Zum Hauptinhalt springen

Eine durchwachsene Zeit

Von Konstanze Walther

Politik

Die Ära von Rafael Correa - einst gefeierter Vorreiter eines globalen Umdenkens in der Umweltpolitik - geht zu Ende.


Quito/Wien. Drei Tage lang, von 12 Uhr Mittag am Freitag, den 17. Februar, bis Montag, 12 Uhr dürfen in Ecuador keine alkoholischen Getränke ausgeschenkt werden. Der "Kodex der Demokratie" verbietet den Konsum und Verkauf von Alkohol 36 Stunden vor und 12 Stunden nach der Wahl. Denn am Sonntag wählt der Andenstaat Ecuador seinen neuen Präsidenten. Und diese Wahlen läuten jedenfalls den Beginn einer neuen Ära ein. Der Wirtschaftswissenschafter Rafael Correa steht zum ersten Mal seit elf Jahren und drei erfolgreichen Urnengängen nicht mehr zur Wahl.

Correa stieg 2005 zum Finanzminister in der Übergangsregierung auf, nachdem der vorangegangene Präsident aus dem Amt geputscht wurde. Bei den Wahlen 2006 wurde Correa schließlich zum Präsidenten gewählt. Auf einer Welle der Zustimmung reitend, ließ er nach einer durchgebrachten Verfassungsänderung vorzeitig 2009 Neuwahlen ausrufen, um in den Genuss der neuen Konstitution zu kommen, die dem Präsidenten unter anderem mehr Rechte eingeräumt hat. Er war damals der erste amtierende Präsident des 21.Jahrhunderts, der wiedergewählt wurde. Und schließlich trat Correa auch 2013 an - und gewann schon im ersten Wahldurchgang.

"Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts"

Correa gilt als eines der letzten lateinamerikanischen Staatsoberhäupter, die dezidiert dem linken Spektrum zugeordnet worden sind. Er versprach den Ecuadorianern einen "Sozialismus des 21. Jahrhunderts" und brach mit Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds und der Weltbank. 2007 ließ Correa etwa den Vertreter der Weltbank in Ecuador des Landes verweisen und warf der Institution "Erpressung" vor. Während dieser Schachzug noch von vielen als Zeichen der Erstarkung eines neuen Selbstbewusstseins in Lateinamerika gefeiert wurde, haben die darauffolgenden Entscheidungen bei vielen den Jubel verstummen lassen.

Denn Correa finanzierte seine Umverteilungspolitik durch eine massive Förderung des Abbaus von Rohstoffen. Ecuador trat im ersten Jahr von Correas wieder der Opec bei - der Organisation der erdölexportierenden Länder. Das südamerikanische Land verfügt über beträchtliche Erdölvorkommen - die zu einem Gutteil auf dem Gebiet des Regenwaldes zu finden sind. Das prominenteste Beispiel ist der Fall des Yasuni-Nationalparks, der internationale Bekanntheit erlangte.

Correa hatte zwar ein Umweltgesetz verabschiedet, dass Bohrungen in Umweltschutzgebieten nur mit Erlaubnis des Parlaments durchgeführt werden dürfen. Für Correa war das allerdings kein Hindernis. Seine Partei Alianza País (AP) - die auch von Correa gegründet wurde - hält schließlich derzeit 100 von 137 Stimmen. Das Parlament, das seit Correas Verfassungsreform Nationalversammlung heißt (vorher: Nationaler Kongress) wird ebenfalls am Sonntag gewählt.

Das Yasuni-Projekt - ein revolutionärer Vorschlag

Und schließlich fiel Correas Auge auf die Erdölvorkommnisse in einem bisher unerschlossenen Teil des Amazonas, dem Yasuni-Nationalpark, der wegen seiner einzigartigen Biosphäre 1989 von der Unesco zum Schutzgebiet erklärt wurde.

Correa machte einen Vorschlag, der die internationale Gemeinschaft aufhorchen ließ und von vielen als Wendepunkt in der Umweltpolitik gefeiert wurde. Correa schlug vor, das Erdöl im Yasuni-Nationalpark, das nach gezielten Probebohrungen im dortigen Gebiet gefunden wurde, nicht zu fördern.

Die drei Ölfelder im Naturschutzgebiet Yasuni sollen 846 Millionen Barrel Rohöl enthalten, ein Fünftel der ecuadorianischen Vorkommen. Correa erklärte 2007, er verzichte auf die Erschließung von drei Ölfeldern im Park, wenn die internationale Staatengemeinschaft Ecuador binnen 13 Jahren insgesamt rund 7,2 Milliarden US-Dollar zahle. Doch schon 2013 rückte Correa von der Initiative ab: In sechs Jahren seien mit 13,3 Millionen Dollar nur 0,37 Prozent des erwarteten Betrags eingegangen, kritisierte Correa. Nur zwei Monate später bewilligte seine Nationalversammlung die Bohrungen im Naturreservat. Die Bohrungen haben im September 2016 begonnen.

Bei Kritik oder Protesten gab sich Correa offen angriffslustig: 2014 verweigerte er zweimal die Einreise von deutschen Abgeordneten, die sich mit Umweltaktivisten treffen wollten. "Sie verstehen nicht, dass es den Imperialismus und den Kolonialismus nicht mehr gibt", sagte Correa im Dezember 2014. Ecuador werde keine Überwachung erlauben, ganz gleich, woher sie komme.

Auch von innerhalb der Staatsgrenzen: Die ecuadorianische Umwelt-NGO "Acción Ecológica" wurde erst im Dezember 2016 von Correas Regierung mit der Zwangsschließung bedroht. Der Vorwurf: Sie mache sich des Terrorismus schuldig, weil sie Indigene zum bewaffneten Widerstand gegen Ölbohrungen und Minenbauten aufrufe. Der Umweltminister verteidigte dagegen die NGO, die weiter bestehen durfte.

"Correa hat an den eigenen Yasuni-Vorschlag nie geglaubt", diagnostiziert die Umweltaktivistin Ivonne Yánez von "Acción Ecológica", die Correa, wie so viele, einen nicht besonders zimperlichen Umgang mit Menschenrechten vorwirft. Das Yasuni-Projekt sei ein reiner Erpressungsversuch gegenüber der Weltgemeinschaft gewesen. Zudem habe Correa das Yasuni-Projekt dazu genutzt, "seinem Image national sowie international einen grünen Anstrich zu geben. In Wahrheit wollte er von Anfang an das Erdöl fördern. Es war ein Täuschungsmanöver", so Yánez im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Ecuadorianerin war Gast bei dem Kongress "Gutes Leben für Alle", den die Wirtschaftsuniversität Wien ausgerichtet hat - in Kooperation mit verschiedenen zivilgesellschaftlichen Organisationen wie Südwind.

Eine Gruppe von Aktivisten um Yánez hat, nachdem Correa das Yasuni-Projekt abgeblasen wurde, Unterschriften gesammelt. Sie wollten eine Volksbefragung abhalten, ob sich die Bevölkerung für oder gegen Bohrungen ausspricht. "Correa hat das ignoriert, und einfach die Bohrungen vom Parlament abnicken lassen."

Correas Nachfolger haben kaum Spielraum

Yánez glaubt, dass Correas Nachfolger wenig Möglichkeiten hat, den gesetzten Kurs in Umwelt- und Wirtschaftsfragen zu beeinflussen. "Correa hat die chinesischen Unternehmen ins Land geholt und ist mit einer immer größren Staatsschuld so viele Verpflichtungen eingegangen, dass es kaum Spielraum gibt."

Um gleich im ersten Wahlgang am Sonntag zu gewinnen, muss der Erstplatzierte entweder die absolute Mehrheit erreichen oder mindestens 40 Prozent der Stimmen mit einem Vorsprung von zehn Prozentpunkten vor dem zweitstärksten Kandidaten erlangen. Einer der Favoriten ist Correas ehemaliger Vizepräsident Lenin Moreno, der seit einem Überfall 1998 im Rollstuhl sitzt und UNO-Spezialgesandter in Behindertenfragen war. Auch die Konservativen Guillermo Lasso und Cynthia Viteri rechnen sich Chancen aus, in die Stichwahl zu kommen. Lasso, der schon 2013 kandidierte, hat das letzte Mal internationale Schlagzeilen gemacht, weil er in den Panama-Papers als Steueroptimierer aufgetaucht ist.