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US-Schatten über München

Von Michael Schmölzer aus München

Politik

Die Münchner Sicherheitskonferenz ist ein Stelldichein hochrangiger Politiker. | Beim diesjährigen Treffen starren die Teilnehmer wie gebannt auf den erratischen Präsidenten Donald Trump.


München. Die Welt steht kopf, das war schon zu Beginn der Münchner Sicherheitskonferenz klar; auch hier starrte alles gebannt auf Donald Trump, den wilden Mann in Washington. Vom Garant für Stabilität wurden die USA unter ihrem neuen Präsidenten zum weltweit größten Unsicherheitsfaktor - wie der Thinktank Eurasia Group in seiner jüngsten Studie feststellte.

Grund sind die vielen Fragezeichen, die Ungewissheit über den künftigen außen- und sicherheitspolitischen Kurs der USA. Die ersten Wochen Trumps im Amt waren von Skandalen und einem Zickzackkurs überschattet, der global die Nervosität nur noch weiter steigen lässt. Nicht zuletzt sind es persönliche Eigenschaften Trumps wie dessen Unbeherrschtheit, die maßgeblich zur Vertrauenskrise beitragen. Der vermeintliche künftige Verbündete Russland wurde von Washington mit der Forderung nach einer Rückgabe der Krim an die Ukraine so gründlich vor den Kopf gestoßen, dass man in Moskau - zum ersten Mal seit Jahren - nach Atem ringt. Nicht vorhersehbar ist, wie sich Trump angesichts der Krisen und Kriege weltweit - in Syrien, in der Ukraine und im Südchinesischen Meer sowie gegenüber seinem neuen Lieblingsfeind, dem Iran - verhalten wird.

In Syrien wird die neue Weltordnung getestet

Allerdings ist der isolationistische Kurs des neuen starken Mannes in Washington auch die große Chance für Kreml-Chef Wladimir Putin. Ein gradueller Rückzug der USA von der Weltbühne zeichnet sich ab, nie war Putin seiner Vision von der multipolaren Welt, in der sich verschiedene Bündnisse die Waage halten, näher als jetzt. Russland und China stehen bereit, das Vakuum zu füllen. Schon jetzt wird getestet, ob eine Lösung des syrischen Dilemmas ohne Beteiligung der USA möglich ist. Überall schafft Russland eigenständige diplomatische Formate, es scheint jetzt sogar möglich, dass Moskau trotz der traumatischen Erfahrungen in den 80er Jahren wieder in Afghanistan eingreift. Auch dort ist der Westen im Anschluss an einen jahrelangen, blutigen, Nato-, aber in Wirklichkeit US-geführten militärischen Einsatz in der Bredouille.

Der Rückzug Washingtons von Kriegs- und Krisenschauplätzen hat sich schon unter Trumps Amtsvorgänger Barack Obama abgezeichnet. Die unipolare Weltordnung, die "Pax americana", die nach dem Kollaps des Kommunismus 1989 an die Wand gemalt worden war, gehört aber spätestens jetzt der Welt von gestern an.

Wenn der große amerikanische Bruder langsam aber sicher wegbricht, ist Europa verstärkt auf sich selbst zurückgeworfen. Die EU agiert in ihrer Außen- und Sicherheitspolitik uneinheitlich, der gemeinsame Auftritt wirkt zerfahren. Dazu kommt, dass die EU von außen und von innen bedroht ist. Möglich, dass der Brexit nur der Auftakt zur völligen Auflösung der Gemeinschaft war.

Im Angesicht Trumps wird der Ruf nach neuer Einigkeit und Stärke laut - nicht zuletzt sind es die USA selbst, die europäische Länder zur Aufrüstung und zur Übernahme von mehr Verantwortung innerhalb der Nato drängen. Nachdem der scheidende deutsche Bundespräsident Joachim Gauck bei der Münchner Sicherheitskonferenz 2014 ein stärkeres außenpolitisches und militärisches Engagement Deutschlands angekündigt hat, war es jetzt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, der international eine größere Handlungsfähigkeit der EU einmahnte. Man habe sich viel zu lange auf die USA verlassen, so Schäuble, Deutschland werde handeln. Aber nur gemeinsam mit den anderen Europäern.

Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gelobte in der Eröffnungsrede der Konferenz, dass man sich im Kriegsfall nicht mehr "wegducken" werde. Die Last müsse auf "verschiedene Schultern aufgeteilt" werden. US-Amtskollege James Mattis versicherte im Gegenzug, dass sich Washington an Artikel 5 des Nato-Vertrags, die Beistandspflicht, voll gebunden fühle, und unterstrich die Wichtigkeit des Bündnisses.

Derweil sorgte die offen muslimfeindliche Haltung Donald Trumps am Rande des Münchner Treffens für große Besorgnis. "Das sind ganz archaische Regungen", meinte André Azoulay, Berater des marokkanischen Königs gegenüber der "Wiener Zeitung". "Wir betreten ein neues Zeitalter, wir brauchen einen globalen Ansatz." Trumps "Paradigma von gestern" sei eine "selbstmörderische Vision" und müsse unbedingt überdacht werden.

"Wir stecken in einer Periode des Rückschritts fest"

Wobei für Azoulay nicht nur in den USA, sondern auch in Europa ein problematischer Zugang gegenüber Muslimen beobachtbar ist. "Wir stecken in einer Periode des Rückschritts fest", so Azoulay, "wir müssen zurückkehren zu einer Kultur des wechselseitigen Verständnisses."

Der Bedarf an Antworten war wohl noch nie so groß wie jetzt, das betonte auch der Organisator der Konferenz, Wolfgang Ischinger, in seinem Eröffnungsstatement. Die Erwartungen an die 53. Münchner Sicherheitskonferenz waren entsprechend hoch. Erklärungen wurden vor allem von den USA erwartet, mit großer Spannung blickt man der Rede von US-Vizepräsident Mike Pence entgegen, der am Samstag spricht. Die Augen waren aber auch auf die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gerichtet, die mit Pence unter vier Augen sprechen wollte.

Nachdem es sich bei der Münchner Sicherheitskonferenz nicht um eine offizielle, staatliche Veranstaltung handelt, wird hier Klartext gesprochen wie kaum sonst wo. Mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, 30 Staats- und Regierungschefs und dem neuen UN-Generalsekretär Antonio Guterres ist die Konferenz hochkarätig besetzt.

Münchner Sicherheitskonferenz 2017