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"Scheich der Hoffnung" will weitermachen

Von Arian Faal

Politik

Analyse: Irans Präsident Hassan Rohani buhlt am Freitag um seine Wiederwahl und kann eine gemischte Bilanz vorlegen. Viele seiner Wahlversprechen konnte er nicht halten, die internationale Rehabilitierung des Iran hingegen ist ihm gelungen.


Teheran/Wien. Das Wort "Richtungsentscheidung" wird rund um Wahlen sehr gerne überstrapaziert. Doch im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf im Iran, in dem sich die beiden großen Machtblöcke - Hardliner und Gemäßigte - in ihren Wertehaltungen diametral unterscheiden, ist dieses Wort mehr als eine reine Worthülse. Der Urnengang am Freitag ist für die Zukunft des Landes bahnbrechend: Soll sich der nächste Präsident wieder den echten Wurzeln des Islam besinnen und sich von Europa entfernen und einen Hardliner-Kurs gegenüber dem Westen fahren? Oder soll mit einer Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Hassan Rohani der Annäherungskurs der Regierung in Teheran gegenüber dem Westen fortgeführt werden?

Geht es nach dem Obersten Geistlichen Führer, Ayatollah Seyed Ali Khamenei, soll es ein Präsident sein, der sich nicht dem Westen "unterwirft" und sich an den islamischen Werten orientiert - eine versteckte Wahlempfehlung gegen Rohani, der es gerade durch seinen Kurs "Kooperation statt Konfrontation" geschafft hat, den Iran international wieder salonfähig zu machen.

Die Bilanz seiner Präsidentschaft fällt dennoch sehr gemischt aus: Als Rohani 2013 antrat, war der Iran international isoliert, hatte wegen des Atomstreits spürbare Wirtschaftssanktionen zu tragen und musste wegen der konfrontativen Politik seines Hardliner-Vorgängers Mahmoud Ahmadinejad einen Militärschlag Israels oder auch der USA fürchten.

Alles auf die Atomkarte gesetzt

Innenpolitisch übernahm Rohani ein Schuldenpaket, Missstände im Bereich der Menschenrechte und ein politisches System, das geprägt war von den militärischen Kräften, allen voran den mächtigen Revolutionsgarden. Diese hatten in vielen Bereichen des wirtschaftlichen und politischen Alltags längst das Zepter in die Hand genommen. Zu all dem sah sich Rohani bei seiner Amtseinführung im August 2013 mit der Situation konfrontiert, dass mehr als zwei Drittel aller Schlüsselpositionen innerhalb der Machtstruktur von Hardlinern und Ultrakonservativen besetzt waren.

So begann er seine Präsidentschaft mit einem riskanten Schachzug: Er setzte alles auf die Atomkarte. Rohanis Kalkül dabei lautete, wenn er den Atomstreit mit dem Westen rund um die umstrittene Urananreicherung beilegen würde, wäre dies der Schlüssel dazu, auch die anderen Probleme des Landes zu lösen. Unterstützung bekam er von seinem im Jänner verstorbenen politischen Ziehvater Ayatollah Ali Akbar Hashemi-Rafsanjani, der Rohanis Wahl durch seine Empfehlung erst möglich gemacht hatte.

Rohanis Atom-Joker wurde seine rechte Hand, Außenminister Mohammad Javad Zarif, der als US-Kenner gilt, fließend Englisch spricht und die Kunst der Diplomatie wie kein anderer versteht. Rohanis Plan ging auf und er investierte sein gesamtes politisches Kapital dazu, den Nuklearstreit zu beenden und einen Deal zu verhandeln, den er Khamenei und den Hardlinern verkaufen konnte.

Am 14. Juli 2015 war es soweit: der 13 Jahre andauernde Konflikt wurde mit einem 120-Seiten-Abkommen beigelegt. Der Iran ist seither verpflichtet, seine Nuklearaktivitäten auf ein Minimum zu reduzieren und diese unter die Obhut der internationalen Atomenergiebehörde zu stellen. Im Gegenzug hat der Westen die nuklearbezogenen Sanktionen gegen den schiitischen Golfstaat aufgehoben. Auch hat der Iran international wieder mehr Gewicht. Umgekehrt hat sich diese Regierung geöffnet und dabei selbst einige Tabus über Bord geworfen. Sie leugnete den Holocaust nicht mehr, sprach mit israelischen Journalisten, und beklagte sich beim Militärapparat, wenn auf Raketen israelfeindliche Parolen zu lesen sind. Dafür kassierte Rohanis Kabinett den harschen Rüffel eines hohen Generals: ,,Wir warnen einige Politiker davor, sich in die Angelegenheiten des Militärs einzumischen", meinte dieser.

Rohanis Bewegung war bemüht, viele zerstörte Brücken im Eiltempo wiederherzustellen. Bei dieser Wahl am morgigen Freitag entscheidet sich, ob sein Kurs dem rauen Gegenwind der Hardliner standhalten wird.

Wirtschaft wächst schleppend

Werden die Perser Rohani noch eine Chance geben? Obwohl sie wissen, dass die USA und die Europäer andere Iran-Sanktionen, etwa in Zusammenhang mit der Unterstützung des Terrorismus und mit Menschenrechten, aufrecht halten und sogar noch verstärken? Rohanis Regierung erwartete sich nach dem historischen Deal eine Wiederbelebung der iranischen Wirtschaft, die bis dato nur schleppend vorangeht, da die meisten großen westlichen Banken nach wie vor den Iran als rotes Tuch sehen, um es sich mit den USA, die seit knapp 38 Jahren keine diplomatischen Beziehungen zum Iran pflegen, nicht zu verscherzen.

Die Inflation konnte Rohanis Regierung zwar von 42 Prozent im Jahre 2013 auf 8,9 Prozent 2017 senken, und die Arbeitslosigkeit von 20 Prozent auf 11 Prozent, doch die großen Investments blieben mit Ausnahme einiger Mega-Deals (vor allem mit Boeing und Airbus) weitgehend aus. Die Mieten im Iran steigen rasant an, die Lebenserhaltungskosten ebenfalls. Nachhaltige Verbesserungen sehen anders aus.

"Ohne Teheran geht gar nichts"

Außenpolitisch hat Rohani es geschafft, den Iran so zu positionieren, dass er auf dem diplomatischen Parkett wieder mitmischt. Etwa in der Syrienfrage, wo Teheran gemeinsam mit der Türkei und Russland federführend versuchen, einen Friedensprozess in Gang zu bringen. Ob diese ausgestreckten Fühler Teherans in der ganzen Region (Bahrain, Jemen, Syrien, Irak und Libanon) nun gut oder schlecht sind, darüber scheiden sich die Geister.

Über eines ist man sich aber im Westen einig: Durch die starken iranischen Bodentruppen im Kampf gegen die Terrormiliz IS konnte diese bisher aus Bagdad und Damaskus ferngehalten werden. Fazit: Der Iran ist für eine erfolgreiche Bekämpfung der sunnitischen Terrormiliz unentbehrlich. Sogar die USA mussten zugeben, dass "ohne Teheran gar nichts mehr geht in der Region".

Eine andere Baustelle ist das Thema Menschenrechte. Der Iran hat nach UN-Erkenntnissen im vergangenen Jahr mindestens 530 Menschen hingerichtet. Der Großteil sei wegen "nicht ernster" Drogendelikte verurteilt worden, heißt es im Bericht des UN-Menschenrechtsrates in Genf. Den Zahlen zufolge hat kein anderes Land im vergangenen Jahrzehnt so viele minderjährige Täter exekutiert. Mit Ende des Vorjahres saßen noch über 78 verurteilte Jugendliche unter 18 in der Todeszelle. In den Jahren 2012 bis 2015 ist die Anzahl der Exekutionen stetig gestiegen, erst 2016 nahm diese Zahl wieder ab.

Hohe Strafen werden auch gegen Journalisten und Blogger verhängt, die die Regierung kritisieren oder Informationen weitergeben, die der Staat als "Falschmeldungen" klassifiziert. In den Wochen vor der Wahl stieg die Zahl der inhaftierten Journalisten noch einmal deutlich an. Mindestens 24 Autoren waren Mitte Dezember inhaftiert.

Rohani hat nur wenig Einfluss

Dabei hatte Rohani eine Bürgerrechtscharta versprochen. Doch sie wartet immer noch auf ihre Verwirklichung. Das Kernstück, nämlich mehr Freiheiten im Alltag der Bürger, ist den Hardlinern ein Dorn im Auge. Da sie an den Hebeln der Justiz sitzen, gab es keine Zustimmung dafür. Ebenso wenig konnte Rohani die Freilassung der beiden Oppositionsführer Mirhossein Moussavi und Mehdi Karroubi erwirken, die sich seit über fünf Jahren in Hausarrest befinden. Karroubi und Moussavi hatten wie die meisten inhaftierten Dissidenten dem Regime 2009 Manipulationen bei der Präsidentenwahl vorgeworfen. Während die Reformer beide als politische Gefangene betrachten, werden sie von Justizbehörde und Hardlinern als konterrevolutionäre Dissidenten eingestuft. Vom 2013 groß ankündigten "wind of change" des "Scheichs der Hoffnung", wie Rohanis Fans ihn damals nannten, ist heute nicht viel übrig. Er wird nicht müde, zu betonen, dass man im Iran nicht alles verbieten könne, etwa soziale Medien, und er verspricht, sich für eine weitere Öffnung seines Landes einzusetzen. Ob er es am Freitag gegen seinen Herausforderer Ebrahim Raisi noch einmal schafft, ist offen.