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Der Herrscher mit den zwei Gesichtern

Von Klaus Huhold

Politik

Paul Kagame wird die Präsidentenwahl in Ruanda gewinnen. Opposition lässt er kaum zu.


Kigali/Wien. Paul Kagame hebt bei seinen Reden oft den Zeigefinger. Der großgewachsene Präsident Ruandas mit der schlaksigen Figur verweist dann dabei gerne auf die Erfolge seines Landes, das in den vergangenen Jahren einen wirtschaftlichen Aufschwung wie kein zweites in Afrika hingelegt hat. Wenn er seine Ausführungen beendet hat, jubelt ihm seine Zuhörerschaft zu, wie auf Befehl schwenken dann dutzende Menschen Fahnen der regierenden Ruandisch Patriotischen Front (RPF).

Solche Szenen wiederholen sich derzeit häufig, die örtliche Presse stellt ständig Videos von den Auftritten ins Netz. Am Freitag ist Präsidentenwahl und Kagame tourt daher durch das Land. Der 59-Jährige ist siegessicher. Die Macht seiner eigenen Partei und die Hilfe von Bündnispartnern würden für einen Sieg sorgen, der sich der 100-Prozent-Marke annähert, verkündete Kagame. Tatsächlich dürfte er damit gar nicht so falsch liegen.

Gegängelte Kritiker

Was Kagame nicht erwähnt: Im Vorfeld der Wahl gab es schon eine Auslese bei den Kandidaten: So hatte die Unternehmerin Diane Rwigara eine Kandidatur angekündigt. Kurz darauf tauchten gehackte Nacktfotos von ihr im Netz auf. Von einem Antreten war danach bei ihr keine Rede mehr.

Nicht dass sie Kagame gefährlich werden könnte: Politologen und Diplomaten, die sich mit Ruanda beschäftigen, bezweifeln kaum, dass Kagame eine freie und faire Wahl gewinnen würde. Ob er allerdings wie 2010 beim letzten Votum 93 Prozent erhalten würde, ist zweifelhaft.

Paul Kagame ist ein Staatschef mit zwei Gesichtern. Einerseits ist die Medienfreiheit eingeschränkt, wird die Opposition eingeschüchtert, es kam gar zu mysteriösen Todesfällen unter Oppositionellen - wobei die Regierung bestreitet, etwas damit zu tun zu haben. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International beklagte in ihrem jüngsten Bericht zu dem ostafrikanischen Land, dass die Angriffe auf Oppositionelle "die politische Debatte ersticken. Wer seine Stimme erheben will, denkt zweimal darüber nach, ob er dieses Risiko eingeht."

Andererseits kann die Regierung von Kagame eine wirtschaftliche und entwicklungspolitische Bilanz vorweisen, die in Afrika ihresgleichen sucht: Die Wirtschaft wächst um die acht Prozent im Jahr. Es herrscht viel weniger Korruption als in den umliegenden Staaten: Damit Beamte nicht zu viel verlangen und so in die eigene Tasche arbeiten, wird auf den Gemeindeämtern genau aufgelistet, welche Leistung wie viel kosten darf. 61 Prozent der Parlamentsabgeordneten sind Frauen. Die Müttersterblichkeit ist drastisch gesunken, die Impfrate stark gestiegen, und es gibt eine allgemeine Krankenversicherung, durch die Basisdienste abgedeckt werden.

Das ist auch das große Versprechen, das Kagame für seine Wiederwahl abgibt: Seine Präsidentschaft würde für die nächsten sieben Jahre noch mehr Entwicklung bedeuten. Der Staatschef hat dabei ehrgeizige Pläne: Ruanda soll ein Zentrum für IT-Dienstleistungen werden. In der Hauptstadt Kigali wird die Gründung von Start-ups gefördert, selbst das entlegenste Dorf ist mittlerweile mit dem Internet verbunden.

Für Kagame bedeutet Entwicklung aber weit mehr als Armutsbekämpfung, wie er in Gesprächen mit dem britischen Journalisten Alex Perry ausführte, über die dieser in seinem Buch "In Afrika" berichtet. Durch Entwicklung will Kagame seinem Land mehr Unabhängigkeit von internationalen Geldgebern und deren Forderungen und auch mehr Selbstbewusstsein geben - er sieht dabei Ruanda durchaus als Vorbild für das restliche Afrika. Und der wirtschaftliche Aufschwung ist für ihn auch ein Weg zur Aussöhnung. Wer die Vorteile gegenseitiger Kooperation verspürt, "hat keine Zeit, sich zu hassen", sagt Kagame.

Diese Aussagen sind vor dem Hintergrund der grausamen Geschichte Ruandas zu sehen, die auch das Selbstverständnis von Kagame geprägt hat: Im Jahr 1994 verübten radikale Hutus einen Völkermord an Tutsis und gemäßigten Hutus und ermordeten rund 800.000 Menschen. Angeführt von dem in den USA in einer Militärakademie ausgebildeten Tutsi Kagame stürzte die RPF das Hutu-Regime und übernahm die Macht.

Von der Welt im Stich gelassen

Die Weltgemeinschaft hatte Ruanda damals im Stich gelassen: Nicht nur wurden die im Land stationierten UN-Blauhelme teilweise abgezogen. Laut dem französischen Investigativ-Journalisten Patrick de Saint-Exupéry, der sich dabei auf hochrangige Beamte beruft, die anonym bleiben wollen, hat Frankreich das verbündete Hutu-Regime noch während des Mordens aufgerüstet.

Auch Kagame gibt Frankreich eine Mitschuld am Massaker. Und er weist Kritik des Westens an seinen diktatorischen Anwandlungen regelmäßig mit dem Argument zurück, dass dieser allein schon aufgrund seines damaligen Verhaltens nicht das Recht habe, Ruandas Regierung heute zu kritisieren.

Kagame sieht sich selbst offenbar als Garant, dass sich das Morden nicht wiederholt und Ruanda sich in eine moderne, selbstbewusste Nation verwandelt. Der ehemalige Rebell und Kommandant, der teilweise weiterhin wie ein Militär denkt, schneidet dabei das System immer mehr auf sich zu. Viele alte Mitstreiter wurden bereits aussortiert oder in Pension geschickt. Ob im Parlament oder in der Armee - Kagame kann über alle hinweg entscheiden. Kritiker warnen daher, dass Ruanda viel zu sehr mit seiner Person steht und fällt, und fürchten, dass Kagame niemals von selbst von der Macht wird lassen können.