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Trumps Mauer, eine "idiotische Idee"

Von WZ-Korrespondentin Veronika Eschbacher aus Yuma

Politik

US-Bürger, die an der Grenze zu Mexiko leben, sehen den Plan als Geldverschwendung. Eine Reportage aus der Region.


Yuma/Tucson/Calexico. Dennis Cook erinnert sich gut an die zweite Nacht in seinem neu erstandenen Haus im südlichen Arizona. Es war stockfinster, zwei Uhr nachts, als er aufwachte und durch das Fenster mehrere Männer mit Taschenlampen auf seinem Grundstück umherschleichen sah. "Also stand ich auf, zog meine Hosen an, streifte die Hosenträger über die Schultern und griff nach meiner 9-Millimeter-Pistole", erzählt der 73-Jährige. Als er die knarrende Haustür aufschlug, senkte er seine Waffe wieder, denn die Männer, die draußen zugange waren, waren uniformiert und gehörten zur Border Patrol. Sie leuchteten aber nicht grundlos jede Ecke und jeden Busch aus. "Gemeinsam haben wir in jener Nacht fünf Maultiere auf meinem Grundstück gefangen." Maultiere, so werden hier Drogenschmuggler bezeichnet. Und diese kommen dem Pensionisten und Vietnam-Veteran Cook immer wieder unter, seit er vor drei Jahren von Nevada nach Arizona gezogen ist.

Sein Grundstück in der Kleinstadt Yuma liegt direkt an der US-mexikanischen Grenze. Steht er auf dem Dach seiner Garage, blickt er links auf riesige Gemüsefelder, auf abertausenden Hektaren wird hier von amerikanischen Bauern Eisbergsalat und Brokkoli angebaut. Blickt er nach rechts, so sieht er den sich schlängelnden Colorado River, der die Grenze zu Mexiko markiert und aus dem Cook regelmäßig Wolfsbarsche fischt. Geht es nach dem neuen US-Präsidenten Donald Trump, wird Cook zu seiner Rechten bald nur mehr auf eine hohe Mauer blicken können. Wenige Tage nach seiner Amtseinführung unterzeichnete Trump ein Dekret, mit dem er die Umsetzung eines seiner zentralen Wahlversprechen auf den Weg brachte: ein Grenzwall zu Mexiko. Die Mauer, so heißt es in dem Erlass sperrig, soll eine "durchgehende, physische Mauer oder eine andere, ähnlich sichere, durchgehende und unpassierbare physische Barriere" sein. Trump erhofft sich davon, illegale Einwanderung in die USA und den Drogenhandel einzudämmen.

Kameras und Bodensensoren

Grenzbewohner wie Dennis Cook aber sind äußerst skeptisch, ob so eine Mauer Vorteile bringt. Der Wasserstand des Colorado River hinter Cooks Haus ist meist niedrig, hüfthoch vielleicht. Es bedarf weder viel Zeit noch großer Kraftanstrengung, ihn zu überqueren. Und während anderswo an der Grenze gegen die Einreise von Illegalen Zäune errichtet wurden (seit 1989 wurden entlang der gut 3100 Kilometer langen Grenze vom Pazifik bis zum Golf von Mexiko mehr als 1000 Kilometer abgezäunt), die teilweise bis zu acht Meter hoch sind und oft noch mit vorgelagerten, kleineren Zäunen verstärkt sind, gibt es hier keine Grenzbefestigung.

Doch der Eindruck der leichten Überwindbarkeit täuscht, wie Cook erzählt. Entlang des Flusses sind auf amerikanischer Seite dutzende Sicherheitskameras installiert und wohl mehrere hundert Sensoren im Boden eingegraben. Cook macht nur wenige Schritte rund um einen Schlagbaum hinter seinem Haus Richtung Fluss, und rund 30 Sekunden später steht ein Officer der Border Patrol mit hochgezogenen Augenbrauen vor ihm. Cooks Frau Barbara erklärt dem Beamten, dass sie nur einen kurzen Spaziergang zum Fluss machen würden, worauf dieser wieder auf seinen wenige Meter entfernten Posten zurückkehrt. Nur wenige Minuten später taucht ein weiterer Officer auf, der erneut kontrolliert, wer sich am Fluss herumtreibt. "Wir haben wohl gerade einen Haufen Sensoren ausgelöst", sagt Cook, als er wieder weg ist. Immer wieder mal kommt es vor, dass die Border Patrol wie in jener Nacht auf Cooks Grundstück "Maultiere" sucht, seltener illegale Grenzgänger. Noch vor zehn Jahren aber, erzählt Cook, sei das ganz anders gewesen. "Das war eine richtig heiße Kreuzung hier." Eine Zeit lang seien 500 Menschen am Tag in diesem Streifen aufgegriffen worden, sodass sogar die Nationalgarde ausrücken musste. "Das ist aber alles sehr stark zurückgegangen", so Cook. Im Grenzabschnitt Yuma wurden im vergangenen Fiskaljahr (bis 31. Oktober 2016) im Monat durchschnittlich 118 Menschen beim illegalen Grenzübertritt aufgegriffen. An der gesamten Südgrenze waren es rund 400.000. Das ist ein Bruchteil der Zahl, die zwischen 1988 und 2008 aufgegriffen wurden, als die Grenzpolizei im Schnitt 1,1 Millionen Menschen pro Jahr einkassierte. Wie viele es schaffen, ist Gegenstand großer Spekulationen.

Keine zusätzliche Sicherheit

Ob der bekennende Republikaner und Trump-Wähler Cook sich mit einer Mauer sicherer fühlen würde? "Nein, nein, nein", antwortet er kopfschüttelnd. Er habe drei Hunde und drei Waffen, und weder die Grenzgänger, die auf der Suche nach einem besseren Leben seien, noch die Drogenschmuggler hätten Zeit oder Interesse daran, ihm etwas zu stehlen. "Davon abgesehen - es heißt, dass die Mauer irgendwas Lächerliches zwischen fünf und 12 Milliarden Dollar kosten wird. Auch wenn sie diese Summen in Technologie zur Grenzüberwachung investieren, was viel gescheiter wäre, können sie das alles vielleicht verlangsamen. Aber sie werden es nicht stoppen können." Die "andere Seite" habe genügend Fantasie, sich etwas Neues auszudenken. So werden immer wieder professionell gebaute Tunnel entdeckt, die in Lagerhäusern auf US-Seite enden. Manch Drogenpaket wird mit Drohnen über die Grenze geflogen. Cook blickt lange in den vorher von den Grenzpolizisten wieder glattgefegten Sand ("Sie tun das, um frische Fußspuren zu sehen"). "Ich weiß nicht so recht, was ich von Trump halten soll. Hoffentlich treibt er das alles nicht so auf die Spitze, dass ich nicht mehr nach Mexiko fischen fahren kann."

Gut eine Stunde Fahrt Richtung Westen, in der kalifornischen Grenzstadt Calexico, sind die Bewohner ähnlicher Meinung. Hier gibt es bereits einen 5,5 Meter hohen Zaun aus aufgestellten Eisenbahnschienen, die so knapp beieinanderstehen, dass man maximal mit der Hand hindurchgreifen kann. Während auf der amerikanischen Seite nur vereinzelt Autos an den einfachen, teils verfallenden kleinen Häusern mit verwitterten Sitzbänken entlangfahren, sieht man durch die Eisenbahnstangen dichten Autoverkehr und reges Treiben im mexikanischen Mexicali.

Die 18-jährige Josephine Mejilla aus Calexico, die mit ihrer Großmutter und Tante unweit der Grenze in der Sonne steht, lacht. "Ja, jeden Tag versuchen hier Menschen, über den Zaun zu kommen", sagt die US-Bürgerin mit mexikanischen Eltern, als ob das eine naive Frage sei. Die Menschen würden versuchen, die Stangen hochzuklettern, oder sich an Seilen hochzuziehen - zu jeder Tages- und Nachtzeit. Manchmal opfere sich eine Person, die die Border Patrol ablenken soll, während es andere an einer anderen Stelle versuchen. Wie lange die Mauer, "El Muro", hier schon die Städte trenne, wissen die Frauen nicht. Sie verstehen aber, warum die Menschen sie überwinden wollen. "Hier ist einfach alles besser, auch die Gesetze", sagt die Schülerin, die ihrerseits jeden Tag die Grenze überquert, um in Mexicali zu essen oder mit Freunden Zeit zu verbringen, auch wenn es manchmal eine Stunde dauere, bis sie es durch die langen Schlangen bei der Grenzkontrolle wieder zurückschafft. Trump und dessen Mauerbaupläne kommen bei Mejilla nicht gut an. "Wir mögen Trump nicht, denn er spricht schlecht über Mexikaner und wir alle hier sind mexikanisch-stämmig. Die Mauer ist keine kluge Idee, er könnte das Geld in so viele sinnvollere Sachen investieren. Ich fühle mich nicht sicherer, wenn die Mauer größer ist", sagt Mejilla. "Es wäre einfach nur dumm, eine größere Mauer zu bauen."

Probleme für Mexikos Elite

Und sogar dort, wo es noch weite Strecken ohne jegliche Grenzbefestigung gibt, ist die Ablehnung für Trumps Pläne groß. In Tucson, dem Verwaltungssitz von dem an Mexiko grenzenden Pima County, Arizona, schüttelt Judy Taylor den Kopf. Die Anzahl der Immigranten in Tucson sowie derer, die versuchen, die Grenze illegal zu überqueren, sei in den vergangenen Jahren weitgehend stabil geblieben. "Eine Mauer ist totale Zeit- und Geldverschwendung", sagt die 44-jährige Angestellte. "Die Idee ist idiotisch", formuliert es ihr Kollege Richard Ace etwas direkter.

Enrique Garcia, der im kalifornischen Riverside lebt und regelmäßig seine Familie in mexikanischen Mexicali besucht, denkt ein wenig über die physische Abschottung der USA hinaus. Auch wenn er die Mauer für eine sinnlose, weil ineffektive Idee hält, glaubt er, dass sie zumindest einen positiven Effekt für die Mexikaner haben wird. "Die mexikanische Elite, die sich bisher bereichert hat, merkt nun, dass nicht nur die Armen ein Problem haben, sondern auch sie", sagt Garcia. Das würde die Mexikaner einen und sie antreiben, ihr Land zu entwickeln. Sollte es aber zu Instabilität und wirklichen Schwierigkeiten innerhalb Mexikos kommen, dann seien auch die USA davon betroffen. "Denn Mexiko endet nicht hier an dieser Grenze", sagt Garcia, "Mexiko ist heute überall in den USA."