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Tanz auf der roten Linie

Von Klaus Huhold

Politik

Trumps Drohungen gegen Nordkorea bergen eine große Gefahr: dass den Worten militärische Taten folgen.


Washington/Wien. Sie steigen nicht vom Gas. Kein Tag vergeht, an dem sich US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Herrscher Kim Jong-un nicht gegenseitig - entweder persönlich oder durch Stellvertreter - irgendwelche Unfreundlichkeiten ausrichten. Zuletzt war wieder Trump an der Reihe.

Die Drohung, Nordkorea mit "Feuer und Zorn" zu überziehen, sei womöglich nicht hart genug gewesen, verkünde der US-Präsident. Wenn Nordkorea, wie angekündigt, die US-Pazifikinsel Guam angreifen sollte, würde es Probleme bekommen, wie sie nur wenige Länder erlebt hätten. Es sollte "sehr, sehr nervös" sein. Und: Militärische Lösungen seien "komplett vorbereitet und einsatzbereit, sollte Nordkorea unklug handeln". Zuvor hatte das asiatische Land Trump verspottet: Mit diesem sei keine normale Konversation möglich, er verkenne den Ernst der Lage und gehe damit der nordkoreanischen Militärführung ziemlich auf die Nerven.

Trump gibt den starken Mann

Steht die Welt vor einem nuklearen Desaster, weil hier zwei Staatschefs wie zwei Stiere aufeinander zulaufen und keiner von den beiden abbremsen will? Oder sind die verbalen Ausbrüche nur Säbelrasseln? Wie viel Strategie und Psychologie steckt in dem Duell der beiden Atommächte USA und Nordkorea?

"Ich sehe derzeit keine Strategie bei den USA", sagt Reinhard C. Heinisch, der an der Universität Salzburg das Institut für Politikwissenschaft leitet. Immer wieder scheint Trump Alleingänge zu unternehmen. Mittlerweile ist bekannt, dass er mit seiner Administration die Drohung von "Feuer und Zorn" nicht abgesprochen habe. Die eigenen Leute müssten Trump offenbar immer wieder einfangen. Dass Trump droht und Außenminister Rex Tillerson beruhigt, scheint mittlerweile Teil der US-Außenpolitik zu sein.

Trump will Stärke zeigen. Dabei reagiert er aber auf die Meldungen der Atommacht Nordkorea genauso, wie wenn ihn irgendein Komödiant im Fernsehen beleidigt. Er schränkt damit den Handlungsspielraum der USA, die sich offenbar auch nicht sonderlich intensiv mit Verbündeten absprechen, enorm ein. "Wenn ich eine rote Linie ziehe, und diese wird überschritten, dann muss ich Taten folgen lassen, sonst zeige ich Schwäche", erklärt Heinisch der "Wiener Zeitung". Falls die Nordkoreaner also eine Rakete Richtung Guam abfeuern, könnte Trump allein aufgrund seiner verbalen Ausritte gezwungen sein, militärisch zu reagieren.

Staatschef Kim Jong-un und seine Getreuen treiben hier ein perfides Spiel. Ihre Ankündigung Richtung Guam ist nicht nur eine Angriffsdrohung, sondern auch ein militärisch-politischer Schachzug.

Denn die Nordkoreaner haben genau bekanntgegeben, welchen Raketentyp sie abschießen werden (Hwasong-12), welche Flugbahn die Raketen nehmen würden (über Hiroshima in Japan) und wo sie im Wasser landen würden (30 Kilometer vor Guam).

"Das ist eine Form der psychologischen Kriegsführung", sagt Heinisch. Denn nicht nur würde Nordkorea Stärke demonstrieren. Gleichzeitig müssten sich die USA bei einem massiven Gegenschlag - etwa einem Angriff auf Nordkorea, der viele Todesopfer zur Folge hätte - dafür verantworten. Und wenn es den USA nicht gelingt, die Rakete von Himmel zu holen, verlieren sie ihr Gesicht.

Das Kalkül von Kim ist offenkundig: Er ist davon überzeugt, dass nur Atomwaffen seinem Regime Sicherheit geben. Wie etwa der US-Feind Muammar Gaddafi in Libyen endete, dient ihm als warnendes Beispiel.

Fraglich ist aber, wie weit er innerhalb dieses Kalküls rational agiert. Ist er so vernünftig, dass er so weit von Provokationen ablässt, dass ihn die USA nicht angreifen? Oder überschätzt er sich und überdreht die Eskalationsspirale - und ist dabei auch bereit, die eigene Bevölkerung mit in den Tod zu reißen, wenn er stürzt? Nicht einmal die Chinesen wüssten hier genau Bescheid, befindet Heinisch, der soeben von einem Lehraufenthalt an der Pekinger Remnin-Universität zurückgekehrt ist. Was auch daran liegt, dass viele Berater Kims, die ein Naheverhältnis zu China hatten, liquidiert oder sonstwie entfernt wurden.

China geht zusehends auf Distanz zu Nordkorea: Die Zeitung "Global Times", die der Regierung nahesteht, verkündete, dass Peking seinem Verbündeten voraussichtlich nicht zur Seite stehen würde, wenn Pjöngjang einen Erstschlag durchführen sollte. Trump hatte sich von China erwartet, dass es das Nordkorea-Problem überhaupt löst. Doch Pekings Einfluss auf Kim, der sämtliche wirtschaftliche Sanktionen an die Bevölkerung weitergibt, ist beschränkt.

China will Krieg verhindern

Das Interesse Chinas sei klar, sagt Heinisch: Es wolle es sich derzeit nicht mit den USA verscherzen und ist ebenfalls nicht an einem nuklear hochgerüsteten Nordkorea interessiert. Gleichzeitig will China aber auch keinen Regimewechsel in Nordkorea. Und es will auf gar keinen Fall einen bewaffneten Konflikt in seiner Nachbarschaft.

Beobachter spekulieren nun, dass China zum Vermittler werden könnte, der Nordkorea und den USA einen Ausweg anbietet, der beide Seiten ihr Gesicht wahren lässt. Einen ersten Vermittlungsversuch hat Peking bereits mit Russland gestartet: Nordkorea solle seine Raketentests einstellen und die USA sowie Südkorea ihrerseits sollen auf große Militärmanöver - die für Nordkorea seit jeher eine Provokation darstellen - verzichten.

Doch dafür müsste einer der beiden, Kim oder Trump, zuerst nachgeben. Wer soll das sein? Die USA haben bereits angekündigt, dass ein Militärmanöver mit Südkorea, an dem 30.000 Soldaten teilnehmen, wie geplant noch im August stattfinden wird.