steht es im Supreme Court vier zu vier: Vier von republikanischen Präsidenten ernannte Richter stehen vier von den Demokraten gegenüber. Allerdings dürfen die Richter nicht mit Parteisoldaten verwechselt werden und es handelt sich nicht um fixe Blöcke.

Eine Frage des Alters

Nach Trumps Wahl für den Supreme Court liegen die Republikaner nominell mit fünf zu vier vorne. Und die Zeit spielt für die Konservativen. Bis zu drei weitere Neubesetzungen könnten in Trumps Amtsperiode folgen. Die Mitglieder des Supreme Court sind auf Lebenszeit bestimmt, können aber freiwillig aus dem Amt scheiden. Auf demokratischer Seite haben mit dem 78-jährigen Stephen Breyer, einem Mann der Mitte, und der 83-jährigen Linksliberalen Ruth Bader Ginsburg gleich zwei Richter das durchschnittliche Pensionsalter von 78 Jahren erreicht beziehungsweise weit überschritten. Der Zentrist Anthony Kennedy schert gelegentlich aus der Linie "seiner" Republikaner aus und stimmt für Abtreibungsrechte, positive Diskriminierung und die Rechte sexueller Minderheiten. Der Moderateste unter den Konservativen ist gleichzeitig der mit Abstand Älteste, nämlich 80 Jahre alt.

Falls Breyer, Bader Ginsburg und Kennedy während Trumps Amtszeit tatsächlich aus dem Richteramt scheiden, könnte die stramm konservative Fraktion des Supreme Court auf sieben Mitglieder anwachsen - und die republikanische Mehrheit in gesellschaftspolitischen Fragen auf Jahrzehnte zementiert werden.

Dazu zählen die amtierenden Richter, Chief Justice John Roberts (62), Clarence Thomas (68) und Samuel Alito (66). Auf demokratischer Seite blieben nur die beiden Liberalen Sonia Sotomayor (62) und Elena Kagan (56) übrig. Sie wurden unter Barack Obama ernannt.

Ein konservativ dominierter Supreme Court könnte etwa das geltende Abtreibungsrecht leicht aushebeln. Es bräuchte dafür nur eine neue Klage und ein entsprechendes - mit einfacher Mehrheit gefälltes - Urteil, um die Materie wieder an die Bundesstaaten zurückwandern zu lassen. Abtreibung würde danach schnell in der Hälfte der Bundesstaaten für illegal erklärt werden, schätzt Erwin Chemerinsky, Dekan der Irvine School of Law an der University of California, in der "LA Times".

Weniger Abtreibungen

In die Gegenrichtung zielt ein Vorstoß von demokratischer Seite. Andrew Cuomo, Gouverneur des knapp 20 Millionen Einwohner zählenden Bundesstaates New York, will das Recht auf Abtreibung in der Verfassung des Bundesstaats festschreiben lassen.

Trotz Abtreibungserlaubnis ist die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in den USA rapide gesunken; 926.200 waren es 2014 laut Daten des Guttmacher Institute, das Abtreibungsrechte fördert. Das Allzeithoch an Abtreibungen lag bei 1,6 Millionen 1990.