Caracas. Es ist eine Szene, die das aktuelle Dilemma in Venezuela in einem Bild zusammenfasst: Mutig stellt sich eine Frau mit einer venezolanischen Flagge dem gepanzerten Polizeifahrzeug in den Weg. Hier geht es nicht mehr weiter. Staatsmacht gegen eigenes Volk. In fast allen Städten kam es am Mittwoch - einem Feiertag - zu Massenprotesten gegen die Regierung des umstrittenen sozialistischen Präsidenten Nicolas Maduro. Dessen Regime wankt, ob es fällt, wird sich in den nächsten Tagen zeigen.

Mittendrin in den Protesten marschiert Lilian Tintori mit. Die Ehefrau des seit drei Jahren inhaftierten prominenten Oppositionspolitikers Leopoldo Lopez trägt eine Gasmaske, als Schutz gegen Tränengasattacken. Sogar aus Hubschraubern wurden in den vergangenen Tagen Tränengasgranaten auf die demonstrierende Menge gefeuert. Tintori gehört zu einer Riege von prominenten Regierungskritikerinnen. Allesamt Lebensgefährtinnen von politischen Häftlingen, die gewaltfrei, aber kreativ demonstrieren. Auch die Studentenbewegung wird von vielen jungen Frauen geführt. Das macht es für die Regierung so schwierig, gegen die Proteste anzugehen. Bilder von gewalttätigen Sicherheitskräften, die gegen Demonstrantinnen vorgehen, ist das Letzte, was Maduro in der politisch verfahrenen Situation gebrauchen kann.

Der Präsident hatte zu Wochenbeginn noch ganz bewusst ein anderes Signal gesetzt. Jeder der rund 500.0000 Angehörigen der regierungsnahen Nationalen Bolivarischen Milizen solle ein Gewehr erhalten, kündigte Maduro am Montag an. Noch mehr Waffen in einem Land, das unter der Führung der Sozialisten zum gefährlichsten Ort in Südamerika geworden ist. Er wolle die Revolution noch weiter radikalisieren, brüllt er bei seinem Auftritt ins Mikrofon. Das macht seinen Landsleuten, die noch vor zehn Jahren, begeistert von einem neuen politischen Projekt, Hugo Chavez mehrere Wahlsiege verschafften, Angst. Bereits die sogenannten "Colectivos", gefürchtete paramilitärische Banden, die von Maduros im Jahr 2013 verstorbenem Vorgänger Chavez aufgerüstet wurden, um die Revolution zu verteidigen, sind bis an die Zähne bewaffnet. Viele von ihnen arbeiten längst auf eigene Rechnung, kontrollieren ganze Stadtviertel in Caracas. Die Regierung schaut weg, im Gegenzug regieren die "Colectivos" wie lokale Warlords. Die Folge: Caracas ist die gefährlichste Stadt der Welt.

"Keine Gewehre, sondern Nahrung", fordert Opposition