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Hardliner gegen Rohani

Von Arian Faal

Politik

Im Iran wollen die Erzkonservativen die Wiederwahl von Rohani als Präsidenten verhindern. | Dessen Macht ist aber ohnehin beschränkt.


Teheran/Wien. Eigentlich ist es im Iran ein ungeschriebenes Gesetz, dass jeder Präsident, der schon einmal gewählt wurde, vom Volk auch für eine zweite Amtszeit bestätigt wird. Doch diesmal sind die Vorzeichen ein wenig anders: Der achte Präsident des schiitischen Golfstaates, der in knapp einem Monat, am 19. Mai, gewählt wird, kann, muss aber nicht automatisch wieder Hassan Rohani heißen. Denn die Hardliner ziehen alle Register, um eine Wiederwahl des als gemäßigt geltenden Geistlichen zu verhindern.

Ebrahim Reisi heißt der Kandidat des erzkonservativen Lagers, der Rohani die Stirn bieten will. Darüber hinaus hat sich auch noch Ex-Präsident Mahmoud Ahmadinejad registriert und damit für heftige Kontroversen gesorgt.

Dem Hardliner geht es dabei aber gar nicht um den eigenen Erfolg. Er will nach eigenen Angaben vor allem die Aufmerksamkeit nutzen, die ihm seine Kandidatur bringt, um die Bewerbung seines ehemaligen Stellvertreters Hamid Baghai zu unterstützen, der als Unabhängiger antreten will. Es ist aber ohnehin fraglich, ob der Wächterrat die Kandidatur von Baghai und Ahmadinejad zulassen wird.

Der Oberste Geistliche Führer ist das Machtzentrum

Baghai war im Juni 2015 festgenommen worden und verbrachte sieben Monate in Haft, bevor er freigelassen wurde. Die Gründe seiner Inhaftierung wurden niemals öffentlich gemacht. Er war während Ahmadinejads Präsidentschaft von 2005 bis 2013 dessen Stellvertreter.

Reisi wiederum hatte bei einer internen Vorwahl der Konservativen die meisten Stimmen erhalten. Der Kleriker ist ein Vertrauter des geistlichen Oberhaupts Ayatollah Ali Khamenei und wird mittlerweile sogar als dessen möglicher Nachfolger gehandelt.

Um die Querelen innerhalb der iranischen Politik zu verstehen, muss man die äußerst komplizierten systembedingten Rahmenbedingungen miteinbeziehen: Der iranische Präsident wird gemäß der Verfassung, die ihn als einen der höchsten Vertreter des Landes definiert, für vier Jahre gewählt. Es sind zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten möglich. Dann muss der Präsident, so er noch einmal antreten will, mindestens eine Amtsperiode pausieren.

Formell ist das Präsidentenamt zwar das höchste der Exekutive, in der Praxis werden die Vollmachten des Staatschefs allerdings von der schiitischen Elite und dessen Oberstem Geistlichen Führer Ayatollah Seyed Ali Khamenei kontrolliert. Letzterer hat diese Funktion seit dem Tod von Revolutionsvater Ruhollah Khomeini 1989 inne. Khamenei und nicht der Präsident ist der Oberbefehlshaber der iranischen Streitkräfte. Der Oberste Führer trifft zudem die wichtigsten Entscheidungen in der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. So bleibt dem Präsidenten eher die Rolle als Sprachrohr auf der internationalen Bühne, denn auch auf den Justizapparat und auf das Militär hat er nur bedingten Einfluss.

Unter den 1600 Bewerbern finden sich 137 Frauen

Zwar wird der Präsident vom Volk gewählt, aber um überhaupt antreten zu dürfen, müssen sich alle Kandidaten einer Prüfung durch den Wächterrat unterziehen. Es gibt also de facto eine Vorauswahl vor der Wahl.

Die Zulassungsfrist ist nun abgelaufen. Insgesamt gibt es knapp über 1600 Bewerber, 137 davon sind weiblich. Alle Kandidaten hoffen in den nächsten Tagen auf eine Approbation durch das strenge Gremium, das seit Jahrzehnten von dem 91-jährigen Freitagsprediger und Ultrahardliner Ayatollah Ahmad Jannati geführt wird. In der Vergangenheit hat der Wächterrat stets alle Frauen und auch die meisten Bewerber mit dem Vermerk "nicht geeignet" abgewiesen.

Das große Duell könnte diesmal also Reisi, der derzeit die einflussreiche Stiftung des Heiligtums des Imams Reza in Mashhad leitet, gegen Rohani heißen.

Umstrittene Themen sind das Atomabkommen und die Wirtschaft des Landes. Rohani will für den Fall seiner Wiederwahl das Wiener Atomabkommen von 2015 nicht antasten. Seine Gegenkandidaten werfen ihm und den Reformern vor, mit dem Abkommen die angestrebten wirtschaftlichen Ziele nicht erreicht zu haben. Denn der Westen wolle auch nach der Aufhebung der Strafmaßnahmen nicht mit dem Iran zusammenarbeiten. Deshalb stellt Reisi den Atomdeal in Frage.

Daneben geht es vor allem um die desolate Wirtschaftslage im Iran, die es zu verbessern gilt. Fehlende Investitionen, Bankenrestriktionen und Hemmnisse dämpfen die Euphorie.

Ganz gleich, wer nächster iranischer Präsident wird, eines ist gewiss: Er muss sich nicht nur mit Khamenei arrangieren, sondern auch mit den omnipräsenten Revolutionsgarden. Letztere waren Khameneis "Wundermittel" gegen die monatelangen Proteste nach der umstrittenen Wiederwahl des scheidenden Präsidenten Ahmadinejad 2009 und beherrschen auch weite Teile der iranischen Wirtschaft.

Nicht nur ein Gottes-,sondern auch ein Militärstaat

Das iranische Militär garantiert vor allem in Zeiten von wichtigen Wahlen, bei denen in der jüngsten Vergangenheit immer wieder Unruhen und Unzufriedenheit der Bevölkerung zutage getreten sind, die Macht der Hardliner und der ultrakonservativen Geistlichkeit rund um den Obersten geistlichen Führer Khamenei. Die Revolutionsgarden im Iran sitzen mittlerweile an den Hebeln der wichtigsten Schlüsselpositionen in der Islamischen Republik. Wichtige Posten werden im Ölsektor, der Schlagader der iranischen Wirtschaft, von Militärs besetzt.

Analysten zeichnen deswegen auch oft ein Bild des Iran, der nicht nur Gottesstaat, sondern auch ein Militärstaat ist. Im schiitischen Gottesstaat ist das Militär auf drei Säulen aufgebaut: die Revolutionswächter ("Sepahe Pasdaran"), die paramilitärischen Bassijmilizen und die Revolutionsgarden (der regulären Armee). Der gesamte militärische Apparat untersteht eigentlich dem Oberbefehl Khameneis. Doch seit dem Amtsantritt von Ahmadinejad 2005 haben die Streitkräfte immer mehr Einfluss im politischen Alltag erworben.