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Höchstrichter wohl ohne "nukleare Option"

Von Alexander Dworzak

Politik

US-Präsident Trump schlägt Neil Gorsuch als Richter für den Supreme Court vor. Auch Senatoren der Demokraten könnten für ihn stimmen.


Washington/Wien. Nüchtern und bedächtig war einmal. Das gilt auch für die Juristerei, als Donald Trump am Mittwoch mitteleuropäischer Zeit im Weißen Haus seinen Kandidaten für den vakanten Sitz im US-Höchstgericht präsentierte: Neil Gorsuch. "Na, war das eine Überraschung? War es?", fragte der Präsident.

Nur bedingt, Gorsuch galt im Vorfeld als einer von drei Favoriten. An der fachlichen Qualifikation des 49-Jährigen bestehen keine Zweifel. Er studierte an der Columbia University, Harvard Law School sowie in Oxford. Und diente mit Byron White und Anthony Kennedy gleich zwei obersten Richtern. Im Gegensatz zum Zentristen Kennedy genießt Gorsuch jedoch das Image eines strammen Konservativen. Auch pflegte er ein enges Verhältnis mit dem Vorzeige-Konservativen des Höchstgerichts, Antonin Scalia, der 2016 überraschend starb und dessen Platz er nun einnehmen soll. "Unsere Rolle als Richter ist es, die Gesetze anzuwenden und nicht zu verändern", betonte Gorsuch, der die zeitgenössische Interpretation von Rechtstexten ablehnt.

Wird er in das Gericht gewählt, wäre das Kräfteverhältnis vor Scalias Tod wiederhergestellt. Fünf von Republikanern nominierte Richter stehen vier der Demokraten gegenüber; das Abstimmungsverhalten verläuft aber nicht streng nach Parteilinie.

Zuvor muss Gorsuch die Abstimmung im Senat passieren. 60 Stimmen sind dafür notwendig. Die Republikaner haben zwar die Mehrheit, aber lediglich 52 Stimmen. Und viele Demokraten sehnen sich nach Revanche: "Sie haben uns den Richtersessel gestohlen", heißt es noch heute. Nach dem Tod Scalias blockierten die Konservativen den vom damaligen Präsidenten Barack Obama auserkorenen Kandidaten Merrick Garland - der unter beiden Parteien hohes Ansehen genoss.

Im Gegenzug droht nun die demokratische Führung, Trumps Kandidaten mit Dauerreden, dem Filibustern, zu verhindern. "Gorsuch hat sich so sehr verbogen, um sicherzugehen, dass das Recht große Firmen anstatt Arbeiter und den einzelnen Amerikaner bevorzugt", wetterte Elizabeth Warren, Star der Parteilinken, am Mittwoch. Die kalifornische Senatorin Dianne Feinstein verwies auf zwei Mitentscheidungen Gorsuchs. Arbeitgeber beriefen sich dabei auf ihre Religion als Grund, warum sie nicht den vorgeschriebenen Anteil bei der Empfängnisverhütung ihrer Arbeitnehmer bezahlen wollen. Gorsuch unterstützte diese Argumentationslinie. Der Fall landete letztinstanzlich beim Supreme Court, der 2014 mit fünf republikanischen zu vier demokratischen Stimmen das Urteil bestätigte.

Eine offene Rechnung,die nicht begleichbar ist

Der Fall zeigt, wie wichtig das Vorschlagsrecht auf einen obersten Richter ist und wie gesellschaftspolitische Konflikte über das Höchstgericht ausgetragen werden. Noch dazu wäre Gorsuch als 49-Jähriger wohl über Jahrzehnte Höchstrichter; sie werden auf Lebenszeit bestellt. Insofern ist die Drohung der Demokraten nachvollziehbar.

Bloß wird sie der Partei wenig nutzen. Denn die Republikaner haben noch die laut Washingtoner Diktion "nukleare Option", Gorsuch mit einfacher Mehrheit ins Amt zu hieven - ironischerweise ermöglicht durch die Demokraten selbst. Denn aufgrund der Obstruktionspolitik der Konservativen gegen Obama änderten dessen Demokraten 2013 die Geschäftsordnung. Die Republikaner könnten dieses Feld nun einfach auf den Supreme Court ausdehnen.

Präsident Trump sprach sich im Vorfeld seiner Richterwahl dafür aus. Nun tritt er selbst leiser, verzichtete auf die Nominierung von William H. Pryor. Dieser bezeichnete das Supreme-Court-Urteil "Roe versus Wade" aus dem Jahr 1973 zur Legalisierung von Abtreibungen als "größte Abscheulichkeit in der Geschichte des Verfassungsrechts" und wäre auch für zentristische Republikaner schwer hinnehmbar gewesen. "Ich hoffe, dass Demokraten und Republikaner zum Wohle des Landes zusammenfinden", sagte Trump bei der Vorstellung Gorsuchs. Auch sei es für jene zehn demokratischen Senatoren in Bundesstaaten, in denen Trump bei der Präsidentenwahl gewonnen hatte, schwierig, gleich vorweg gegen seinen Kandidaten Gorsuch zu sein, analysierte CNNs Politikchef David Chalian. Außerdem folgten auch die Demokraten 2006 dem Vorschlag von George W. Bush und ernannten Gorsuch als Richter am Berufungsgericht des zehnten Bundesgerichtsbezirks.

Unklar ist die Haltung des wahrscheinlichen Höchstrichters beim innenpolitisch so kontroversen Thema Abtreibung. Gorsuchs Vorgänger Scalia war ein entschiedener Abtreibungsgegner. In einem Buch kritisierte Gorsuch Euthanasie, evangelikale Gruppen - Stammwähler Trumps - interpretieren das als Gegnerschaft auch zur Abtreibung.