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"Alles ist zerstört"

Von WZ-Korrespondent Markus Schauta

Politik
Das Al-Salam Hospital von außen und von innen.
© M. Schauta

Vom Al-Salam-Krankenhaus in Mossul ist wenig übrig. Die Zerstörungen dort zeigen, wie heftig die Kämpfe zwischen der irakischen Armee und dem Islamischen Staat sind. Ein Lokalaugenschein.


Mossul. An einem Wintertag betritt Mohammed Ali zum ersten Mal seit Wochen das Areal des Al-Salam Hospitals in Mossul. 34 Jahre hat er hier als PC-Techniker gearbeitet. Doch jetzt ist vom einst größten Krankenhaus der Stadt nur eine ausgebrannte Ruine übrig. Der Parkplatz ist übersät mit Teilen der Fassade und Papierfetzen. "Ich bin erschüttert", sagt der graubärtige Mann. "Das Spital war mein zweites Zuhause." Gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Freiwilliger schafft der 59-Jährige weg, was vom Krankenhaus-Inventar noch zu gebrauchen ist.

Das Spital war Schauplatz heftiger Kämpfe bei der Rückeroberung von Ost-Mossul. Der Islamische Staat (IS) hatte die zweitgrößte Stadt des Iraks Mitte 2014 eingenommen. Nun läuft die Operation der irakischen Streitkräfte, mit der die Stadt zurückgewonnen werden soll.

Anfang Jänner drangen Teile der 9. Division der Armee auf das Areal des Krankenhauses vor. Zu rasch, wie es heißt, denn die Soldaten gerieten in einen Hinterhalt. Die Dschihadisten des IS griffen über Dächer an, nutzten Tunnelsysteme und schickten Sprengstoffautos. Bei den schweren Gefechten starben dutzende Soldaten der Streitkräfte, ein halbes Dutzend Panzerfahrzeuge wurde zerstört. Die Armee musste sich zurückziehen. Erst durch den Einsatz irakischer Spezialeinheiten, unterstützt durch die US-Luftwaffe, konnte der IS zurückgeschlagen werden. Insgesamt waren 25 Bomben auf den Spitals-komplex abgeworfen worden.

Colonel Khaled Whadia - Tarnanzug, schwarze Haube, Handschuhe - gehört zur Spezialeinheit, die am Sturm auf das Krankenhaus beteiligt war. Jetzt ist er für den Abtransport des noch intakten Inventars verantwortlich.

In der verwüsteten Rezeption des Al-Salam Hospitals zieht der Colonel eine Pluderhose aus dem Schutt. "Daish", sagt er. Als die Dschihadisten flohen, zogen sie zivile Kleidung an und ließen alles zurück, was sie verraten könnte - neben ihrer Kampfausrüstung sind das auch die typischen Hosen. Auf die Frage, wie viele Soldaten der irakischen Armee ihr Leben beim Kampf um das Hospital verloren, will der Colonel nicht antworten.

In den dunklen Korridoren hängen Metallteile und Kabel von der Decke, Glas knirscht unter den Sohlen. Hier finden sich immer noch Zeugen der schweren Gefechte. Patronen unterschiedlicher Kaliber liegen am Boden verstreut, dazwischen Munitionskisten und die verkohlten Reste einer letzten Mahlzeit: Schmelzkäse und Datteln. Im Stiegenhaus die Leichen zweier IS-Kämpfer. Feuer hat die Körper verbrannt. "Die starben bei den Luftangriffen", sagt der Colonel. Sie zu begraben sei nicht seine Aufgabe. "Das machen andere."

Die Kämpfe können nochMonate dauern

Tief drinnen im zerstörten Gebäude gibt es weitere Relikte der Kalifat-Kämpfer. In einem Zimmer sind Matratzen am Boden aufgelegt. Unter den Decken ein arabisches Buch über den Dschihad, der Umschlag sorgfältig mit Schutzfolie beklebt. Der angrenzende Raum wurde als Fitnesscenter genutzt. Am staubigen Linoleum-Boden liegen Langhanteln und Gewichte neben einer Trainingsbank. Ein Vorhang teilt ein ehemaliges Behandlungszimmer in zwei Hälften, dahinter ein Krankenbett in einem Haufen aus schmutzigem Verbandszeug.

Vor dem Krankenhaus ist der ehemalige PC-Techniker Ali immer noch mit den Aufräumarbeiten befasst. Die freiwilligen Helfer beladen Transporter mit OP-Lampen, Edelstahltischen, Rollstühlen und Kühlschränken. "Wir bringen das alles in ein anderes Spital", sagt Ali. "Dort können sie die Dinge gut brauchen."

Eine Frau im langen Mantel fragt nach Hilfe. Sie leide unter Atembeschwerden, brauche regelmäßig Sauerstoff. "Es gibt hier nichts, alles ist zerstört", sagt Ali. Sie will es nicht glauben, läuft noch eine Weile zwischen den Lastwagen herum, bevor sie den Parkplatz verlässt. Vom Tigris hallt Mörserbeschuss herüber.

Mittlerweile hat die zweite Phase der Eroberung Mossuls begonnen. Die irakischen Streitkräfte drangen vom Süden her auf die Vororte West-Mossuls vor. Der Flughafen der Stadt und die angrenzende Ghazlani-Militärbasis sind bereits unter ihrer Kontrolle.

Drei Monate dauerte es, den Ostteil Mossuls zu befreien. West-Mossul, um das noch gekämpft wird, liegt am rechten Tigrisufer, es ist zwar etwas kleiner, aber dichter besiedelt. Manche Gasse des Altstadt-Labyrinths ist zu eng, um mit gepanzerten Fahrzeugen in sie vorzudringen. Wie auch am Areal des Al-Salam Hospitals wird sich der IS mit Tunnelsystemen und Autos voll Sprengstoff vorbereitet haben.

Für die Zivilisten beginne nun die gefährlichste Phase der Kämpfe, sagt Jason Kajer, Direktor der Hilfsorganisation "International Rescue Committee". "Es wird fürchterlich für die 750.000 Menschen, die sich immer noch im Westen der Stadt befinden, und die Gefahr ist groß, dass die Kämpfe Wochen oder gar Monate dauern könnten." 150.000 Zivilisten flohen vor dem Krieg um Ost-Mossul. Die Hilfsorganisation rechnet bei den Kämpfen im Westen der Stadt mit weiteren 200.000 Flüchtlingen.