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59 Raketen - und nun?

Von Michael Schmölzer

Politik

Trump gelingt mit seinem Militärschlag in Syrien erstmals ein Coup. Er spielt aber ein riskantes Spiel. Eine Analyse.


Wien. Der US-Angriff auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt Al-Shairat hat den wankenden US-Präsidenten Donald Trump politisch gestärkt. Der Newcomer, der in der Anfangsphase seiner Amtszeit innenpolitisch eine Niederlage nach der andern hinnehmen musste, spürt jetzt Rückenwind. Im US-Kongress brandet Applaus von den Rängen der oppositionellen Demokraten und den Republikanern auf, es sei "richtig", den syrischen Despoten Bashar al-Assad in die Schranken zu weisen, so der Vorsitzende der demokratischen Minderheit im Senat, Chuck Schumer. Auch der altgediente einflussreiche republikanische Senator John McCain, der Trump wegen dessen Russland-Kontakten zuletzt massiv kritisiert hat, steht nun voll hinter seinem Präsidenten. Der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, kann sich dem nur anschließen.

USA agierten als "Ankläger, Richter und Vollstrecker"

Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite ist klar, dass Trump das Völkerrecht mit Füßen getreten hat. Die USA hätten mehr oder weniger als "Ankläger, Richter und Vollstrecker" gehandelt, kritisiert der deutsche Völkerrechtler Stefan Talmon. Tatsache ist, dass es keine Ermächtigung vom UN-Sicherheitsrat gab. Militärschläge als Antwort auf eine Verletzung der Menschenrechte sind im internationalen Recht nicht vorgesehen.

Den verbündeten Westen scheint das wenig zu stören, auch hier Applaus: Die Briten, Franzosen, Deutschen und Türken heißen den Angriff gut, Frankreich und Deutschland erklärten unisono, dass Assad für den Giftgas-Angriff allein verantwortlich sei. Auch Österreichs Außenminister Sebastian Kurz von der ÖVP kann den Militärschlag verstehen, EU-Ratspräsident Donald Tusk begrüßt ihn ebenfalls. Das liegt zu einem großen Teil an den fürchterlichen Bildern getöteter Kinder, die nach dem Giftgasangriff um die Welt gingen. Trump äußerte sich schockiert, dass "wunderschöne Babys" durch den Einsatz von Giftgas in Khan Sheikhoun leiden mussten. Damit zeigte er Emotion, er reagierte rasch und trug dem allgemeinen Gefühl Rechnung, dass spätestens jetzt etwas geschehen müsse.

59 Tomahawk-Raketen später hat Trump die wenig spektakuläre Politik eines Amtsvorgängers Barack Obama beendet, der sich in Syrien nicht zu einem entschlossenen Eingreifen durchringen konnte; der halbherzige Initiativen setzte, die zuletzt schiefgingen und das Terrain für Russland ebneten. Das Zögern Obamas war verständlich, ein blutiger und für die USA verlustreicher Krieg im Irak und in Afghanistan steckten ihm und den US-Amerikanern noch in den Knochen. Auch jetzt will sich eine Mehrheit in den USA nicht in einen langwierigen blutigen Bodenkrieg im Nahen Osten verwickeln lassen. Die 59 Raketen auf eine syrische Basis sind eher eine symbolische Tat, für viele aber ein Befreiungsschlag nach Jahren des unschlüssigen Zusehens.

Männerfreundschaftblieb Wunschdenken

Die Methode der punktuellen Bestrafung hat Trump nicht erfunden, schon in den 1980er Jahren haben die USA Luftangriffe auf Libyen geflogen, weil man Muammar Gaddafi für einen Terroranschlag bestrafen wollte. Ein größerer Feldzug wurde nicht daraus. Einem Paukenschlag kommt gleich, dass Trump Russland massiv vor den Kopf stößt. Lange war man davon ausgegangen, dass Trump eine "Männerfreundschaft" mit Putin anstrebe, davon ist nichts zu merken. Putin versuchte mehrmals, ein Treffen mit Trump zu arrangieren, stets umsonst. Im Vorfeld des Angriffs war man allgemein davon ausgegangen, dass die USA in Syrien militärisch nur sehr beschränkt handlungsfähig seien, weil Russland mittels Raketenabwehrsystem den Luftraum kontrolliere. Die 59 Marschflugkörper wurden aber nicht abgeschossen - wäre das passiert, hätte es zu einem größren Zusammenstoß zwischen Russland und den USA geführt. Angeblich soll das russische Abwehrsystem S-400 nicht einmal aktiviert worden sein.

Washington versucht in Syrien, von der bloßen Reaktion zur Aktion zu kommen. Moskau wurde vor dem Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt zwar informiert, auf eine Erlaubnis wurde aber nicht gewartet. Immerhin hatten die Russen Zeit, ihre Leute abzuziehen. Washington beginnt, den Spieß umzudrehen. Nachdem zunächst Russland den USA vorgeworfen hatte, in Syrien nichts erreicht zu haben, und dann mit militärischen Kräften aktiv wurde, geht US-Außenminister Rex Tillerson jetzt rhetorisch in die Offensive: Russland habe in seiner Verantwortung versagt, Tillerson verwies auf Zusagen Russlands, chemische Waffen in Syrien zu sichern und zu zerstören.

Gefahr eines Missverständnisses

Jetzt entwickelt sich ein gefährliches Spiel. Die Russen finden sich plötzlich in der Rolle des empört Protestierenden wieder, der im UN-Sicherheitsrat mit seinen Forderungen nicht durchdringt. Machtmensch und Kremlherr Wladimir Putin will das Gesicht nicht verlieren und hat das Koordinierungsabkommen für den syrischen Luftraum mit den amerikanischen Streitkräften ausgesetzt. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit eines Zusammenstoßes, wie er schon zwischen der Türkei und Russland für eine brenzlige Situation gesorgt hat, als ein türkischer Kampfjet einen russischen abschoss. Im syrischen Luftraum ist es schon mehrmals zu gefährlichen Zwischenfällen gekommen, weil sich hier auf engstem Raum zahlreiche kriegführende Mächten drängen.

Assad, an dessen Händen das meiste Blut im Syrien-Konflikt klebt, ist jetzt gewarnt. Seit dem russischen Eingreifen in den Konflikt ist er auf der Siegerstraße, im Dezember haben seine Truppen Aleppo erobert. Der Erfolg dürfte dem Diktator zu Kopf gestiegen sein. Zuletzt hat er hochmütig verkündet, dass er an Verhandlungen nicht interessiert sei. Er muss wieder damit rechen, von den USA jederzeit in die Schranken gewiesen zu werden.